Leipzig. . Dachverband und Handball-Bundesliga haben sich lange gestritten. Mit Dagur Sigurdsson sind sich nun beide Parteien einig, den richtigen Nachfolger für den ehemaligen Bundestrainer Martin Heuberger zu haben. Diese Zäsur im deutschen Handball soll der Auftakt zu einer neuen Harmonie sein.

Sie siechte in den letzten Jahren dahin, die deutsche Handballnationalmannschaft. Die EM 2014 verpasst, bei der WM 2015 in Doha dürfen die besten Handballprofis nur dank einer Wildcard mitspielen. Insofern wirkte der Standort, den der Deutsche Handballbund (DHB) am Dienstag zur Präsentation des neuen Bundestrainers wählte, die wuchtige Zentrale der Allgemeinen Ortskrankenkasse in Leipzig, wie ein Symbol.

Nun endlich soll Dagur Sigurdsson als Cheftrainer ab 1. September dem größten Patienten des deutschen Handballs wieder Leben einhauchen. Der Isländer unterschrieb einen Vertrag bis 2017, inklusive einer Option bis 2020, denn das erklärte Fernziel des DHB ist die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Tokio.

Sigurdsson ist erste Wahl

„Erste Wahl“, nannte DHB-Präsident Bernhard Bauer den Nachfolger des unglücklichen Martin Heuberger. „Wir wollten den besten Trainer für den deutschen Handball, unabhängig von seiner Nationalität“, ergänzte der DHB-Vizepräsident Leistungssport, Bob Hanning, über Sigurdsson, der nach dem Kroaten Vlado Stenzel (1974 bis 1982) erst zweiter Ausländer in dieser Funktion ist.

Eine Überraschung war diese Wahl nicht mehr. Der Trainer der Füchse Berlin wird zunächst in Doppelfunktion die DHB-Auswahl und die Füchse betreuen und sich im Sommer 2015 auf die Nationalmannschaft konzentrieren. „Ich bin sehr stolz“, sagte der 41-Jährige, der die Füchse seit 2009 mit großem Erfolg coacht. „Es ist eine große Belastung. Aber ich habe keine Angst oder Zweifel, es sind ein paar Monate, wo ich viel arbeiten muss, aber das werde ich überleben.“ Wenn seine Frau darüber nicht jammere, dürfe das niemand.

Auftakt zu einer neuen Harmonie 

Eine kleine Sensation aber ist die Einmütigkeit, mit der sich die Verantwortlichen, moderiert von DHB-Boss Bauer, in den letzten Wochen auf die Besetzung dieses Amtes geeinigt haben. „Er ist absolut die beste Wahl“, sagte auch Uwe Schwenker, Präsident der deutschen Handballbundesliga (HBL), die in dem Entscheidungsprozess eng eingebunden war. „Das zeigt, dass wir den Weg gemeinsam gehen wollen. Diese Entscheidung ist in Ruhe und mit Bedacht getroffen worden, unter Einbeziehung aller wichtigen Akteure, und wird von allen mitgetragen werden.“

In den letzten Jahren hatten sich die Funktionäre des Dachverbandes und der HBL gestritten wie die Kesselflicker. Bei der Ursachenforschung, warum das Aushängeschild keine Erfolge mehr feierte, hatte man dem jeweils anderen die Schuld in die Schuhe geschoben. Womöglich wird man die Personalie Sigurdsson irgendwann als Zäsur im Handball einordnen: als Auftakt zu einer neuen Harmonie.

Heuberger wird nicht Co-Trainer

Sigurdsson will nun erst die Lage sondieren. Dazu bleibt ihm Zeit bis zum ersten Lehrgang Mitte September, der auf die Länderspiele am 20. und 21. September vorbereitet. Aber die nachrückenden Talente im deutschen Handball, etwa Fabian Wiede und Paul Drux (Füchse Berlin) und Tim Suton (Rhein Neckar-Löwen), dürfen sich Hoffnungen auf eine Nominierung machen. „Meine Philosophie ist eher mit jungen Spielern“, sagte Sigurdsson. „Das heißt aber nicht, dass ich nicht alte Spieler brauche.“ Er werde nun zunächst die erfahrenen Spieler suchen, die als Führungsfiguren fungieren sollen. „Das mache ich, bevor ich gucke, wo die Talente sind.“

Wer Sigurdsson auf dem Weg zur WM in Katar als Co-Trainer unterstützen wird, ist unklar. Er bestätigte zwar Gespräche mit seinem Vorgänger Martin Heuberger („das fand ich eine sehr interessante Idee“). Aber die Idee scheint inzwischen verworfen. „Er wird es wohl nicht werden. Wir wollen frischen Wind haben.“ Eine Frische, die freilich auch nötig war nach vielen deprimierenden Jahren.