Witten. Seit Monaten hat Ronny Lindemann (BCC Witten) kein Pflichtspiel mehr bestritten. Jetzt lockt ein lukrativer Auftritt in Frankreich.
Nach wie vor herrscht auch bei den Billardspielern des Dreiband-Bundesligisten BCC Witten großes Rätselraten, wann sie denn wieder ihre Queues auspacken und zu einem Pflichtspiel an den Tisch treten dürfen. Selbst das Training ist nur unter Auflagen und sehr eingeschränkt möglich. Auch für den ehemaligen Deutschen Meister Ronny Lindemann, dem nun aber ein internationales Turnier im Südwesten Frankreichs winkt, eine alles andere als einfache Situation.
„Ich hatte mir das alles so schön ausgemalt“, sagt der Spitzenspieler des Billardclubs Crengeldanz. Bei seiner halben Stelle als Mitarbeiter der Wittener Stadtwerke kümmert er sich im Sommerhalbjahr um das Freibad an der Herdecker Straße, „das andere halbe Jahr wollte ich mich ganz meinem Sport widmen“, so der 40-Jährige, der als Mitglied der DBU-Nationalmannschaft u. a. schon Welt- und Europameisterschaften gespielt hat, in der Karambol-Disziplin seit Jahren zu den konstantesten deutschen Billard-Assen zählt.
Letzte Turnierteilnahme im Februar 2020
Doch die Coronakrise hat den Planungen des Dortmunders ganz rigoros einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Bundesliga-Saison, in die der BCC Witten so glänzend gestartet war und vor dem Abbruch Platz eins eingenommen hatte, ist längst annulliert - jetzt warten die Akteure darauf, dass zumindest die kommende Spielzeit regulär bestritten werden kann. Wann Ronny Lindemann sein letztes Dreiband-Turnier bestritten habe? „Oha, gute Frage. Ich glaube, das war im Februar 2020“, kommt der BCC-Akteur, der bei den Ruhrstädtern inzwischen auch als Sportlicher Leiter fungiert, sich um alle planerischen Belange des Bundesliga-Topteams kümmert, ins Grübeln. „Das war beim Weltcup in der Türkei“, findet Lindemann dann doch noch den Schlüssel zu seinem Gedächtnis. „Das zurückliegende Jahr war einfach absolut frustrierend“, macht er aus seinem Herzen keine Mördergrube, spricht das aus, was wohl viele seiner Mitstreiter bewegt.
Die Planungen in Sachen Turniere für dieses Jahr waren längst abgeschlossen, der Fahrplan für Ronny Lindemann stand. „Jetzt gerade“, sagt der frühere DM-Gewinner, „wäre ich beispielsweise in Vietnam, würde dort ein Weltcup-Turnier spielen. Danach ginge es dann nach Las Vegas.“ Traumhafte Reiseziele, da hätte man das Sportliche auch mit dem Nützlichen verbinden und ein wenig Urlaub einstreuen können. „Das lässt sich ja immer ganz gut verbinden“, so Lindemann.
Andornos statt Spielerparadies Las Vegas
Doch nun müsse er anderweitig nach Möglichkeiten suchen, in Sachen Dreiband zumindest nicht komplett aus der Form zu kommen und quasi einzurosten. Als Kadermitglied auf Landes- und Bundesebene könne er zwar an den entsprechenden Stützpunkten in Bottrop oder in Herten/Gelsenkirchen trainieren, „aber dort sind die Spiellokale dann auch recht gut besucht“ - und das sei zu Zeiten von Corona auch nicht zielführend.
Immerhin: Körperlich hat dem BCC-Spitzenspieler die längere Billard-Auszeit ganz gut getan. „Ich hatte immer einige Probleme mit dem Rücken, wenn ich längere Zeit gespielt habe. Das ist inzwischen ausgestanden, da geht’s mir jetzt ganz gut“, sagt er erleichtert. Seinen rechten Arm, mit dem er in den Partien sein Queue so gekonnt zu führen versteht, trainiert er zudem spezifisch, um fit zu bleiben.
Gegner ist Mehrfach-Weltmeister Torbjörn Blomdahl
Und so wie es ausschaut, kann Lindemann demnächst auch wieder in einem Turnier zeigen, was er draufhat. „In Frankreich wird über mehrere Wochen die Kozoom-Challenge ausgetragen. Dort wurden jetzt weitere Spieler gesucht, weil unter anderem türkische Spitzensportler nicht dorthin reisen dürfen. So ist man dann auch auf mich zugekommen“, so der Familienvater über die Einladung, die jüngst bei ihm eintrudelte.
Vom 19. bis zum 21. Mai wird BCC-Aushängeschild Ronny Lindemann nun in Andernos in der Nähe von Bordeaux antreten, dort u. a. auf den mehrfachen Weltmeister Torbjörn Blomdahl (58) aus Schweden treffen. Mittwochs um 17 Uhr müsse er erstmals an den Tisch. „Dabei muss ich am Dienstag noch arbeiten. Da es so kurzfristig keine sinnvolle Verbindung mehr dorthin gibt, werde ich die 1200 Kilometer im Auto auf mich nehmen. Das ist mir aber egal - ich habe einfach wieder richtig Bock auf Billard.“
Kurze Sätze könnten ein Vorteil für den BCC-Spieler sein
Endlich mal wieder eine sportliche Perspektive - dieser Anreiz macht dann auch die Strapazen der Anreise allemal wett nach so langer Zwangspause. „Ich bin derzeit richtig tiefenentspannt - das wird eine schöne Herausforderung gegen starke Konkurrenz“, sagt Ronny Lindemann, der sich bei der Kozoom-Challenge recht gute Chancen ausrechnet.
Vorher und nachher erfolgen vor Ort PCR-Tests, die Hygienevorschriften sind auch in Frankreich entsprechend streng. „Die Partien dort sind auf zehn Gewinnpunkte pro Satz verkürzt, das kommt mir sicher entgegen“, so der BCC-Akteur, der am Wochenende an einem Kaderlehrgang teilnahm. Täglich sind acht Sätze zu spielen, die Frequenz ist ganz verträglich. Nach rund 15 Monaten ohne Dreiband-Turnier würde Lindemann gewiss auch gerne noch länger am Tisch stehen, um einfach diese so sehr vermissten Momente in Gänze auszukosten.