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Die Krone ist heilig. Niemals darf der Triumphator des Ironman auf Hawaii den Siegerkranz bei der Siegerehrung abnehmen – wer das tut, entwertet die Insel und ihre Götter. Normann Stadler, der letzte deutsche Weltmeister über die 3,8 Kilometer Schwimmen im aufgewühlten Pazifik, 180 Kilometer Radfahren durch die flirrende Lavawüste und 42 Kilometer Laufen auf dem glühenden Asphalt, beging einst diesen Frevel, weshalb der mittlerweile 38-Jährige persönlich bei den Stammeshäuptlingen Abbitte leisten und sich einer spirituellen Reinigung unterwerfen musste.

Fünf Jahre nach der Energieleistung des nach einer Herzoperation zurückgetretenen und diesmal nur als Tourist angereisten Ausdauerkönigs stehen die Chancen gut, dass wieder ein Deutscher im bedeutendsten Triathlon-Wettkampf der Welt triumphiert (Start Samstag 18.30 Uhr MESZ).

Andreas Raelert erzählt dieser Tage gerne die Geschichte, wie ihn 1993 eine Fernsehdokumentation über genau diesen mörderisch anmutenden Dreikampf zu Wasser und zu Lande inspirierte. Lange war der Modellathlet allein auf der Kurzstrecke unterwegs, er nahm 2000 und 2004 an den Olympischen Spielen teil, doch zum Sieganwärter reifte der Rostocker erst nach seinem Wechsel auf die Ironman-Distanz im Jahr 2008. Seine Empfehlung ist nun nicht nur die unglaubliche Weltbestzeit von 7:41:33 Stunden, aufgestellt in diesem Sommer in Roth, sondern auch eine unvergleichliche Tempohärte in allen drei Disziplinen.

„Entscheidend sind nicht die Beine und der Körper, sondern der Kopf“

Längst weiß der 35-Jährige, dass all dies für den Coup auf Big Island noch nicht ausreicht, nachdem er 2009 als Dritter und 2010 als Zweiter ins Ziel kam: „Entscheidend sind nicht die Beine und der Körper, sondern der Kopf.“ Kaum ein Ironman hält so viele unliebsame Überraschungen bereit. „Manchmal hat man das Gefühl, es geht nur noch bergauf“, gesteht der Topfavorit. „Es gibt eine Handvoll Jungs, die haben die gleichen Möglichkeiten wie ich.“

Einer der Hauptkonkurrenten ist Timo Bracht. Der in Eberbach beheimatete Triathlet ist von der Sehnsucht getrieben, bei seinem elften Hawaii-Start seine sorgsam geplante Sportler-Karriere zu krönen. Die gesamte Jahresplanung ist darauf abgestellt. „Ich war nie so gesund, nie so fit, nie mental so stark!“ Zur fokussierten Strategie des 36-Jährigen zählt auch, sich bereits seit einem Monat vor Ort vorzubereiten. Als Skifahrer und Surfer ist er Quereinsteiger („Mit 18 habe ich erst richtig Kraulen gelernt“) und Querdenker („Nur wer vom Highspeed-Modus mal runterschaltet, verhindert, dass er seinen Körper plündert“).

Mit Außenseiterchancen startet der Münchener Faris Al Sultan, der 2005 selbst König auf Kona war. Der Münchener, amtierender Europameister, legt sich fest – Timo Bracht wird sich über diese Prognose nicht freuen: „Wenn der Sieg wieder nach Deutschland geht, dann nach Rostock.“