Wattenscheid. Kim Sané ist zurück bei Wattenscheid 09. Im WAZ-Interview spricht er über seine Fußballpause, seine Familie und die Bedeutung des Clubs für ihn.

Wenige Tage vor Beginn der Regionalliga-Saison hat Aufsteiger SG Wattenscheid 09 Kim Sané unter Vertrag genommen. Der 27-Jährige war zuletzt vereinslos, spielte aber American Football und legte eine beachtliche Leichtathletik-Karriere hin. Nun hat sich der frühere SGW-Jugendspieler für eine Rückkehr zum ehemaligen Bundesligisten entschieden. Im Interview gibt er Einblicke in seine Zeit abseits des Fußballs, die Bedeutung der Familie und des Vereins für ihn und wie er zu der Entscheidung kam, jetzt nach fünf Jahren wieder mit dem Fußballspielen anzufangen.

Herr Sané, ist Fußballspielen wie Fahrradfahren?

Ja, das ist tatsächlich so. Man verlernt das nicht, auch nach so einer langen Auszeit nicht.

Der Sportliche Leiter Christian Pozo y Tamayo sagte, Sie bringen Dinge mit, die andere nicht haben. Wie sehen Sie das?

Ich gebe ihm Recht. In der Zwischenzeit habe ich zwei andere Sportarten kennenlernen dürfen. Zum einen American Football, zum anderen war ich bei der Leichtathletik. In dieser Zeit bin ich ein anderer Mensch geworden. Außerdem bin ich sehr dankbar dafür, dass ich auch andere Sportarten auf sehr hohem Niveau ausüben konnte.

SG Wattenscheid 09: Kim Sané ist ein anderer Mensch geworden

Warum denken Sie, dass Sie ein anderer Mensch geworden sind?

Ich bin ziemlich viel gereist, habe unter anderem in den USA mit Top-Athleten trainiert. Sie haben mir ein ganz neues Bild von Mentalität vermittelt. Viele der Athleten, die ich kennenlernen durfte, kamen aus ärmlichen Gegenden in Kalifornien. Sie hatten aber Hunger auf Erfolg und wollten unbedingt ihre sportlichen Ziele erreichen. Das hat mich total von den Socken gehauen und mich inspiriert, weiterzumachen.

Ihre Kindheit war anders, Sie sind in besseren Verhältnissen aufgewachsen. Was war das für ein Prozess?

Als ich die ganzen Geschichten von den Jungs gehört habe, musste ich mich erstmal hinsetzen und mich sortieren. Nachdem ich viel darüber nachgedacht habe, war mir klar, dass das der Antrieb war, den ich brauchte.

Wie haben Sie diesen Antrieb genutzt?

Im Grunde habe ich vor allem genau das gemacht, was mir meine Coaches und auch Profi-Athleten gesagt haben. Das ist wichtig, denn viele Sportler verlieren mit der Zeit den Hunger und den Biss. Dann lassen sie schludern. In den USA habe ich gelernt, wie ich den Biss nicht verliere.

„Ich habe auch unter Corona gelitten“

Haben Sie ihn denn mal verloren?

Ja, als ich mit dem Fußballspielen aufgehört habe.

Dann kamen Sie wie aus dem Nichts wieder zum Fußball. Aus welchem Grund?

Jetzt ist einfach der perfekte Zeitpunkt. Es hat sich richtig angefühlt, diese Entscheidung zu treffen.

Aus welchem Grund?

Wie alle Sportlerinnen und Sportler habe ich auch unter Corona gelitten. Dann habe ich mich reflektiert und gemerkt, dass ich mir richtig gute körperliche Voraussetzungen für den Fußball erarbeitet habe. Und die wollte und will ich weiter ausbauen.

2016 kamen Sie schon einmal vereinslos nach Wattenscheid. Welche Bedeutung hat der Verein für Sie?

Meine Eltern haben in Wattenscheid Sport auf höchstem Niveau betrieben. Das heißt schon was. Die Verbindung meiner Familie zum Verein ist auf jeden Fall da. Im Verein sind alle am Boden geblieben. Es sind alle herzensgute Menschen. Keiner hat gesagt ‚Oh, da kommt einer mit einem großen Namen‘. Dafür bin ich den Menschen hier sehr dankbar. Ich fühle mich dadurch gut aufgenommen.

Bruder Leroy spielt beim FC Bayern – Kim Sané ist bodenständig

Wie reagieren Sie auf Menschen, die mit Ihrem Namen eine Erwartungshaltung verbinden?

Ich bin bodenständig und verhalte mich ganz normal. Mir ist trotzdem bewusst, dass mein Bruder beim FC Bayern spielt und mein Vater in Wattenscheid Profi war. Das hat mit meiner Leistung aber nichts zu tun.

Schalkes Kim Sane beherrscht den Luftraum gegen den Leverkusener Marc Brasnic - ein Foto aus dem Spiel der B-Jugend-Bundesliga im Jahr 2011.
Schalkes Kim Sane beherrscht den Luftraum gegen den Leverkusener Marc Brasnic - ein Foto aus dem Spiel der B-Jugend-Bundesliga im Jahr 2011. © WAZ FotoPool | MÖLLER, Martin

Sie sind den Weg vom Mannschafts- zum Einzelsportler und zurück gegangen. Wie haben Sie diese Wechsel erlebt?

Ich musste mich jetzt ein wenig daran gewöhnen, dass es wieder um einen Team-Wettkampf geht. Jetzt muss ich meine Leistung fürs Team bringen und der Mannschaft damit weiterhelfen. Klar, da musste ich umswitchen.

Kim Sané: „Ich bin deutlich schneller geworden“

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Welche Lehren haben Sie aus Ihrer „ersten“ Fußball-Karriere gezogen?

Es ist egal, was passiert: Ich werde immer weitermachen. Egal, was im Leben kommt. Immer weitermachen. Irgendwann ist der Zeitpunkt da. Diesen Zeitpunkt sehe ich bei mir jetzt.

Das ist ein großes Versprechen.

Ja.

Wie unterscheiden Sie sich jetzt vom „früheren“ Kim Sane?

Ich bin deutlich schneller geworden und körperlich besser, außerdem auch viel fitter als damals. Mental bin ich viel reifer geworden. Ich würde schon sagen, dass ich eine Verwandlung durchgemacht habe, die ich vorher nie hätte durchmachen können.

Fitter und schneller als in der Vergangenheit: Kim Sané bei der SG Wattenscheid 09, hier am Rande des Tests in Velbert.
Fitter und schneller als in der Vergangenheit: Kim Sané bei der SG Wattenscheid 09, hier am Rande des Tests in Velbert. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Warum nicht?

Weil sich mein Fokus ausschließlich auf den Fußball gerichtet hat. Ich habe wenig nach links und rechts geschaut.

Wann kam dieser Moment denn?

Als ich zum American Football gegangen bin. Mich hat damals ein Kollege angesprochen und mitgenommen. Das hat mir neue Perspektiven eröffnet.

Kim Sané sieht sich selbst noch in einer Entwicklung

Erzählen Sie uns: Was für ein Spielertyp sind Sie?

Das kann ich gar nicht so einfach beantworten. Ich sehe mich gerade in einer Entwicklung. Die wird in der Saison auch noch weitergehen.

In der Vorbereitung haben sie einige Male wirklich geglänzt. Auf welchem Stand sehen Sie sich derzeit?

Es ist auf jeden Fall noch viel drin. Darauf konzentriere ich mich jetzt gerade zu hundert Prozent.

Wie sehen Sie die Qualität der Mannschaft?

Die Qualität ist sehr gut, das hat mich sehr überrascht. Wir haben viele junge Spieler, die richtig gut sind.

Wie schätzen Sie die Rolle von Wattenscheid 09 in der Regionalliga ein?

Das wird sich zeigen.

Haben Sie ein persönliches Ziel?

Ich möchte einfach mal eine komplette Saison spielen, mich weiterentwickeln und performen.

Mit seinem Comeback überraschte Sané auch die Familie

Wie war die Reaktion der Familie, als sie gesagt haben, dass Sie nach Wattenscheid gehen?

Mein Vater und Leroy waren überrascht, dass ich überhaupt wieder Fußball spiele. Zu diesem Zeitpunkt hat niemand damit gerechnet, mit Ausnahme meiner Mutter. Sie hat sich natürlich riesig gefreut, dass ich wieder in Wattenscheid bin.

Ihr Bruder Sidi spielt in der U23 von Schalke 04. Wie sehen Sie seine Entwicklung?

Ich kenne die Schalker Mentalität, habe dort viel erlebt. Er soll Gas geben und Spaß haben.