Kirchhellen. . Für die meisten Kicker ist spätestens mit 60 Schluss. Aber nicht beim VfB Kirchhellen. Die Ältesten im Klub entdecken Walking Football für sich.
Die Kondition geht flöten, die Lunge pfeift und die Knie knarzen: Irgendwann muss sich jeder Fußballer unweigerlich mit dem Gedanken beschäftigen, die Schuhe an den Nagel zu hängen. Beim VfB Kirchhellen gibt es jetzt eine Mannschaft für alle, die ihr Karriereende noch ein paar Jahre hinaus zögern wollen. An der Loewenfeldstraße wird seit einigen Wochen Walking Football gespielt.
„Ich habe mittlerweile zwei künstliche Kniegelenke, da ist nichts mehr mit Rennen und Grätschen“, sagt Egon Haubold. Die vergangenen Jahre waren nicht einfach für den Kirchhellener, der seit 47 Jahren Mitglied beim VfB ist und in dieser Zeit alle Mannschaften durchlaufen hat. Denn auch wenn der Körper nicht mehr mitspielen will: der Spaß am Fußball, dieses Gefühl, einen Ball vor dem Fuß zu haben, das vergeht nie, das nimmt ein Vollblutfußballer mit ins Grab. Das Eingeständnis, zu alt für Fußball zu sein, fällt schwer.
Tacklings und Rennen sind strickt verboten
Mit offenen Armen empfängt die Mannschaft des VfB Kirchhellen alle, die Interesse am Walking Football haben. „Wir trainieren immer montags ab 19 Uhr an der Loewenfeldstraße. Neulinge sind herzlich willkommen“, sagt Egon Haubold. Nachfragen beantwortet VfB-Obmann Gerd Tribowski auch telefonisch: 0 20 45/8 25 89.
Die Regeln der Trendsportart sind simpel. Fußballer werden sich schnell zurecht finden. Das Wichtigste: es darf nicht gerannt werden. Haubold erklärt: „Es muss immer ein Bein auf dem Boden bleiben, sonst wird die Aktion abgepfiffen.“ Tacklings sind strikt verboten. Der Ball wird nie höher als bis zur Hüfte gespielt.
Eine Mannschaft besteht aus sechs Spielern und kommt ohne Torhüter aus. Das Feld misst 21 x 42 Meter, es kann sowohl drinnen als auch draußen gespielt werden. Das Tor ist einen Meter hoch und drei Meter breit.
Als Erfinder des Walking Footballs gilt der englische Fußballverein Chesterfield FC. Er soll 2011 die Trendsportart ins Leben gerufen haben.
Haubold war deshalb auch sofort Feuer und Flamme, als er von Walking Football erfuhr, einer Fußball-Sportart, die in Europa immer populärer wird. Er hatte einen Beitrag im TV gesehen, danach im Internet recherchiert: „Wir haben das hier beim VfB nur einmal kurz abgeklopft und hatten schnell zwölf Mann zusammen.“
Treibende Kräfte des Football Walkings in Deutschland sind ausgerechnet die Profivereine aus der Bundesliga. „In Wolfsburg waren sie die ersten, dann Leverkusen, Bremen, Schalke“, erklärt Haubold. Und mit den Königsblauen fand der 59-Jährige dann auch prompt einen Partner, der bereitwillig Starthilfe leistete. Im November kamen Martin Max und Boris Liebing an die Loewenfeldstraße, um ein Demotraining abzuhalten. Haubold und seine Freunde im Alter bis zu 66 Jahren waren begeistert: „Die beiden erklärten uns die wichtigsten Regeln, haben uns vorgemacht, worauf es ankommt.“ Seitdem treffen sich die Ältesten des VfB jeden Montag um 19 Uhr zum Walking Football.
Für alle, die dabei sind, dreht sich aber nicht alles um den Fußball. Es geht auch darum, Kontakte zu pflegen, die ohne die regelmäßigen Treffen im Verein wohl einschlafen würden. Haubold: „Nach dem Training geht es die Straße hinauf ins Clubheim. Irgendwer hat immer Geburtstag. Dann trinkt man ein Bier, man spielt Karten, oder schaut gemeinsam die Montagspiele der Bundesliga.“ Und wo liegt dann der eigentliche Stellenwert des Trainings? „Man braucht ja auch einen Aufhänger für die Frau“, sagt Haubold und lacht.
So leicht, wie es aussieht, ist es dann doch nicht
Nein, sie meinen es schon ernst mit ihrem Sport, bei dem man nicht rennen und den Ball nicht höher als Hüfthöhe schießen darf. Denn so leicht, wie es aussieht, ist es nicht. Haubold schmunzelt, wenn er an die ersten Erfahrungen zurückdenkt, die er und seine Kumpel gemacht haben: „Nach dem Demotraining hättest du die Jungs mal fragen sollen, wie anstrengend das ist. Wenn man Sechs gegen Sechs spielt, ist man immer in Bewegung, da spielst du im Tor und im Sturm gleichzeitig.“ Beim Walking Football komme es nicht so sehr auf Tempo an. Präzision und Auge sind gefragt. Wichtig sei es, einen Pass genau in den Fuß spielen zu können, sich mannschaftlich schlau zu bewegen.
Das neue Team soll sich im Verein etablieren. Damit die Idee nicht gleich wieder einschläft, sind die Kirchhellener auf der Suche nach einer Sporthalle, um auch in den kalten Monaten trainieren und spielen zu können. Ähnliches passiert auch im Umfeld von Kirchhellen. Der BV Rentfort hat bereits eine Mannschaft, auch Westfalia Schalke und der TuS Holsterhausen aus Essen. Die ersten Spiele sollen im neuen Jahr ausgetragen werden. Bis dahin wird fleißig trainiert.