Bottrop. . Auf dem Weg zum Auswärtsspiel nach Velbert geriet das Team von BW Fuhlenbrock in einen Verkehrsunfall. Ein Tag, der alles änderte.
„Hallo, wie geht’s?“ Eine Floskel, auf die oft nicht einmal eine ehrliche Antwort erwartet wird. Als ein Jugendfußballer von BW Fuhlenbrock diese Frage vor ein paar Tagen an Mirsada Hoffmann-Kovac richtete, realisierte die Trainerin erst im Nachhinein, dass sich der junge Mann tatsächlich für ihr Befinden interessierte.
„Ganz gut, und dir? - das hatte ich ihm geantwortet. Erst als er mich seltsam anschaute, wurde mir klar, dass er sich Sorgen um mich machte“, erzählt Hoffmann-Kovac. Erlebnisse, wie dieses, häuften sich in den vergangenen Tagen. Die Trainerin der Fuhlenbrocker Frauenmannschaft führt das auf den Autounfall zurück, in den sie und Teile ihrer Mannschaft am 28. Oktober verwickelt waren. Ein Schockmoment, der alle im Verein immer noch bewegt und beschäftigt.
Glück im Unglück
Mirsada Hoffmann-Kovac und die Spielerinnen Jasmin Mietzen, Tanja Bigos und Maja Roethemeyer waren an diesem Sonntag auf dem Weg zum Auswärtsspiel nach Velbert. An einer Kreuzung in Essen kam es dann zu dem Unfall mit einem Motorradfahrer. „Normalerweise fahren wir immer in Kolonne, um geschlossen bei unseren Gegnern anzukommen. An diesem Tag sind aber fast alle für sich gefahren, nur zwei Wagen von uns waren gemeinsam unterwegs. Im Nachhinein bin ich sehr froh darüber“, berichtet die Bottroperin.
Die Nachricht vom Unfall machte im Verein blitzschnell die Runde. Jugendspieler Dustin Kreul kam zufällig mit seiner Mutter an der Unfallstelle vorbei. „Als wir die Trainingsanzüge gesehen haben, wussten wir sofort: „Die gehören zu uns“, schildert Tanja Kreul das Erlebnis. „Ich habe geschaut, ob Hilfe nötig ist, aber die Einsatzkräfte waren schon vor Ort.“ Mirsada Hoffmann-Kovac kam in Begleitung von Ehefrau Jasmin mit dem Krankenwagen in die Essener Uniklinik - und noch am selben Abend war ihre Mannschaft bei ihr auf der Intensivstation.
Hoffmann: Dieses Bild werde ich nie vergessen
„Ich habe mitbekommen, dass die Spielerinnen sagten: Ja, wir gehören zur Familie.“ Eine Erinnerung an den Unfalltag, die ihr besonders präsent ist. Eine weitere: „Ich habe gesehen, wie Sarah Cierpiszewski Jasmin im Arm gehalten hat. Die beiden sind sich nicht immer einig, dieses Bild werde ich nie vergessen.“ Die Sorge um die junge Maya Roethemeyer ließ Hoffmann-Kovac an diesem Abend erst nicht zur Ruhe kommen. „Ich habe Jasmin und Tanja gesehen, aber Maya nicht. Irgendwann hat mir jemand gesagt: Maya geht es gut.“ Die 18-Jährige war am glimpflichsten davongekommen. Nur eine Woche nach dem Geschehen stand sie wieder auf dem Fußballplatz. Die drei anderen erlitten schwere Schleudertraumata, die Trainerin zudem eine Lungenquetschung und eine Brustprellung, bei Tanja Bigos wurde außerdem ein Rippenbruch festgestellt.
Noch drei Saisonspiele bis zur Winterpause
Auch wenn die Fußballerinnen des SV BW Fuhlenbrock ihre sportliche Situation in der Landesliga anders bewerten und gewichten: Trotz allem soll am Ende der Saison der Klassenerhalt stehen.
In bisher zehn Saisonspielen haben die Bottroperinnen erst einen Sieg einfahren können und stehen mit sechs Punkten auf dem elften Tabellenplatz. Der Vorsprung auf die Abstiegszone beträgt drei Punkte.
Bis zum Jahreswechsel stehen noch drei Spiele auf dem Programm. Daheim gegen RW Essen (16. Dezember) und auswärts gegen Fortuna Wuppertal (2. Dezember) sowie die SVG Neuss (9. Dezember).
In den Alltag zurückgefunden haben die Fußballerinnen und ihre Trainerin noch nicht. „Arzttermine, Krankengymnastik, die Gespräche mit den Versicherungen - wir haben den Unfall psychisch noch gar nicht verarbeitet. Meine Familie hilft uns, wo sie kann. Wir haben seit dem Unfall nicht einmal selbst kochen müssen und sie nehmen uns auch den Haushalt ab“, berichtet Hoffmann-Kovac. Aber auch die Vereinsfamilie bietet großen Rückhalt: „Unsere Abteilungsleiterin Christiane Weidemann hat sich um alles gekümmert. Ich wusste nicht einmal, dass ich über den Verein bei der Berufsgenossenschaft versichert bin. Elke Lehmann und Volker Stenbrock haben das Training übernommen. Das einzige, was ich nicht abgegeben habe, ist das Training der F-Jugend. Die wissen, was sie tun sollen. Wenn ich ihnen den Ball zuwerfe, fangen die einfach an zu spielen.“ Der Vereins-Nachwuchs spendete rückhaltlosen Trost. „Sie haben Jasmin und mir Süßigkeiten und Bärchensocken geschenkt.“
Neue Haltung zu Sieg und Niederlage
Selbst wenn Mirsada Hoffmann-Kovac noch nicht voll einsatzfähig ist, ist sie dennoch ganz dicht an den Frauenteams. Und sie hat das sichere Gefühl, dass das Erlebte das komplette Mannschaftsumfeld noch fester zusammengeschweißt hat. Das erkennt die Trainerin auch an Kleinigkeiten: „Die Besprechung vor dem ersten Spiel nach dem Unfall war sehr emotional. Und als ich vor dem letzten Heimspiel auf den Gang kam, standen alle Mädels noch dort. Sie warteten, damit alle gemeinsam auf den Platz gehen konnten.“ Auch der Umgang mit dem sportlichen Erfolgen und Misserfolgen hat sich seit dem 28. Oktober verändert. Der Unfall und die Vorstellung, was alles hätte passieren können, hat das Wissen, dass es Wichtigeres als ein gewonnenes oder verlorenes Spiel gibt, abrupt und nachhaltig ins Bewusstsein gerückt. „Ich bin Sportlerin, sicher will ich jedes Spiel gewinnen. Aber die Gesundheit und die Familie sind alles im Leben.“ Auch das hat der Unfall gezeigt: Die Fuhlenbrocker Fußballerinnen und Fußballer sind Teil ihrer Familie.