Wattenscheid. . Für Katrin Müller-Rottgardt vom TV Wattenscheid ist die Para-Leichtathletik-WM ein Stopp auf dem Weg zu den Spielen 2020. Ein Porträt.
Die Vorbereitungen laufen bereits. Über dem Wattenscheider Lohrheidestadion scheint die Sonne. Katrin Müller-Rottgardt sitzt auf der roten Tartanbahn und schnürt die Laufschuhe. Sie absolviert eine leichte Sprinteinheit. Seit Anfang März bereitet sich die sehbehinderte Para-Leichtathletin intensiv auf die Sommersaison vor. Unterstützt wird sie dabei von ihrer Trainerin Simone Lüth (50) – mit Erfolg: Beim ersten Start im sauerländischen Menden unterbot sie mit 12,44 Sekunden über 100 und 25,87 über 200 Meter gleich zwei WM-Normen. „Auch bei der Weltmeisterschaft in Dubai werde ich über 100, 200 und vielleicht auch über 400 Meter starten“, verrät die 37-jährige Athletin, die bei den Paralympischen Spielen 2016 die Bronzemedaille gewann, nach den ersten lockeren Sprints.
Noel Fiener begleitet die Sprinterin auch im Training
Diese wird sie aber nicht allein absolvieren. Müller-Rottgardt läuft neben Noel Fiener. Bei Wettkämpfen fungiert der Sprinter als Begleitläufer. Beide sind mit einer Leine verbunden. Der Grund dafür ist einfach, wie die Wattenscheiderin erklärt: „Ich habe nur noch eine Sehkraft von zwei Prozent. Deshalb darf ich mir aussuchen, ob ich mit einem Guide an den Start gehen möchte. Bei der Spitzengruppe der Frauen ist das aber Standard – und Noel macht das gut“, lobt Müller-Rottgardt, die im Vorjahr noch mit Alexander Kosenkow an ihrer Seite lief.
Simone Lüth, die als hauptamtliche Trainerin beim TV Wattenscheid arbeitet, ergänzt: „Ein Guide muss mehr als nur schnell laufen können. Da Katrin schlecht sieht, ist es sehr wichtig, auf sie und die Umgebung zu achten – auch beim Training.“ Wenn es nachmittags in der Wattenscheider Lohrheide voll wird, kann es auch mal gefährlich werden. „Ich sehe nicht, wenn plötzlich Bälle auf die Bahn rollen oder dort Hürden stehen“, merkt die Sportlerin an.
Mit nur zwei Prozent Sehkraft gilt Müller-Rottgardt als blind
Müller-Rottgardt konnte nie normal sehen. Schon als kleines Kind besaß sie nur zehn Prozent der eigentlichen Sehkraft. Durch einen Gendefekt verschlechtert diese sich weiter. Mit aktuell zwei Prozent gilt sie als blind. „Das hat mich aber nicht daran gehindert, Sport zu machen. Deshalb habe ich im Alter von zwölf Jahren mit Leichtathletik angefangen.“ Dieses Hobby und der Spaß daran bedeuten ihr sehr viel – zahlreiche internationale Erfolge sind das Resultat. 2003 gewann sie über 200 und 400 Meter ihre bislang einzigen WM-Titel, hinzu kommen etliche Medaillen. „Jede Medaille besitzt ihre eigene Geschichte. Am meisten hat mich aber die Bronze-Medaille bei den Paralympics 2016 und das WM-Silber 2017 im Londoner Olympiastadion geprägt“, schwärmt die gelernte Physiotherapeutin.
Die Para-Leichtathletin muss für die Wettkämpfe viel auf sich nehmen
Ob Rio de Janeiro, London oder bald Dubai: Für Müller-Rottgardt sind internationale Wettkämpfe oft mir langen Reisen verbunden. Für die Para-Leichtathletin sind diese Reisen Privilegien. „Trainingslager oder Wettkämpfe fordern zwar immer Kräfte, aber ohne Sport hätte ich viele Länder und Kontinente gar nicht besucht“, sagt sie. „Einen Arbeitgeber zu finden, der mich so freistellt, dass ich zu den Wettkampf- und Trainingsorten reisen kann, ist schwierig.“
Nach der WM hat sie die Paralympischen Spiele in Tokio im Blick
In Krefeld arbeitet die 37-Jährige als Physiotherapeutin. Auch dank ihres Arbeitgebers kann sie sich auf die kommenden Wettkämpfe vorbereiten. Wegen der bereits erreichten Normen kann Katrin Müller-Rottgardt schon das Flugtickt nach Dubai buchen. Stimmen die Leistungen dort, rückt das noch größere Ziel ganz nah – die Paralympischen Spiele 2020 in Tokio.