Wattenscheid. Die von Insolvenz bedrohte SG Wattenscheid 09 ist gerettet. Aber ist das mehr als nur eine Momentaufnahme? Die Vergangenheit macht nicht viel Mut.
Die von Insolvenz bedrohte SG Wattenscheid 09 ist gerettet, so lautet jedenfalls die Mitteilung des Fußball-Regionalligisten. 350.000 Euro hätte die SG 09 bis Montagabend aufbringen müssen. 2200 Unterstützer spülten in den letzten Wochen per Crowdfunding rund 140.000 Euro in die leeren Kassen, den sehr großen Rest wird nun laut Vereinsmitteilung WTC Camp Sport, eine Firma des Aufsichtsratsvorsitzenden Oguzhan Can, beisteuern.
Damit sei die restliche Saison finanziert und man könne daran gehen, so Can, „den Klub langfristig wieder auf Kurs zu bringen“. Can versprach auch, in Zukunft „transparenter gegenüber den Mitgliedern“ zu sein. Spätestens Ende März soll deshalb die eigentlich für den vergangenen Herbst vorgesehene Mitgliederversammlung über die Bühne gehen. Es geht also weiter, vorerst.
Wattenscheid schrammte schon 2007 an Insolvenz vorbei
Immer wieder ist von der Wattenscheider Bundesligazeit die Rede, wenn der Klub mal wieder vor dem Aus zu stehen scheint. Der kritische Blick zurück auf die vergangenen zehn, fünfzehn Jahre wird gescheut. Groß ist in diesem Zeitraum die Zahl der Vorstände und Aufsichtsräte, die allesamt eine bessere Zukunft schaffen wollten, oft viel versprachen und dann doch scheiterten. Um Haaresbreite schrammte die SG 09 schon 2007 unter der Führung des inzwischen verstorbenen Rüdiger Knaup an der Insolvenz vorbei. Knaups Nachfolger Guido Tann, der es lediglich zwei Jahre an der Spitze des Klubs aushalten sollte, machte aus seinem Herzen keine Mördergrube. „Momentan bin ich davon überzeugt, dass der Verein in der NRW-Liga wesentlich besser aufgehoben ist als in der Regionalliga. In meinen Augen ist die Regionalliga eine Totgeburt“, sagte der Gelsenkirchener Kommunalpolitiker 2008.
Natürlich mussten auch Tann und seine Mitstreiter mit sechsstelligen Deckungslücken leben, und schon damals kamen die Fans temporär als Werbebanden-Sponsoren zu Hilfe, ohne den wirtschaftlichen Negativtrend auch nur im Ansatz brechen zu können. 2009 übernahm Ex-Profi Christoph Jacob das Ruder, unterstützt vom neuen Aufsichtsrats-Chef Thorsten Heckendorf. Jacob war ehrgeizig, Tanns Urteil über die Regionalliga grundsätzlich und den Wattenscheider Klub im Speziellen focht ihn nicht an. Es folgten sechs Jahre voller Versprechungen, Gehaltsrückstände, Querelen und Spielerbeleidigungen. An der prekären Finanzsituation änderte sich dagegen nichts. Unvergessen in der Jacob-Ära: die alle paar Monate angekündigte und dann doch nie realisierte Kooperation mit Galatasaray Istanbul, die angeblich alle strukturellen und finanziellen Probleme des Klubs heilen werde. Auch Jacob musste ordentlich reinbuttern, irgendwann wurde es ihm zuviel, 2015 war er raus.
Interne Querelen bei der SG 09
Die Nachfolger waren zwar bodenständiger, aber leider nicht erfolgreicher. Gabi Vit als Vorsitzende und Reinhard Mokanski als Aufsichtsratsvorsitzender und Sponsor entwarfen schöne Konzepte zur Entschuldung des chronisch unterfinanzierten Vereins, vermochten jedoch nicht die harte Realität zu verändern. Es kamen zu wenige Leute in die Lohrheide, um die SG 09 für Werbetreibende - auch jenseits der Stadtgrenzen - attraktiv zu gestalten. Interne Querelen kamen, wie in all’ den Jahren zuvor, auch diesmal dazu, die Auseinandersetzungen mit dem eigenen Jugendvorstand wurden auf dem Marktplatz ausgetragen, die Verantwortlichen verloren allesamt viel Geld und warfen das Handtuch.
Lange Zeit wagte sich anschließend niemand mehr aus der Deckung. Doch dann stand da plötzlich Oguzhan Can. Wird er tatsächlich als Retter in die Vereinsgeschichte eingehen?