Duisburg. Für Statistiker war es eine kuriose Rückrunde. In fünf Partien kassierte der MSV Duisburg 26 Gegentore, in 13 weiteren nur 13. Eine Analyse.
Ingo Wald hatte Recht. Niemand hat es interessiert. Das Team des MSV Duisburg sei stark genug für einen einstelligen Tabellenplatz in der Dritten Fußball-Liga. Der Präsident der Zebras hatte das im Herbst des vergangenen Jahres erklärt. Mit Blick auf die zweite Runde steht fest: Da war was dran. Der Spielverein belegt in der Rückrundentabelle Platz neun. Das reichte am Ende nur mit Mühe und Not zum Klassenerhalt. Trotzdem, zumindest mit Blick auf die Ergebnisse in diesem Jahr, lassen sich Plakate mit der Aufschrift „Versager“ kaum rechtfertigen.
25 Punkte aus 18 Spielen – das ist ordentlich. Nicht eingerechnet sind dabei die drei Zähler aus dem später annullierten Spiel gegen Türkgücü München. Hätte die Mannschaft auch die erste Runde so gepunktet, wäre man in der Tat einstellig geblieben. Ja, klar: Hätte, hätte Fahrradkette! Dennoch: Das Team war nicht so schlecht wie sein Ruf. Was aber in Erinnerung bleibt, ist der Satz von Kapitän Moritz Stoppelkamp nach der Rettung gegen Freiburg: „Es war eine ganz, ganz schwierige Saison. Letztes Jahr war schon heftig. Aber dieses Jahr haben wir noch einen drauf gepackt.“
Es lohnt ein zweites Hinschauen beim MSV Duisburg
Trainer Torsten Ziegner, Sportdirektor Ralf Heskamp, Berater Ulf Schott und Präsident Ingo Wald sagen lippensynchron: „Wir werden die abgelaufene Spielzeit genau analysieren.“ Jede Mühe lohnt hier. 71 Kirschen musste das Zebra samt Stil und Stein schlucken. Vier mehr als ein Jahr zuvor (bei 38 Spielen). Damals sagte Trainer Pavel Dotchev, dass sein Hauptaugenmerk auf der Abwehrarbeit liegen wird. Da hatten er und sein Nachfolger Hagen Schmidt viel Sand dran. 39 Gegentore setzte es allein in den 18 Spielen der Rückrunde. Ein wahrhaft unterirdischer Wert. Selbst die Absteiger TSV Havelse (35) und Viktoria Berlin (37) standen defensiv besser.
Doch es lohnt ein zweites Hinschauen: 26 der 39 Gegentore fing sich die Mannschaft in nur fünf Spielen ein. Da war das 3:4 gegen Saarbrücken, das 0:5 gegen Magdeburg, das 3:6 gegen Osnabrück, das 1:5 in Kaiserslautern und das 0:6 gegen 1860 München. In vier der fünf Partien agierte die Formation zumindest zeitweise in der Viererkette. Schaut man auf die verbliebenen 13 Spiele, dann kommt man auf einen Gegentorschnitt von eins. Das ist ein richtig guter Wert. Nimmt man das nicht gewertete 2:0 gegen Türkgücü hinzu, liegt der Wert sogar bei kleiner als eins.
Eindeutig ist: Die Wende zum Besseren kam mit der Dreierkette und Marlon Frey als Abwehrchef. In der Rückrunde – Türkgücü mit dabei – hielt der MSV sechs Mal die Null. Meister Magdeburg machte es nicht besser. Jedenfalls, was die Zu-Null-Spiele in der Rückrunde angeht. Die Defensivkönige aus Kaiserslautern kommen auf acht Spiele ohne Gegentor.
Schwächen auf der linken Seite des MSV Duisburg
Bei der Durchsicht der geschluckten Treffer seit Januar fällt auf: Allein 16 Mal bereitete der Gegner sein Glücksgefühl über die linke Seite vor. Niko Bretschneider und Leroy Kwadwo waren hier für den MSV unterwegs. Zum Vergleich: Über rechts rappelte es sieben Mal – davon dreimal gegen Saarbrücken. Was die Mannschaft gar nicht konnte, waren Spiele gegen Mannschaften, die den Ball als Freund betrachteten. Im Vergleich mit den Top-Ten der Tabelle stehen in der Rückrunde lediglich drei Zähler zu Buche. Den Sieg gab es beim 1:0 gegen Wehen Wiesbaden. In der gesamten Saison gab es gegen die Top-Sechs nur sieben von möglichen 36 Punkten. Die Bilanz gegen die neun Mannschaften (mit München) die ebenfalls in Not waren, fällt nach der Winterpause dagegen beeindruckend aus: In der Rückrunde holten die Meidericher 25 von 27 möglichen Punkten. Das einzige nicht gewonnene „Pflichtspiel“ war das 1:1 vom Samstag gegen Verl. Das nennt man pflichtschuldig.
Wie also kam nach einer durchaus achtbaren Bilanz das Versager-Plakat in die Hände der Fans? Hier muss es bei Vermutungen bleiben. Die Zebras gewannen eher grau. Sieben Mal reichte ein Vorsprung von einem Tor. Mitreißend war keiner der Auftritte. Dafür verlor die Mannschaft spektakulär. Die 19 Gegentore in vier Heimspielen (Saarbrücken, Magdeburg, Osnabrück, Dortmund) innerhalb von zwei Wochen haben Kredit (und Sportdirektor Ivica Grlic den Job) gekostet.
Nur selten Leidenschaft im Duisburger Team
Noch einmal gönnte sich der Klub eine solche Pannenserie: Der Dreiklang mit dem 0:6 gegen 1860, dem 0:1 im Pokal gegen Straelen (Bruttoverlust: 300.000 Euro) und dem blutleeren 1:3 in Mannheim brachte die Fans innerhalb von acht Tagen auf die Palme (und Hagen Schmidt um den Arbeitsplatz). Was auch nicht hilfreich war: Man blamierte sich gern vor eigenem Publikum: 26 der 39 Gegentore fielen daheim.
Leidenschaft zeigte die Mannschaft eher selten. So selten, dass der neue Trainer Torsten Ziegner gegen Verl für das Spiel forderte: „Es geht darum zu dokumentieren, dass die Art und Weise, wie wir am Samstag (gegen Freiburg) aufgetreten sind, keine Ausnahme war.“ Dass so ein Satz vor dem letzten Spieltag gesagt werden muss!
Die MSV-Marketing-Abteilung hatte die Spielzeit unter das Motto gestellt: „Mein Herz schlägt numa hier.“ Viele Fans hatten den Eindruck: Die Mannschaft war nicht dabei, als der Slogan formuliert wurde.