Als noch alles auf den Anpfiff dieser Saison wartete, wusste man beim VfL Bochum, dass man etwas gut zu machen hatte beim eigenen Anhang. Mit schwungvollem Offensiv-Fußball im eigenen Haus wollte man die zuvor vergrätzten Fans versöhnen und wieder an sich binden. Inzwischen, nach der 0:2-Niederlage gegen Greuther Fürth, konstatiert Friedhelm Funkel ernüchtert: „Es ist tödlich für diese Mannschaft, das Risiko zu erhöhen.“
Funkel wollte, nach einer defensiv sehr stabilen aber auch überaus langweiligen und von Fehlpässen in Serie geprägten ersten Halbzeit, den Leuten auf den Tribünen etwas bieten, wollte mit der Einwechselung von Mahir Saglik die Offensive beleben und den dritten Sieg in Serie erzwingen. „Im Nachhinein betrachtet“, sagte er später, „hätte ich das besser nicht gemacht“.
Heißt im Klartext: Der VfL Bochum ist auch nach dem Abstieg nicht in der Lage, ein Spiel an sich zu reißen, es zu bestimmen, die Richtung vorzugeben und so viel Druck auszuüben, dass der Gegner irgendwann in die Knie geht, in die Knie gehen muss. Heißt auch, dass diese Mannschaft nicht in der Lage ist, ein Spiel zu drehen. Immer wenn der Gegner das Führungstor erzielte, in der Regel nach einer Standardsituation (Fürth, Augsburg, Aue, Oberhausen), wurde verloren, immer wenn bislang den Bochumern das 1:0 gelang, wurde gewonnen (1860 München, Bielefeld, Düsseldorf).
Der VfL Bochum bekommt gerade die Quittung für die Personalpolitik der vergangenen Jahre. Mit der Verpflichtung von Mitt- bis Endzwanzigern fühlte man sich auf der sicheren Seite. Man schaute nicht auf noch zu hebendes Potenzial, auf Jugendlichkeit und Tempo, sondern auf vorgebliche Reife und Erfahrung. Wenn der eine oder andere Kandidat mal ein Länderspiel absolviert (Concha, Johansson, Maric) oder in einem anderen europäischen Land (Dedic, Pfertzel) gespielt hatte, galt das als überragendes Qualitätsmerkmal, ebenso wie die Verdienste der Vergangenheit (Hashemian, Freier, Klimowicz). Dabei handelte es sich durchweg um Spieler, deren Entwicklung längst abgeschlossen war. Aktuell muss man leider Giovanni Federico und Mahir Saglik in diesen Kontext stellen.
Freier leistete dem VfL einen Bärendienst
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Wer da den Einwand erhebt, dass man sich beim VfL geändert und mit Rzatkowski, Kefkir, Vogt und Aydin mehrere Nachwuchsspieler zu Profis gemacht hat, muss sich die Frage gefallen lassen, ob gerade jetzt, nach massiver Kritik an der konzeptionellen Arbeit des Klubs, herausragende Talente in Bochum auf den Bäumen wachsen - wie durch ein Wunder? Opportunismus mag man das nennen, und es kennzeichnet den Weg des geringsten Widerstandes, nachdem man Gündogan, Schmitz und Schmidtgal hat laufen lassen und Ilicevic vergrault hat.
Als Hansa Rostock 2008 abgestiegen war aus der Bundesliga, hat der Verfasser dieser Zeilen fest damit gerechnet, demnächst Fin Bartels für den VfL Bochum spielen zu sehen. Bartels war 21 und hatte in 19 Spielen vier Tore erzielt - ein für jeden Laien erkennbar technisch begabter, leichtfüßiger Angreifer, dem es nur noch an der nötigen Physis für die Bundesliga fehlte. Jetzt spielt Bartels für St. Pauli.
In Nürnberg hat man 2008 die Spieler Maroh (damals 21), Judt (22) und Frantz (21) verpflichtet - für insgesamt 100000 Euro, Leverkusen wirft Jahr für Jahr talentierte Spieler auf den Markt wie Risse (Mainz), Naki, Sukuta-Pasu, Oczipka (alle St. Pauli) und andere. In Freiburg spielt mit Felix Bastians (22) ein Bochumer, Kevin Großkreutz (22) kickte, wie Marco Reus (21), einst in Ahlen. Und so weiter, und so fort. Aber der VfL fährt lieber nach Halmstad und Frosinone. Wenn’s denn hilft.
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