Der Tour-Sieger ist auch in Bochum ehrgeizig und gewinnt. Die Konkurrenten müssen sich am Ende beugen und äußern ihren Respekt

So voll wie am Sonntag war es schon lange nicht mehr beim Sparkassen Giro: Jeder war gekommen, um einen Blick auf Geraint Thomas bei seinem einzigen Rennen auf deutschem Boden nach seinem Tour-Triumph zu erhaschen. Und der Mann im Gelben Trikot lieferte. Mit einem unwiderstehlichen Ritt unterband er alle Angriffsversuche und sprintete am Ende vor Rick Zabel und Rekordsieger Marcel Sieberg über die Ziellinie.

„Es war das härteste Rennen, das ich jemals nach der Tour de France gefahren bin. Die tolle Stimmung hat dazu beigetragen, dass ich meine Leistung bringen konnte. Ich habe es hier in Bochum genossen“, sagte Thomas freudestrahlend. Sieberg zeigte großen Respekt vor der Leistung des Walisers: „Er war superstark. Es ist unglaublich, was er hier eine Woche nach seinem Tour-Sieg für eine Show abgezogen hat. Das ist alles andere als selbstverständlich. Er ist ein großartiger Sportler.“

Zu Beginn entwickelte sich ein dynamisches Rennen, bei dem viele der Continental-Fahrer ihre Chance nutzen wollten, einmal einen Nadelstich gegen den Sieger der Tour de France zu setzen. Doch die Weltklassefahrer um Thomas ließen sich nicht düpieren und erstickten jeden Ausreißversuch im Keim. Das Rennen nahm durch die ständigen Angriffe schnell Tempo auf, über 50 km/h brachten die Fahrer durchschnittlich auf die Straße.

Selig ist der erste Ausreißer

Die Fahrer beim Start,
Die Fahrer beim Start, © Kerstin Buchwieser

Der erste ernsthafte Ausreißversuch gelang Rüdiger Selig vom Team Bora-hansgrohe, dessen Teamkollege Marcus Burghardt im vergangenen Jahr den Giro gewonnen hatte. Doch auch sein Versuch war nach drei Runden beendet, Sieberg und Nick Politt fuhren das Loch zu, Politt nutzte die Möglichkeit, um selbst an die Spitze zu fahren.

Der Katusha Alpecin-Fahrer drehte einige Zeit einsam seine Runden durch die Innenstadt, bekam aber ab der 15. Runde prominente Gesellschaft in Person von Sieberg, Zabel und Thomas, die sich ebenfalls vom Hauptfeld abgesetzt hatten. Das Quartett mit vier der Top-Favoriten war vom Rest des mittlerweile sehr lang gezogenen Feldes nicht mehr zu stoppen.

Runde um Runde fuhren sich die vier Tour-Fahrer mehr Vorsprung heraus, nach der Hälfte des Rennens war es schon gut eine Minute. Die Continental-Fahrer und auch Selig versuchten immer wieder vorzupreschen, sie waren gegen die Allianz an der Spitze aber chancenlos.

Spannend wurde es erst wieder knapp zehn Runden vor dem Ende, als Politt erneut versuchte, das Rennen für sich zu entscheiden. Drei Umläufe lang war der Kölner vorne, dann waren Sieberg, Zabel und Thomas wieder dran.

In den Schlussrunden ging die Führung mit hohem Tempo hin und her. Als Politt deutlich abfiel, schlossen Zabel und Sieberg ein Bündnis gegen den Tour-Sieger und versuchten gemeinsam, die entscheidenden Meter zu machen. Doch Thomas hatte aufgepasst und ließ sich nicht abschütteln. Ganz im Gegenteil, der Waliser hatte seinen eigenen Plan. Und den setzte er mit ganzer Konsequenz und Stärke auf den letzten Metern um.

Fünf Runden vor Schluss stieg der prominenteste Fahrer aus dem Sattel und zeigte seine Qualitäten als ehemaliger Bahnradfahrer. Sieberg und Zabel gaben alles, konnten das Gelbe Trikot in der letzten Runde aber nur noch von hinten sehen – Thomas rollte schließlich mit weit ausgebreiteten Armen über die Ziellinie.