Bochum. Bei der TG Bochum 49 zeichnet die Technik des Start-Ups Wingfield die Daten von Tennisspielern auf. Selbstversuch: Reporter gegen Topspielerin.

Bei der TG Bochum 49 führt ein Fußweg vom Eingangsbereich hinter die Tennishalle zu einem besonderen Platz – eigentlich ein normaler Tenniscourt, wie man ihn neunmal auf der Anlage findet. Sofort fällt eine weiße Säule auf, die den Netzpfosten umfasst. Ein Display prangt obenauf. Erst auf den zweiten Blick sticht eine Kamera ins Auge, montiert am Zaun hinter der Grundlinie. Seit Juni nutzt die TG Bochum 49 als erster Bochumer Tennisverein eine Technik, mit der bislang nur die Profis ihre Leistung statistisch erfassen konnten. Der TC Südpark zeigt sich ebenfalls interessiert.

Das System von Wingfield, einem Start-Up-Unternehmen aus Hannover, zeichnet alle Zahlen auf, die für Tennisspieler interessant erscheinen: Match- und Trainingsdauer, gewonnene und verlorene Punkte, Aufschlagquote, Doppelfehler und vieles mehr. Im Umkreis gibt es Wingfield-Stationen nur in Köln, Aachen und Wuppertal. Trainer Thomas Karczewski von der ansässigen TTT-Tennisschule mietete die Technik für drei Jahre. Er erklärt, wie das System funktioniert. „Auf jede Seite des Platzes ist jeweils eine Kamera gerichtet. Sie sind im Inneren der Bediensäule am Netzpfosten installiert und nehmen die Daten der Spieler auf. Dazu gibt es am Platzende eine Kamera, die ein Video des Matches aufzeichnet“, sagt er.

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Kostenlose App veranschaulicht Spieldaten

Um die Daten abzurufen, müssen die Spieler die zugehörige App herunterladen. Anmelden, Session auswählen und schon geht es auf den Platz – zusammen mit Jennifer Swajkowski, Kapitänin der ersten Damenmannschaft, die kürzlich den Aufstieg in die Verbandsliga schaffte.

Eine kleine Kamera befindet sich in einem Wingfield-Pfosten, Aufzeichnung und Messtechnik dienen der Spielanalyse.
Eine kleine Kamera befindet sich in einem Wingfield-Pfosten, Aufzeichnung und Messtechnik dienen der Spielanalyse. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Nach dem Einspielen geht es nochmal zurück zur Bank, um den Start-Button auf dem Touchdisplay zu drücken. Das System ist bereit, das Match kann starten: Sportreporter gegen Topspielerin. Die Kamera zeichnet gleich zu Beginn einen starken Ballwechsel auf. Swajkowski, die den ersten Punkt und später auch das erste Spiel gewinnt, kontert einen Angriffsschlag mit einem sehenswerten Passierball. Beim Seitenwechsel bleibt Zeit, um von den Erfahrungen mit der neuen Technik zu berichten.

Wingfield ist fester Bestandteilbeim Kinder- und Jugendtraining

„Wir haben es bei unserem Mannschaftstraining ausprobiert und fanden es interessant, uns selbst zu beobachten. Da entdeckt man beispielsweise Fehler in Bewegungsabläufen, die ansonsten verborgen bleiben“, berichtet Swajkowski. Genau diesen Ansatz verfolgt auch Trainer Thomas Karczewski. „Dem eigenen Auge glaubt man am meisten“, meint er. Daher gehört die Wingflied-Technik bereits zum festen Bestandteil beim Kinder- und Jugendtraining.

„Ich möchte das Training effektiver gestalten. Mit Wingfield kann ich Spielmuster analysieren und einzelne Bausteine des Spiels herausnehmen, an denen im Training gearbeitet wird – beispielsweise an der Platzierung der Aufschläge oder der Rückhand“, erklärt Karczewski, der die Technik ab Ende September auch in der Halle nutzen wird. Auch die Erwachsenen sollen künftig mit Wingfield an ihrem Spiel feilen. Da müsse er aber erst noch Überzeugungsarbeit leisten.

Karczewski: „Viele tun sich schwer damit, sich selbst zu sehen“

„Viele tun sich schwer damit, sich selbst zu sehen“, führt Karczewski aus. Abgesehen von den Trainingsstunden sei die Resonanz noch nicht sehr hoch. Lediglich drei bis vier regelmäßige Nutzer gebe es. Das könne sich aber ändern – auch mithilfe von neuen Serviceangeboten. So bietet Karczewski eine ausführliche Spielanalyse an: „Zwei Interessierte absolvieren drei komplette Matches gegeneinander. Im Anschluss folgt die Auswertung.“

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Inzwischen zählt die Wingfield-App rund 70 Minuten Spielzeit und zeigt ein eindeutiges Ergebnis an. Im Duell „Sportreporter gegen Topspielerin“ führt Jennifer Swajkowski mit 6:3 und 3:2. 52 gewonnene Punkte von Swajkowksi stehen 44 Punkten gegenüber. 73 Prozent ihrer ersten Aufschläge landeten im Feld. Dazu kommen nur zwei Doppelfehler. Auf der anderen Seite fanden nur 55 Prozent der ersten Aufschläge ins Ziel. Dazu stehen 8 Doppelfehler und zwei Asse auf der Liste – eben typisch für den Breitensport. Doch das Wingfield-System funktioniert erstklassig. Profitechnik für den Amateurbereich und der nächste Schritt in der Digitalisierung des Tennissports.

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