Dortmund. Die Frage, ob man beim Laufen Musik hören sollte, polarisiert. Laufblogger Stefan Reinke trainiert gerne mit Kopfhörern - kennt aber ein klares Tabu.
Ich liebe Musik. Zu jeder Lebenssituation gibt es den passenden Soundtrack - warum also nicht beim Laufen? Das Thema wird unter Läufern unfassbar kontrovers diskutiert, zwei Lager stehen sich gegenüber. Ich sitze dazwischen, möchte mich nicht festnageln lassen.
Grundsätzlich laufe ich unheimlich gerne mit Musik auf den Ohren. Auf meinem Smartphone habe ich eine "Laufen"-Playlist mit Songs, die ich gerne beim Rennen höre. Meine aktuellen Ohrhörer habe ich auch nach sportlichen Gesichtspunkten ausgewählt. Sie sollten nicht nur gut klingen, sondern auch zumindest etwas wasserdicht sein und bei Bewegung gut im Ohr sitzen.
Und trotzdem laufe ich meistens ohne Musik. Im Winter sowieso, weil ich in der Dunkelheit gerne den Verkehr höre. Wer mit Musik läuft, muss aufmerksamer auf Autos und Fahrräder achten. Im Frühling mag ich es, dem Vogelgezwitscher zu lauschen. Ebenso bei Läufen im Wald - da höre ich viel lieber dem Rauschen der Blätter zu als mich von Musik antreiben zu lassen. Auch bei Intervallen mag ich es überhaupt nicht, mit Kopfhörern zu laufen. Ich mache ja bevorzugt Tabata-Einheiten mit acht kurz aufeinander folgenden Vollsprints über 20 Sekunden. Da nervt mich das wilde Umhergebaumel der Kopfhörerkabel einfach, obwohl ich gerade bei dieser Trainingsmethode wahnsinnig gerne Musik hören würde. Vielleicht stelle ich demnächst einfach einen Ghettoblaster an den Straßenrand, wenn ich meine Tabatas auf den Asphalt nagele.
Musik als Ablenkung vom Schmerz
Ich liebe es also, zu Musik zu laufen, mache es aber so gut wie nie. Oft hängt es ganz einfach von meiner Motivationslage ab, ob ich Musik mitnehmen muss oder nicht. So wie am Sonntag. Die Vorzeichen waren schlecht: Probleme im rechten Bein, keine Ahnung, ob ich mehr als 10 Kilometer schaffen würde - aber Lust auf deutlich mehr. Also habe ich die Ohrstöpsel reingesteckt und wurde sofort beglückt: Die ersten Takte meines Lieblings-Laufsongs brachten mir einen Motivations-Kick. Für mich gibt es kein besseres Lied zum Laufen als "Born slippy" von Underworld. Ich habe einen gut achtminütigen Remix in meiner Playlist. Wahrscheinlich würde es mir auch reichen, wenn ich einen Trainer hätte, der während eines Laufs mit einer Pauke neben mir rennt und mir mit einem Megafon "Lager, Lager, Mega, mega white thing!!!" ins Ohr brüllt. Dieser Song pusht mich einfach. Generell treibt Musik mich an guten Tagen an. Dann macht es mir auch nichts aus, mal einen kleinen Sprung einzubauen, nur weil er gerade in den Takt passt. Oder beim Laufen den Text - hoffentlich - lautos mitzusingen.
Diesmal hat mir "Born slippy" nicht nur den Schwung für wirklich schnelle 10 Kilometer gebracht, sondern es hat mir auch geholfen, meine Gedanken von meinem rechten Bein wegzulenken, sodass aus befürchteten 10 tatsächliche 20 Kilometer wurden. Bei den letzten Läufen habe ich ständig darauf gewartet, dass der Schmerz kommt. Diesmal war ich in die Musik vertieft und sobald ich merkte, dass rechts unten etwas passieren könnte, habe ich mir vorgestellt, wie es sein wird, wenn ich in Paris auf den Arc de Triomphe zulaufe. Die Schmerzen gingen weg, an einem Anstieg hatte ich sogar die Power für ein kleines Wettrennen mit zwei Fahrradfahrern. Es hat einfach Spaß gemacht. Ohne Musik hätte ich es nicht geschafft.
Bei Laufveranstaltungen ist Musik tabu
Ich kenne in Bezug auf Musik beim Laufen also keine Dogmen - bis auf eines: Für mich ist es absolut tabu, bei Laufveranstaltungen mit Kopfhörer zu laufen. Bei Läufen gibt es andere Sounds, zum Beispiel das Geräusch von Tausenden Schuhen auf Asphalt. Die Anfeuerung der Zuschauer. Diesen großen Geräusch-Mix, den ein großes Läuferfeld verursacht. Außerdem nerven Läufer, die nicht mitbekommen, was um sie herum passiert. Sie hören nicht, dass man sich von hinten nähert. Sie machen nicht Platz. In einem engen Läuferfeld kann Laufen mit Musik schlicht gefährlich sein. Der Deutsche Leichtathletikverband verbietet übrigens die Nutzung von Musikplayern im Wettkampf.
Meine nächsten langen Trainingsläufe werde ich wegen der guten Erfahrungen vom vorigen Lauf wohl wieder mit Musik bestreiten.
In Berlin vor der Musik weggelaufen
Viele Laufveranstalter betonen die gute Stimmung am Streckenrand und weisen gerne darauf hin, dass zahlreiche Bands die Marathonläufer zu Bestleistungen anregen sollen. Naja, insbesondere beim Berlin-Marathon hat das bei mir zwar irgendwie funktioniert, aber vermutlich nicht so, wie sich der Veranstalter das vorgestellt hat. Ich bin vor der Musik geflüchtet. Mal ehrlich, liebe Hobbymusiker: Wenn ich laufe, brauche ich Beat. Musik soll mich antreiben. Sie soll Kraft und Spaß vermitteln. Dafür brauche ich etwas mit Power. Und was, liebe Berliner, steht in der Hauptstadt am Streckenrand? Jazz-Kombos, Streichquartette, lahme Classic-Rock-Kapellen... Ich habe irgendwo hinter Kilometer 30 laut geflucht, dass ich dem nächsten Saxophonisten sein Instrument in den Hals schiebe - aber okay, wütendes Adrenalin pusht ja auch. Ihr meint es vermutlich nett, aber ein Marathonlauf ist keine Matinee und kein Jazz-Frühschoppen.
In Hamburg wiederum wünschte ich mir Ohrenstöpsel, als auf den letzten sieben Kilometern plötzlich ein Mitläufer neben mir auftauchte, der sich ohne Unterlass räusperte. Vermutlich habe ich die Vier-Stunden-Marke nur geknackt, weil ich diesem schrecklichen Geräusch entfliehen wollte. Für ähnlichen Antrieb sorgen bei mir noch klirrende Schlüssel, vor allem dann, wenn ich sie am Leib trage. Und wenn ich mal morgens laufe und auf dem Rückweg Brötchen holen will, nehme ich grundsätzlich einen Fünf-Euro-Schein mit, weil ich mit rhythmisch klimperndem Kleingeld keine zehn Minuten laufen könnte. Es macht mich kirre.
Laufparade statt Loveparade
Ich träume ja von einer Art Loveparade für Läufer, eine Laufparade sozusagen. Ich würde gerne mal auf einer Laufverantaltung laufen, bei der unentwegt harte Beats aus den Boxen dröhnen und den Läufern so richtig Feuer unterm Hintern machen. Gibt's das vielleicht schon irgendwo? Über Tipps würde ich mich freuen.
Ja, was die Musikauswahl angeht, funktioniert bei mir längst nicht alles. Es muss etwas mit Beat sein. Einige Remixe von Depeche Mode bieten sich an. Von David Guetta und Avicii (ganz besonders "Levels") geht fast alles. Es gibt Loveparade-Sampler, die bei mir sehr gut funktionieren. Doch es gibt einige Songs, bei denen ich mich besonders freue, wenn der Zufallsgenerator sie endlich "dran nimmt".
Meine Top 10 der Laufsongs:
- Born Slippy (Nuxx Remix) - Underworld
- Enjoy the silence 04 (Reinterprated by Mike Shinoda) - Depeche Mode
- Personal Jesus (The Stargate Mix) - Depeche Mode
- Route 66 (Beatmasters Mix) - Depeche Mode
- I love it - Icona Pop
- Punching in a dream - The Naked and Famous
- Single-Bilingual - Pet Shop Boys
- Fire your guns - AC/DC
- The world belongs to us (Live at Budokan Mix) - Informatik
- For your own good - Pet Shop Boys