London. Sie ist begeistert von den Paralympics in London, schon jetzt - doch am Samstag und Donnerstag wird es „ernst“: Tamira Slaby vom TV Wattenscheid 01 will über 100m und 200m eine Medaille holen.
Den ersten Höhepunkt, die von Millionen Fernsehzuschauern weltweit verfolgte Eröffnungsfeier im Londoner Olympiastadion gestern Abend, hat sie schon einmal genossen. Und bereits vor ihrem ersten Start schwärmt Tamira Slaby von den Paralympics bei den Briten; von diesem gigantischen Sportspektakel der Behinderten. „In London“, sagt die Sprinterin vom TV Wattenscheid 01, „ist die Stimmung eine ganz andere als vor vier Jahren in China. Es ist einfach toll und sehr beeindruckend, wie die Paralympics hier angenommen werden. Das ist kein Vergleich zu Peking.“
Die Begeisterung der Menschen, diese besondere Atmosphäre sei überall spür- und erlebbar, erzählt die 20-Jährige aus Essen, die seit ihrer Geburt unter einer leichten Spastik (infantile Cerebralparese) der linken Körperhälfte leidet und in der Klasse T 38 startet. Am Montag ist sie in London angekommen, ins (para-)olympische Dorf eingezogen. Begleitet von ihren Eltern Michaela und Peter Slaby, die aber natürlich nicht bei den rund 4280 Athleten aus 166 Nationen im „Dorf“ wohnen.
Eine Medaille ist das Ziel der Sprinterin, die als einzige Sportlerin aus Bochum und Wattenscheid zum 150köpfigen, exklusiven Aufgebot des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) gehört. Am liebsten eine in Gold, so hat sie es stets formuliert - und gehofft, dass die amtierende Olympiasiegerin Ina Stryzkho, die bisher nicht in den Weltjahres-Bestenlisten auftaucht, nicht startet. Doch die Ukrainerin ist ebenso gemeldet wie die weiteren neun erlesenen Konkurrentinnen, die in der Weltrangliste auf den vorderen Plätzen rangieren, die bei den letzten Spielen, bei den letzten Weltmeisterschaften das Rennen um die Medaillen unter sich ausmachten. „Gold“, meint Mutter Michaela Slaby realistisch, „ist damit kaum machbar, Ina ist einfach zu schnell.“
Silber und Bronze aber sind drin für Slaby, sowohl über 100m am Samstag, 1. September, als auch über 200m am Donnerstag, 6. September. In beiden Wettkämpfen gibt es jeweils zwei Vorläufe und abends das Finale, in beiden Wettkämpfen hat es Slaby mit den gleichen zehn Konkurrentinnen zu tun.
Vor vier Jahren, mit gerade einmal 16, wurde sie in Peking Vierte über 100m und Fünfte über 200m. Diesmal will sie unbedingt aufs Treppchen. Wie vor ein paar Wochen, als Tamira Slaby bei der Europameisterschaft in den Niederlanden Silber holte über 100m - mit Bestzeit von 14,01 Sekunden. „Miss Ehrgeiz“, wie man sie nennen könnte, war nicht zufrieden mit dem zweiten Platz.
Dabei geht sie mit dieser Zeit in London als Zweitbeste der Welt in diesem Jahr an den Start, schneller war bisher nur Margarita Goncharova aus Russland (13,70 Sekunden). Über 200m das umgekehrte Bild: Die Wattenscheiderin führt die Weltjahresbestenliste an mit 28,73 Sekunden, gelaufen bei ihrem DM-Sieg in Berlin, Goncharova liegt auf Platz zwei (29,07).
Über ein paar Probleme im Bereich der Achillessehne klagte sie nach der Ankunft in London, bis zum Start am Samstag sollten diese Schmerzen vergessen sein, soll es nach all den Trainingseinheiten unter ihrem Wattenscheider Trainer Lothar Hesse, nach all den Anstrengungen und Entbehrungen reichen für das große Ziel: eine Medaille.