Bottrop. . Die Fußballerinnen von Blau-Weiß Fuhlenbrock pflegen eine ganz besondere Beziehung zu den Bewohnern des DRK-Hauses Rottmannsmühle.
Sie jagen mit jugendlicher Energie dem Ball hinterher, erleben sportliche Höhen und Tiefen im Kreis einer eingeschworenen Mannschaft. Fußball ist für sie Hobby, aber auch ein gutes Stück Lebensqualität. Die Spielerinnen von Blau-Weiß Fuhlenbrock teilen ihr Glück mit Menschen, die nicht mehr beweglich sind, deren Sozialkontakte stark eingeschränkt sind. Das Landesliga-Team pflegt einen intensiven Austausch mit den Bewohnern des DRK-Hauses Rottmannsmühle. Entstanden ist eine außergewöhnliche Beziehung. Am dritten Adventswochenende waren 25 Fußballerinnen wieder mit „ihren“ Seniorinnen und Senioren unterwegs.
Jasmin Mietzen ist eine der Spielerinnen, die von Beginn an dabei ist. „Viele Leute schauen, als wären wir aus dem Zoo ausgebrochen. Einigen der Senioren sieht man eben an, dass es ihnen nicht mehr so gut geht. Leider sieht es unsere Gesellschaft immer noch nicht als normal an, dass ältere Menschen am Leben teilhaben wollen. Auf dem Weihnachtsmarkt haben wir außerdem wieder gemerkt, dass es mit der Barrierefreiheit nicht so weit her ist. Und als wir den Bürgersteig blockiert haben, wurden wir angemeckert. Wir haben dem Mann empfohlen, die Straßenseite zu wechseln.“ Trotzdem ist sie immer noch Feuer und Flamme: „Ich arbeite in der Pflege und weiß, wie wichtig es ist, dass solche Aktionen regelmäßig passieren. Und ich finde es gut, dass unsere jungen Spielerinnen erfahren, dass es Menschen gibt, die nicht mehr gesund und voller Kraft sind. Auch das Sterben der Menschen erleben sie mit. Wenn Ausflüge anstehen, halten wir uns alle ein Fenster frei, um dabei sein zu können.“
Wie zum Beispiel Fabienne Katzenski, die ihr erstes Mal erlebte. Für sie war das gemeinsame Singen zum Gitarrenspiel von DRK-Mitarbeiter Marco Rottmann ein besonderer Augenblick. „Viele Menschen sind stehengeblieben und haben mitgesungen, das war richtig schön.“ Dass sie sich an der Aktion beteiligt hat, war für sie eine Selbstverständlichkeit. „Es tat gut, den Menschen eine Abwechslung zu ihrem Alltag bescheren zu können. Und als Mannschaft ist es umso schöner.“ Auch, wenn nicht alles reibungslos ablief. „Als es auf dem Kopfsteinpflaster mit dem Rollstuhl ruckelig wurde, meinte die Omi, die ich schob, ich könne es wohl nicht richtig. Aber das machte mir nichts aus.“
Für Einrichtungsleiterin Beatrice Werner ist das Engagement des Fuhlenbrocker Klubs gar nicht hoch genug zu bewerten. „Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass die jungen Mädels ihre Freizeit einsetzen. Solche Dinge können wir durch die normale Pflege nicht abdecken.“
Trotz des Einsatzes der Fuhlenbrockerinnen bringen diese Ausflüge viel Organisation mit sich, die Übergabe zu Beginn und am Ende ist generalstabsmäßig geplant. „Allein aus Versicherungsgründen müssen wir größte Sorgfalt anwenden.“ Dass die Ausflüge gut ankommen, daran hat sie keine Zweifel. „Für unsere Bewohner, die größtenteils kognitiv eingeschränkt sind, sind diese Erlebnisse, bei denen sie schmecken, riechen und fühlen können, besonders wichtig. Viele von ihnen nutzen diese Gelegenheiten sogar regelrecht aus“, ergänzt Beatrice Werner lachend. „Die sagen dann ihrem Mädel: Fahr mich doch mal zu C&A. Oder: Ich müsste mal nach Rossmann. Aber die Mädels haben einen Riesenspaß daran und kaufen dann noch ein Fischbrötchen oder einen Kaffee, obwohl sie das gar nicht sollen. Schließlich haben die Bewohner Taschengeld dabei. Aber sie lassen es sich nicht nehmen.“
Geben und Nehmen
Geben und Nehmen, gegenseitiger Respekt und Menschlichkeit - Mirsada Hoffmann, die Trainerin von BW Fuhlenbrock, sieht in der Mühle eine ihrer drei Familien. „Ich könnte ohne diese Vorgesetzten nicht meine Mannschaft leiten. Im Oktober hat mich Frau Werner nach Hause, nach Bosnien, geschickt, als dort ein Familientreffen war. Ich hatte gar nicht gefragt, weil ich wusste, ich könnte kein frei bekommen. Aber Frau Werner sagte: Trau dich, vor Montag zurück zur Arbeit zu kommen.“ Nachdenklich fügt sie hinzu: „Ich möchte nichts in meinem Leben ändern und ich bin niemals allein gewesen. Nur eines hängt mir nach. Als meine Mutter vor 15 Jahren starb, hatte mir mein damaliger Arbeitgeber kein frei gegeben, damit ich zur Beerdigung gehen konnte. Ich wünsche mir, damals wäre ich schon hier gewesen.“
„Meine Mädels machen das“
Wenige Tage vor Weihnachten herrscht geschäftiges Treiben im DRK-Haus Rottmannsmühle. Mitarbeiter beschäftigen sich mit dem Zusammenbau einer Krippe, andere versuchen, ihr Lampenfieber für ihre Charaktere in „Ochs und Esel“ in den Griff zu bekommen. Schließlich haben die - auch ohne großen textlichen Einsatz - beim Krippenspiel tragende Rollen. Für ihre Bewohner lässt sich die Belegschaft der „Mühle“, wie alle die Pflegeeinrichtung nur nennen, immer etwas Neues, und oft auch Ungewöhnliches, einfallen.
Mensch sein können, auch im hohen Alter
Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben. Die Britin Cicely Saunders gilt als Begründerin der modernen Hospizbewegung und Palliativmedizin. Ihr Zitat liefert das Motto für die Arbeit des DRK-Hauses Rottmannsmühle.
Das Haus Rottmannsmühle ist nicht nur ein neues Zuhause für die Bewohner, sondern auch ein Ort an dem gelebt und gelacht wird, heißt es auf der Internetseite der Einrichtung.
„Wir sind da etwas bescheuert, aber liebevoll bescheuert“, gibt Einrichtungsleiterin Beatrice Werner zu. Augenzwinkernd schildert sie einen Auftritt des Weihnachtsmannes, der samt seiner Rentiere in der Mühle aufschlug. „Woanders wäre er mit festlichen Klängen begleitet worden, hier kam ,Highway to Hell’ aus den Lautsprechern.“ Ähnlich bemerkenswert war der Staatsbesuch, ganz in der Tradition von Hape Kerkeling, der niederländischen Königin. Sogar die örtliche Polizei war am Start und mit Unterstützung des benachbarten Autohauses an der Karl-Englert-Straße reiste das Oberhaupt des Nachbarstaates stilvoll im Korso an. „Da war was los. An diesem Tag gab es in unserem Bistro natürlich nur niederländische Spezialitäten.“
Die besten Ideen kommen Beatrice Werner, die bei der Errichtung der Mühle im Frühjahr 2013 „selbst die Betten hier reingeschoben“ hat, nachts. Oft ist Mirsada Hoffmann ihre erste Kontaktperson. „Nachts um halb zwei. Und ich antworte dann: Sie müssen doch schlafen!“ Doch gute Ideen dürfen nicht verloren gehen. Und bei Mirsada fallen diese Geistesblitze auf fruchtbaren Boden. Seit mehr als drei Jahren arbeitet die Trainerin der Frauenmannschaft von Blau-Weiß Fuhlenbrock als Betreuerin in der Mühle. Als es darum ging, Helfer für das Sommerfest der Einrichtung zu finden, sagte sie ohne zu Zögern: „Meine Mädels machen das.“