Bottrop. . Beim Kreisliga-A-Spiel zwischen Barisspor Bottrop und Sterkrade 06/07 kam es Ende Oktober nach dem Abbruch der Partie zu einer Massenschlägerei. Am Donnerstagabend folgte die Spruchkammersitzung, die mit mehreren Spielersperren endete. Die Eindrücke der Verhandlung.

Auf der Anklagebank saß die gesamte Mannschaft. Beim Kreisliga-A-Spiel zwischen Barisspor Bottrop und Sterkrade 06/07 kam es Ende Oktober nach dem Abbruch der Partie zu einer Massenschlägerei, bei der der junge Schiedsrichter verletzt wurde (die WAZ berichtete). Am Donnerstagabend folgte die Spruchkammersitzung, die mit mehreren Spielersperren endete. Die Eindrücke der Verhandlung.

18.40 Uhr: Der Verhandlungssaal ist nicht gerade der schönste Raum im Jugendheim des Fußballkreises Oberhausen/Bottrop. Er passt aber zum Thema: Was hier verhandelt wird, ist selten schön. Eine alte Theke in der Ecke, ein paar Pokale auf der Fensterbank – das war es auch schon an Dekoration. Der Raum besticht durch seine Nüchternheit mit vielen grauen Tischen. An denen haben sich nun knapp 50 Männer versammelt.

Barisspor ist fast in Mannschaftsstärke da, der Kreisvorstand sitzt in einer Ecke, am großen Tisch vor den Reihen blicken der Spruchkammervorsitzende Andreas Zimmermann und seine drei Beisitzer in die Runde. Die Verhandlung wird eröffnet, Zimmermann geht chronologisch vor. Die erste Rote Karte der Partie wurde wegen Nachtretens ausgesprochen. Spieler Deniz Türkmen gibt es zu: „Ich habe aus Reflex nachgetreten und mich später bei dem Sterkrader Spieler entschuldigt.“ Auch die folgende Rote Karte gegen Tolga Kocbey ist unumstritten. „Nach der Karte bin ich sofort duschen gegangen!“ Diese Punkte sind abgehakt.

18.55 Uhr: Was aber war nach dem Elfmeterpfiff in der 85. Minute und der Vergabe der dritten Roten Karte geschehen? Es ist eine unübersichtliche Situation, mit der die Spruchkammer konfrontiert wird. Wer hat den Schiedsrichter geschubst, wer hat ihn beleidigt und bedroht, wer hat zugeschlagen und welche Rolle spielte der Vater des Unparteiischen an diesem 26. Oktober in Sterkrade? Fest steht: Nach dem Elfmeterpfiff gingen einige Barisspor-Spieler auf Geheiß ihres Trainers Taner Kaplangiray Richtung Kabine. Aber nicht alle, es kam zur Rudelbildung rund um den jungen Schiedsrichter Bekdil Tabak. „Meine Mutter war zum ersten Mal seit Jahren wieder bei einem Spiel. Da würde ich mich doch nicht prügeln“, sagt Barisspor-Kapitän Cihan Sarakbasi. Auch Stürmer Burak Carkci sieht sich zu Unrecht beschuldigt: „Ich bin bald mit der Uni fertig. Ich setze meine Zukunft doch nicht für eine Kreisligapartie aufs Spiel.“ Doch gerade Carkci wird in den Folgeminuten vom Zeugen Kai L. belastet. Einen Schlagversuch gegen den Schiri habe einer seiner Mitspieler gerade noch verhindern können.

19.13 Uhr: Wer aber hat den jungen Schiedsrichter aus Gladbeck denn nun geschlagen? Keiner will es in der unübersichtlichen Situation gesehen haben. Kein Spieler von Barisspor, keiner der Vereinsangehörigen von Sterkrade 06/07, kein Mitarbeiter des Oberhausener Ordnungsdienstes. Bekdil Tabak hört ruhig zu. Gerrade einmal 16 Jahre ist er alt, eigentlich pfeift er für den Verband Westfalen, er war an diesem Tag als Gastschiedsrichter im niederrheinischen Kreis 10 eingesetzt. Mit klarer Stimme sagt er aus, dass es der Betreuer von Barisspor war, den er zuvor schon der Coachingzone verwiesen hatte. „Er hat mich nur am Hinterkopf getroffen, weil mich gerade jemand aus dem Gewühl gezogen hat.“ Der Tatverdächtige selbst ist an diesem Abend nicht anwesend. Dass die Barisspor-Spieler den Schläger angeblich nicht kennen, lässt Zimmermann dann nur mit dem Kopf schütteln: „Das ist unkooperativ, wenn sie den eigenen Betreuerstab nicht kennen wollen.“

Und Bekdil Tabaks Vater? „Wäre er nicht aufs Spielfeld gerannt, wäre die Situation niemals eskaliert“, ist sich Barisspor-Trainer Taner Kaplangiray sicher. Mehrere Zeugen und Bekdil Tabak selbst kontern: „Mein Vater kam erst aufs Feld, nachdem ich geschlagen wurde!“

19.55 Uhr: Die vier Mitglieder der Kreisspruchkammer ziehen sich zur Urteilsfindung zurück. Im Verhandlungsraum wird es leerer, einige Zuschauer gehen vor die Tür, andere quatschen auf ihren Plätzen.

20.25 Uhr: Zimmermann & Co. sind zurück, gespannt warten die Sitzenden auf das Urteil. Das Spiel wird wie erwartet mit 2:0 für Sterkrade gewertet, Barisspor zahlt 50 Euro für den Spielabbruch, 150 Euro für die Unsportlichkeit der Zuschauer und 75 Euro Verfahrenskosten. Burak Carkci wird für seinen Schlagversuch und die Beleidigung neun Monate lang gesperrt, Deniz Türkmen wegen des Nachtretens im Spiel und einem Schubser gegen den Schiedsrichter für sechs Monate. Der Schlag des nicht anwesenden Betreuers wird extra verhandelt. 20.32 Uhr zeigt die Uhr, als Zimmermann das Ende der Sitzung verkündet.