Aschaffenburg. Die deutschen Handballer haben erstmals eine EM-Endrunde verpasst. Eine Trainerdiskussion scheint unvermeidlich, fast nötig - auch, wenn sich die Nationalspieler demonstrativ hinter Martin Heuberger stellen.

Das historische Debakel für die deutschen Handballer ist endgültig perfekt: Weil am Sonntagabend österreichische Schützenhilfe ausblieb, hat die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) erstmals in ihrer Geschichte eine EM-Endrunde verpasst.

Der 38:19 (21:12)-Sieg am Samstag gegen Israel in Aschaffenburg war nur noch Ergebniskosmetik, letzte Gewissheit über das Aus für die EM im Januar in Dänemark brachte einen Tag später der überraschende 30:25 (12:12)-Sieg von Team Austria gegen Russland - ein Neun-Tore-Vorsprung für den krassen Außenseiter Österreich hätte es mindestens sein müssen. So aber ist das DHB-Team, der stolze Weltmeister von 2007, an einem weiteren Tiefpunkt angelangt.

Bundestrainer Martin Heuberger ließ sich am Sonntagabend auf einem privaten Termin telefonisch über den Fortgang der Dinge unterrichten. "Ich wollte nicht selbst vor dem Liveticker sitzen, das hätte ich nicht ausgehalten", sagte Heuberger dem SID: "Aber wir haben das Ding selbst vergeigt." Dennoch: Die Qualifikation um ganze vier Tore verpasst zu haben, bewertete auch er als "bitter".

Gestalt hatte das Horror-Szenario schon am vergangenen Mittwoch mit der Pleite in Montenegro (25:27) angenommen. Die Rechenspielchen, doch noch als bester Gruppendritter nach Dänemark fahren zu dürfen, strengte schon am Samstagabend niemand mehr an.

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Brand sieht "systematische" Fehler

"Jetzt sollten es eigentlich alle kapiert haben, dass systematisch Dinge falsch gemacht wurden, wenn man die Bedeutung des Handballs hochhalten will', sagte DHB-Manager und Ex-Bundestrainer Heiner Brand dem SID: "Ich habe 15 Jahre über dieses Thema gesprochen. Es muss eine gemeinsame Herangehensweise und auf Dauer ein Weg gefunden werden, um wieder oben dabei zu sein." Die DHB-Auswahl hatte zuvor bereits die Olympischen Spiele in London verpasst.

Heuberger blieb am Sonntagabend gefasst. "Ich muss mich den Dingen jetzt natürlich stellen", sagte der Bundestrainer, betonte aber, er habe das Gefühl, dass die Diskussionen nun 'in die richtige Richtung gehen".

Zumindest die Nationalspieler stehen wie eine Wand hinter ihrem Coach. "Der Bundestrainer hat so viel richtig gemacht in den letzten Jahren, dass es eine Frechheit ist, so etwas jetzt zu diskutieren', sagte Patrick Groetzki dem SID: "Martin Heuberger leistet seit seinem Amtsantritt eine überragende Arbeit.' Kapitän Oliver Roggisch mahnte im SID-Gespräch, "dass alle vernünftig bleiben und ihm die Zeit geben, die er gefordert hat - am Trainer lag es am wenigsten. Das war der gleiche, der bei der WM in Spanien einen Riesenjob gemacht hat."

Ob und wie es mit Heuberger, der sein Team im Winter zum WM-Fünften machte, weitergeht, wird sich zwar erst nach der Wahl des neuen Verbandspräsidiums im September in Düsseldorf entscheiden - Rückhalt bekam der Coach allerdings schon jetzt von seinem Vorgänger Brand. "Ich gehe davon aus, dass er die Zeit bekommt", sagte der Weltmeistertrainer, der die Gründe für das Seuchenjahr 2013 ohnehin nicht auf der Trainerbank, sondern, wie schon seit Jahren, in dem Strukturproblem der Liga sieht.

Deutsche Spitzenclubs ohne deutsche Nationalspieler

Auch Heuberger beklagte deshalb die altbekannte Problematik. "Wenn ich mir dann das Final Four der Champions League anschaue - da sind zwei deutsche Mannschaften dabei, aber kein deutscher Nationalspieler auf der Platte", sagte er: "Wenn wir international wieder die erste Geige spielen wollen, müssen wir es schaffen, dass unsere Nationalspieler bei solchen Highlights die Führung übernehmen dürfen." Das sei entscheidend "für den deutschen Handball - alles andere ist egal."

Deutlich weniger konstruktiv äußerte sich Altstar Stefan Kretzschmar, der in der Welt am Sonntag von einem "Fiasko" sprach. "Die Entwicklung ist bedrohlich, meiner Meinung nach erlebt der deutsche Handball derzeit seine größte Krise überhaupt", sagte er. Kretzschmars ehemaliger Trainer Brand äußerte gelassen: "Das ist sicherlich bitter. Aber wir können uns ja im nächsten Jahr für die Weltmeisterschaft qualifizieren und dann ist das schnell vergessen. Das haben andere Sportarten auch überstanden."

Gegen Israel verabschiedete sich die DHB-Auswahl immerhin mit Anstand in die Krise. Gegen das allerdings zweitklassige Team trat Heubergers Mannschaft streckenweise furios auf, zur Halbzeit war die Partie entschieden.