Im interview verrät die 27-Jährige vom TV Wattenscheid, wie sie die Verletzung verkraftet hat und für wann das Comeback geplant ist.
Diese Saison ist für Pamela Dutkiewicz gelaufen. Die Hürdensprinterin des TV Wattenscheid 01 hat eine Muskelverletzung. An den Deutschen Meisterschaften, die am Wochenende in Berlin stattfinden, kann sie daher ebenso wenig teilnehmen wie an den Weltmeisterschaften in Doha. Ihr Ziel ist jetzt Olympia 2020 in Tokio.
Es ist immer nur die Rede davon, dass Sie eine muskuläre Verletzung haben. Was genau hat ihre Saison beendet?
Ich möchte bei der Formulierung muskuläre Verletzung bleiben. Wenn ich das genauer sagen würde, bekäme ich ganz viele Ratschläge und Hinweise, wie ich meine Verletzung behandeln könnte oder sollte.
Wie geht es Ihnen derzeit?
Ich bin jetzt schmerzfrei, kann gehen, kontrollierte Bewegungen machen und Signale in den Muskel senden, um ihn zu aktivieren.
Sie haben jetzt aber etwas mehr Zeit als sonst zu diesem Zeitpunkt im Jahr. Jetzt wären Sie ja eigentlich schon im Wettkampfmodus für die DM in Berlin.
Das ist total ungewohnt. Ich kann jetzt Freunde treffen oder bei meinen Eltern im Wohnzimmer sitzen. Das geht sonst nie im Juli.
Wie und wann ist die Verletzung passiert?
Das war beim Diamond-League-Meeting in Monaco. Da habe ich mich warm gemacht. Manchmal deuten sich Verletzungen an. Diesmal nicht. Ich war schon in der intensiven Aufwärmphase. Bei einer Hürdenbewegung habe ich es gemerkt. Es fühlte sich gleich nach mehr an, als ein Krampf. Mein Freund, der ja auch mein Physiotherapeut ist, hat sofort akut Hilfe geleistet und wir haben versucht, ob noch etwas geht.
Dann war aber schnell klar, dass an diesem Tag und in dieser Saison nichts mehr geht?
Ja. Als die Verletzung feststand, wusste ich ja auch, welche Heilungszeit es sein wird. Da gibt es eine Tabelle. So eine Verletzung dauert acht bis zehn Wochen. Das hieß, an den Deutschen Meisterschaften kann ich in jedem Fall nicht teilnehmen und für die WM wäre es sehr eng geworden. Die WM ist Anfang Oktober. Ich hätte dann maximal zwei Wochen Zeit, um die Muskulatur an 100 prozentige Sprintbelastung und Hürdenbewegung heranzuführen. Das ist so gut wie unmöglich. Das Risiko sich erneut zu verletzen und somit die Vorbereitung auf Tokio zu gefährden, wäre total groß. Fit und konkurrenzfähig wäre ich innerhalb dieser kurzen Vorbereitungszeit mit großer Wahrscheinlichkeit also nicht geworden.
War Ihnen das Risiko zu groß?
Das war es. Mein Körper hat mir gezeigt, dass ich eine Auszeit brauche. Und zwar jetzt. Gerade auch, wenn ich es in Tokio gut machen will.
Wie schwer ist es Ihnen gefallen, diese Saison vorzeitig für beendet zu erklären?
Sehr schwer. Ich wollte nach der Entscheidung sofort in den Urlaub, wollte Abstand. Seit der Verletzung bin ich in dieser Woche das erste Mal wieder im Olympiastützpunkt in Wattenscheid. Ich musste für mich einen passenden Plan finden. Jetzt ist Reha-Training. Wenn die Reha wie geplant verläuft, hoffe ich darauf, Ende September langsam den Übergang ins reguläre Aufbautraining für die Saison 2020 einzuleiten. Aber direkt nach der Verletzung wusste ich zunächst nicht genau, wie es weitergeht.
„Das Planlose hat mich aus der Bahn geworfen“
Das Planlose hat mich aus der Bahn geworfen. Seit Jahren gab es eine Struktur mit Training, Wettkampfvorbereitung und Wettkampf, Saisonhöhepunkten. Das war jetzt weg. Ich habe eine Woche gegrübelt. Ich brauchte einen Plan. Seit Rio ging es immer bergauf, da hatte ich ganz viel mentale Energie. Nach der Verletzung war mein Akku schon ziemlich weit unten.
Wobei Sie mit Verletzungen ja Erfahrungen haben.
Das stimmt. Vor den Europameisterschaften in Berlin habe ich mich in der unmittelbaren Vorbereitung verletzt. Alle wollten da hin, alle wollten das Erlebnis der Heim-EM. Da bin ich gestartet, habe die Silbermedaille gewonnen. Ich habe mich natürlich total gefreut, es geschafft zu haben. Aber ich konnte das alles nicht richtig genießen, weil es mich so wahnsinnig viel mentale Energie im Vorfeld gekostet hat. Zwei Verletzung unmittelbar vor Saisonstart haben den Akku sehr geleert.
Oder nehmen wir die Hallen-EM in Glasgow zu Beginn des Jahres. Zu dem Zeitpunkt war ich Europas schnellste Hürdensprinterin. Da habe ich mich als Favoritin kurz vorher verletzt. Das habe ich nicht verarbeitet, damit habe ich mich sehr lange beschäftigt. Dieser Hieb vor der EM hat mich runter gezogen.
Zumal das Jahr 2019 ja sehr gut begonnen hatte.
Es hat damit begonnen, dass ich sofort die WM-Norm geschafft habe. Aber bereits da habe ich gemerkt, dass ich nicht in Balance bin. Das wollte ich mir aber erst nicht eingestehen.
Ist es jetzt in Ihrem Kopf angekommen?
Das ist es. Das gute ist, dass ich weiß, dass es der einzige Weg ist. Ich habe jetzt wieder einen Plan.
Sind Sie am Wochenende in Berlin bei der DM?
Nein. Der TV Wattenscheid hat mir angeboten, dass ich mitfahren kann. Der Verein kümmert sich wirklich sehr gut um mich. Die Weltmeisterschaft werde ich mir im TV ansehen. Die Deutsche Meisterschaft werde ich nicht im TV verfolgen, da ich zu der Zeit ein verlängertes Wochenende an der Nordsee in Holland mit meinem Freund geplant habe.
Das ist doch aber leichter zu ertragen als Olympia zu verpassen, oder?
Olympia hat einen besonderen Zauber. Das sagen alle und das ist auch so. Nach Olympia in Rio brauchte ich zwei Wochen, um meine Eindrücke zu verarbeiten. Ich glaube, auch 2020 Olympia in Tokio wird toll. Um da gut zu sein, braucht man Energie und Zuversicht. Die entsteht, wenn man in sich ruht und alle Akkus aufgeladen sind.