Bochum. Willi Gathmann ist bei RW Stiepel nicht wegzudenken. Einen Aufstieg fände er schön, findet anderes aber wichtiger. Was den 99-Jährigen antreibt.
Wer wissen möchte, was den Verein RW Stiepel ausmacht, der fragt am besten Willi Gathmann. Beim Gedanken an Stiepel – das gilt für den Stadtteil ebenso wie für den Fußballverein, gerät der Mann, der vor knapp einem Monat seinen 99. Geburtstag feierte, ins Schwärmen. Noch beeindruckender als sein bloßes Alter ist die Dauer seiner Mitgliedschaft im Verein: Seit 88 (!) Jahren sind Willi Gathmann und RW Stiepel untrennbar miteinander verbunden.
Natürlich war es Gathmann, der 2004 zum 100-jährigen Vereinsjubiläum die Klubgeschichte in einer Chronik zusammenfasste. Gathmann kannte nicht nur die Gründungsmitglieder persönlich, er hat auch den Großteil der Geschichte aus nächster Nähe miterlebt.
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Er sitzt auf dem Sofa, das Jubiläumsheft liegt vor ihm auf dem Tisch, seine Enkel sitzen neben ihm. Er blättert durch: Manches hat er nicht mehr ganz im Gedächtnis. Manche Geschichten können seine Enkel inzwischen genauso gut weitergeben wie der Opa. Wieso er sich 1934 aber den Rot-Weißen anschloss, das weiß Willi Gathmann noch ganz genau.
Bochum: Willi Gathmann trat RW Stiepel während der Nazi-Zeit bei
Die damalige Nazi-Diktatur spielte dabei eine entscheidende Rolle. „Wir Kinder mussten damals immer zum sogenannten Antreten. Da ging es darum, uns Regeln und Ordnung beizubringen. Das war sehr militärisch und das habe ich nicht gerne mitgemacht“, erinnert sich Gathmann. Die Lösung: „Man wurde davon freigestellt, wenn man stattdessen einem Verein beigetreten ist, also habe ich mich bei RW Stiepel angemeldet.“ Da war Gathmann elf Jahre alt. 88 Jahre später sagt er: „Ich habe dort mein Zuhause gefunden.“
Aktiv am Ball war er nur kurz, das Ehrenamt im Verein ist dafür zu seiner Lebensaufgabe geworden. Im Verein gibt es praktisch nichts, das Gathmann nicht gemacht hat. Jugendleiter, Vorstand, Geschäftsführer – und Trainer, wie sein Enkel Hanno Monstadt ergänzt. „Ich hatte aber nur die B-Lizenz, große Vereine trainieren konnte ich damit nicht“, erwidert Willi umgehend. Bescheidenheit ist ihm wichtig.
Im Verein hört sich das schon etwas anders an. „Es gibt da schon den ein oder anderen, für den der Opa ein Vorbild ist“, sagt sein Enkel. Sie haben ihrem Willi in Stiepel auch einiges zu verdanken – angefangen bei der Platzanlage. Da half Gathmann 1953 sowohl bei der Planung, als auch bei der Umsetzung.
RW Stiepel verdankt Gathmann einen Fußballplatz
Und ohne ihn wäre es wohl bei nur einem einzelnen Fußballplatz geblieben. „Auf dem Gelände, wo heute unser Kunstrasenplatz ist, wollte die Stadt damals einen Tennisplatz bauen“, erzählt Gathmann. Er machte sich umgehend auf den Weg zum damaligen Oberbürgermeister, um diesen von einem zweiten Fußballplatz zu überzeugen. „Der hat dann wohl auch auf den Opa gehört“, fügt Hanno Monstadt lachend an.
Auch menschlich war und ist Gathmann in Stiepel nicht wegzudenken. Um seine Spieler kümmerte er sich nicht nur auf dem Fußballplatz. Der gelernte Industriemeister arbeitete in der Henrichshütte in Hattingen als Ausbilder in der Lehrwerkstatt. Manch ein Stiepeler Spieler kam so zu einem Ausbildungsplatz. Andersrum lotste Gathmann den ein oder anderen Lehrling auch zu Rot-Weiß: „Ich dachte mir, da machen sie zumindest keinen Quatsch.“
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Inzwischen ist Willi Gathmann Ehrenvorsitzender und eher als Gast am Platz, auch wenn er sich noch immer nicht so ganz zur Ruhe setzen möchte: „Die Tätigkeiten sind mittlerweile eingeschränkt, aber wenn wer gebraucht wird, würde ich trotzdem noch helfen“, beteuert er. Das hat inzwischen aber bereits die nächste Generation übernommen. „Die Liebe zum Verein wurde definitiv vererbt“, sagt sein Enkel, der Gathmanns Ehrenamtskarriere fleißig nacheifert. Erst als Spieler, dann als Trainer und mittlerweile als Finanzvorstand.
Willi Gathmann will seinen Herzensklub möglichst lang weiter besuchen
Auch beim zweijährigen Urenkel ist die Liebe zum Fußball schon erkennbar. „Noch zwei, drei Jahre, dann kann er in Stiepel anfangen“, sagt Hanno Monstadt lachend. Zu gerne würde Willi das noch miterleben. Sehen kann er zwar seit einiger Zeit, insbesondere auf kurze Distanz, nur noch schlecht. Das hindert ihn allerdings nicht daran, seinen Verein zumindest ab und zu noch vor Ort zu verfolgen. Die Spiele besucht er bis heute gern. Enkel Hanno hilft dann gerne: „Und wenn er es mal nicht selbst zum Platz schafft, ist die Frage nach den Ergebnissen immer die erste.“
Dass Opa Willi inzwischen seltener am Platz ist, setzt ihm durchaus zu – auch weil von seinen alten Vereinskollegen nicht mehr viele geblieben sind. Er selbst will möglichst lange nah dran bleiben. Was er sich für seinen Herzensklub wünscht? „Der Aufstieg in die Bezirksliga wäre schön, aber man muss auch zufrieden sein mit dem, was man hat“, sagt er. „Der Teamgeist im Verein, immer fair bleiben und sich untereinander helfen ist viel wichtiger. Das macht Stiepel aus.“
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