Schwelm.. Im nächsten Teil unserer großen Religionsserie „Reine Glaubenssache“ blicken wir auf das Judentum und da vor allem auf die Feste.

Christen haben gerade das Weihnachtsfest gefeiert, jüdische Menschen das Chanukka-Fest. Wo liegen Unterschiede und Gemeinsamkeiten? Bei welchen anderen Festen gibt es möglicherweise Berührungspunkte?

Bei der beliebten Lesereihe „Altes neu entdecken“ der Wilhelm Erfurt-Stiftung für Kultur und Umwelt sowie des Vereins für Heimatkunde im Haus Martfeld nahm Dr. Ulrike Schrader das Pilgerfest Sukkot und andere jüdische sowie christliche Feste unter die Lupe. Die Leiterin der Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal bot den zahlreichen Besuchern die Möglichkeit, Fremdes und Eigenes, Trennendes und Verbindendes in den beiden Religionen kennenzulernen und zu diskutieren. Eine Reise durch ein jüdisches und christliches Festjahr:

Chanukka

Im Winter eine besinnliche Zeit mit der Familie genießen, die nächste Kerze auf dem Adventskranz oder an dem achtarmigen Chanukkaleuchter anzünden – auf den ersten Blick scheinen Weihnachten und Chanukka ähnliche Züge zu haben.

Obwohl das jüdische Fest älter ist, ist der Brauch des Chanukkaleuchters wohl vom Christentum inspiriert und im 19. Jahrhundert in Mode gekommen, berichtete Ulrike Schrader. Doch die Herkunft der beiden Feste ist völlig unterschiedlich, weiß die Museumsleiterin. Während Christen an Weihnachten die Geburt Jesu feiern, gedenkt Chanukka an die Wiedereinweihung des zweiten Tempels nach dem Makkabäeraufstand in Jerusalem. Im jüdischen Jahr 3597, also 164 v. Chr., reichte ein Rest Öl wie durch ein Wunder für acht ganze Tage. „So hatten die Menschen genug Öl, um den Tempel zu weihen“, erklärte Ulrike Schrader, „und darum essen Juden in dieser Zeit auch viele ölige oder fettige Speisen.“ Bei Christen lauern im Advent an jeder Ecke Plätzchen – im Unterschied zu üppigen Torten und Kuchen, denn ursprünglich war der Advent eine Fastenzeit.

Pessach

Im Frühling feiern sowohl Juden als auch Christen ein für sie sehr wichtiges Fest. Wieder sind es Symbole, die durchaus in beiden Religionen bekannt sind. Als Schokolade, am Frühlingszweig hängend oder im Garten versteckt – das Ei ist an Ostern, dem Fest der Auferstehung Jesu, allgegenwärtig. Es steht symbolisch für Fruchtbarkeit, ebenso wie der Osterhase. „Doch das Ei ist auch ein Symbol der Trauer und steht für den Kreislauf des Lebens“, sagte Ulrika Schrader. Und so erinnert das Pessach-Fest an den Auszug aus Ägypten, also die Befreiung der Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei. Jesus selbst habe als Jude am Pessachfest teilgenommen. Weil beim Osterfest seine Auferstehung gefeiert wird, ist es ein genuin christliches Fest.

Sukkot

Im Herbst sind in vielen Kirchen Früchte, Getreide und Zweige zu sehen. Und auch in Synagogen oder jüdischen Haushalten sind solche Lebensmittel zu dieser Zeit präsent. Doch Juden feiern dann nicht etwa das Erntedankfest, sondern Sukkot – das jüdische Laubhüttenfest. Nach dem Auszug aus Ägypten mussten die Israeliten eine 40 Jahre dauernde Wanderung überstehen. In zugigen Hütten wohnen, durch die ständig der Wind bläst, wenig Essen – „in dieser entbehrungsreichen Zeit den Glauben an den einen Gott zu behalten, war eine hohe Kunst“, betonte Ulrike Schrader. An diese Entbehrungen solle Sukkot erinnern und die Möglichkeit geben, sich der Fülle und des Reichtums, den wir heute haben, bewusst zu werden. In welcher Form jüdische Menschen dieses Fest heute begehen, sei sehr unterschiedlich, erklärte die Museumsleiterin.

Die religiöse Praxis ist so unterschiedlich, wie das Spektrum an Facetten des Glaubens. Machen liberalen Gläubigen reiche es, wenn in der Synagoge symbolisch für alle Gemeindemitglieder eine Laubhütte aufgebaut ist. Andere, vor allem fromme Juden in Jerusalem, stellen eine Laubhütte aus Binsengeflecht im eigenen Garten oder auf dem Balkon auf. „In Jerusalem können die Menschen aber auch komplette Hütten-Sets kaufen“, erzählt Ulrike Schrader. Neben der Hütte gehört zu den Feierlichkeiten auch ein Feststrauß aus einem gebundenen Palmzweig, Myrtenzweigen, Bachweidenzweigen und Zweigen der Dattelpalme, die in der rechten Hand getragen werden, sowie dem Etrog, einer Sorte der Zitronatzitrone, der in der linken Hand gehalten wird. Der duftende Etrog steht beispielsweise für ein gelehrtes, der Tora entsprechendes Leben und die Dattel für eine angenehme Zeit.

„Der Zweig wird nach oben, unten und alle Himmelsrichtungen geschüttelt – so sollen alle Schwächen der Menschen ausgeglichen werden“, erklärt Ulrike Schrader und schmunzelt, „das ist natürlich idealistisch, aber ein sehr schöner Brauch.“ Gerade die Gegenüberstellung der religiösen Feste war für Besucherin Margrit Roland (72) eine bereichernde Erfahrung: „Richtig spannend, das war mir alles so nicht bewusst.“