Dumpfe Bässe und grölende Männerstimmen dringen aus der Umkleidekabine. Davor fallen sich schwitzende Fußballer mit freiem Oberkörper in die Arme. Im Takt rascher Schritte kündigen sich klirrend die Trophäen des Nachmittags an. Von irgendwoher werden eilig Bierkästen herangetragen. Drei an der Zahl. „Ein Kasten pro Heimsieg“, erklärt Sven Koutcky den Deal zwischen Mannschaft und Vorstand des VfL Grafenwald. Im Derby gelten andere Gesetze. Im Halbdunkel der Sportanlage sind nur noch die Sieger zu sehen. Die Kicker des VfB Kirchhellen haben sich geschlossen in ihre Umkleide verzogen. Dort herrscht betretenes Schweigen. Ein intensives Fußballspiel ist vorbei. Der VfL Grafenwald hat den VfB Kirchhellen mit 2:0 besiegt. Ein überraschendes Resultat, das die Stimmung auf beiden Seiten noch zusätzlich verstärkt.

Die Serie des VfB Kirchhellen ist gerissen. Das Team von Trainer Christian Gabmaier hatte seit dem 13. September kein Spiel mehr verloren. Dass die Jagd auf die Spitzengruppe der Kreisliga A Westfalen gerade beim Nachbarn einen empfindlichen Dämpfer erhalten würde, damit hatte Christian Gabmaier nicht gerechnet. Der VfL Grafenwald hatte zuletzt beim punktlosen Tabellenschlusslicht verloren und ging als klarer Außenseiter ins Spiel. Gabmaier hatte sich den sechsten Sieg im siebten Spiel gewünscht. Und dennoch war das Resultat am Ende logisch, auch für den Trainer des VfB Kirchhellen: „Wir haben verdient verloren. Unsere Leistung war unterirdisch.“

VfB nur in der ersten Halbzeit stärker

Die erste Halbzeit hatte er damit nicht meinen können. Denn in den ersten 45 Minuten war es der VfB Kirchhellen, der dem Spiel eine klare Linie gab. Der Tabellenfünfte diktierte das Spieltempo, hatte deutlich mehr Ballbesitz und verzeichnete schon nach fünf Minuten durch einen Kopfball von Lars Jenke die erste Torchance. Sieben Minuten später hätte das Bemühen dann Früchte tragen müssen. Eine gefühlvolle Flanke von Lars Jenke landete vor den Füßen von Johannes Liesenklas. Der junge Angreifer hatte freie Bahn, schoss den Ball aus sieben Metern aber links neben das Tor. Eine Szene, die nach dem Spiel vor allem Kirchhellens Trainer beschäftigte. „Das Spiel wäre anders gelaufen, hätte Johannes das Ding reingemacht“, erklärte Gabmaier.

Damit lag der 50-Jährige nicht ganz falsch. Denn während der VfB Kirchhellen auch bei weiteren Anläufen scheiterte, fand der VfL Grafenwald spürbar zu seiner Stärke und Sicherheit. Die Grafenwälder hatten sich lange zurück gehalten und dem Gegner das Spielen überlassen. Druck übte der Gastgeber nur nach Ballgewinnen aus, wenn er schnell den Weg vor das Tor und den konsequenten Abschluss suchte. Ein Rezept, das Früchte trug. Tom Jansen und Tobias Discher hatten nach sieben Minuten die ersten guten Möglichkeiten, bei denen sich jedoch Kirchhellens Keeper Josua Garz mit guten Reflexen auszeichnete. Ausgangspunkt für Grafenwalds Führung war ein von Oliver Aspöck getretener Eckball in der 37. Spielminute, den der VfB Kirchhellen nicht weit genug aus der Gefahrenzone schlagen konnte. Der Ball landete vor den Füßen von Nico Haufe. Der 24-Jährige nahm von der Strafraumgrenze aus Maß und traf. Das Gegentor traf den VfB Kirchhellen ins Mark. Die zweitbeste Defensive der Liga hatte sich bis dahin kaum einen Fehler erlaubt. Die Überlegenheit im Spielaufbau war jetzt dahin. Bei den Bemühungen um den Ausgleich verlor der VfB die Linie. Eine Fehlpass-Quote, die auch Gabmaier zu denken gab: „Das habe ich selten gesehen, ganz schwach.“

Nach dem Seitenwechsel blieb es noch bis zur 62. Minute ausgeglichen. Dann zog Schiedsrichter Burak Tabak aus Gelsenkirchen zwei Karten aus seiner Brusttasche. Kirchhellens Lars Jenke, der erst sechs Minuten zuvor die Gelbe Karte gesehen hatte, wurde für ein weiteres Foul mit der Ampelkarte des Feldes verwiesen. In Überzahl hatte Grafenwald keine Mühe, die Führung zu verteidigen. Mehr noch: Das 2:0 war nur eine Frage der Zeit. Oliver Aspöck (66.) und Calvin Klein (81.) verpassten die Vorentscheidung. Dennis Grüttner machte es besser: Nach toller Vorarbeit von Tobias Discher musste er den Ball in der 88. Minute nur noch über die Linie drücken.