Bottrop. . Der Bottroper Tibor Meingast berichtet für das ZDF von der WM in Kanada und erlebt dort eine stressige, aber schöne Zeit. Das Interesse der Kanadier ist bescheiden.
Fast könnte man meinen, dass Tibor Meingast gerade seinen Urlaub genießt. Zumindest dann, wenn er von den entspannten Fahrten mit dem Fahrrad berichtet. Von dem schönen Weg, der von Geschäften und Kneipen gesäumt ist und phasenweise freie Sicht aufs Wasser bietet. „Es ist herrlich hier“, sagt der 55-Jährige schmunzelnd. „Vancouver ist eine fantastische Stadt, eine der schönsten der Welt!“
Doch tatsächlich: Tibor Meingast ist nicht auf Urlaubs-, sondern auf Dienstreise. Auf einer besonders schönen, wie er zugibt. Dennoch muss er arbeiten, mit dem Fahrrad fährt er jeden Tag ins Büro. Der Journalist liefert Beiträge von der Frauenfußball-WM, bei der Deutschland morgen um 22 Uhr deutscher Zeit das Achtelfinale gegen Schweden bestreitet.
Überschaubare Medienpräsenz
Meingast war als Reporter bei mehreren Weltmeisterschaften der Männer und bei den Olympischen Spielen. Seit dem 3. Juni weilt er mit einem kleinen ZDF-Team in Vancouver an der Westküste Kanadas. Im dortigen internationalen Fernsehzentrum laufen alle Übertragungsleitungen aus den verschiedenen Austragungsorten des Landes zusammen. Dass der Frauenfußball im Vergleich zum Spiel der Männer auch logistisch aufzuholen hat, verdeutlicht schon die Ansammlung der Journalisten. „Bei Männer-WMs und bei Olympia besteht das Internationale Fernsehzentrum meist aus einem riesigen Messegelände, auf denen ARD und ZDF eine Fläche von der Größe zweier Handballfelder mit Büros und Technikräumen bestücken“, erinnert sich Meingast an frühere Einsätze. Jetzt steht das Fernsehzentrum neben dem Stadion in Vancouver, ARD und ZDF haben lediglich ein paar Container als Büroflächen, für Regie, Produktion, zum Schneiden der Beiträge und zur Vertonung.
Ganz in der Nähe steht die selbstgebaute Plattform für die Moderatoren, erhöht auf etwa 20 Metern mit Blick auf Stadion, Wasser und Vancouvers Skyline. „Alles auf einem Parkplatz zwischen dem Stadion und dem False Creek, einer Pazifikzunge mit vielen Yachthäfen.“
Der salzige Geruch des nahen Pazifiks ist allgegenwärtig, aber manchmal riecht es auch nach etwas anderem: Eigentlich ist Cannabis in Kanada verboten, allerdings lässt es sich überall aus Automaten ziehen. Aus rein medizinischen Gründen, versteht sich. Meingast: „Das ist schon witzig: Ständig riecht es nach Haschisch auf der Straße. Aber wenn du mit einem Feierabendbier am Strand erwischt wirst, drohen 230 Dollar Strafe.“
Das Feierabendbier wäre allerdings verdient. Denn es gibt allerhand zu tun für den ZDF-Mitarbeiter. „Normalerweise mache ich bei Turnieren im Schnitt zwei bis drei Fernsehbeiträge in der Woche, hier fielen in den erste zwölf Tagen stolze 29 für das Hauptprogramm mit Sport extra, heute, Sportreportage und für das umfangreiche Online-Angebot an. Ganz irre war es am 14. Juni, da musste ich drei Beiträge gleichzeitig bearbeiten. Ein Stück über die Fifa und Manipulation mit den Zuschauerzahlen, die Zusammenfassung des Spiels Deutschland gegen Thailand und den Bericht der Partie Elfenbeinküste gegen Norwegen“, berichtet Meingast.
Doch die Lage entspannt sich: Jetzt folgen mit dem Beginn der K.o.-Phase nur noch sechs normale Sendetage bis zum Finale am 5. Juli. Vielleicht wächst dann auch das Interesse der Kanadier am Frauenfußball. Das war bisher in den verschiedenen Stadien nämlich eher mäßig – auch wenn die offiziellen Zuschauerzahlen der FIFA anderes vorgaukeln wollen. Bis zum möglichen Finale mit deutscher Beteiligung genießt Meingast noch den täglichen Weg ins Sendezentrum. Er weiß: Auch die schönste Arbeitsreise ist irgendwann vorbei.