Granollers. Das Trickwurf-Verbot hat gewirkt: Mit konsequenter Wurfausbeute haben die deutschen Handballer bei der WM in Spanien den zweiten Sieg gefeiert. Durch den 31:27-Erfolg gegen Argentinien ist das Achtelfinale in greifbare Nähe gerückt.
Er ballte die Faust. Zweimal parierte Carsten Lichtlein in der 58. Minute, gegen Angreifer, die völlig frei vor ihm aufgetaucht waren. Mit insgesamt 13 Paraden verhinderte jener Mann, der stets abseits der Scheinwerfer steht, im Palacio de Deportes de Granollers eine Blamage für die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB). Die Fans feierten Lichtlein nach dem 31:27 (13:13)-Sieg gegen Argentinien, die Freude bei den deutschen Profis aber war verhalten. „Hauptsache gewonnen, egal wie“, sagte der Lemgoer Tormann hinterher. „Ich bin auch nur ein Teil des Teams, alle haben dazu beigetragen.“ Auch von Bundestrainer Martin Heuberger gab‘s ein Extralob. „Er war sofort da. Das hat er hervorragend gemacht.“
Torwart Lichtlein stiehlt Heinevetter die Show
Ohne die vielen Paraden Lichtleins, der den völlig indisponierten Silvio Heinevetter (Füchse Berlin) in der 25. Minute ersetzt hatte, hätte das Team bei dieser 23. WM in Spanien womöglich eine weitere historische Niederlage erlitten. „Lütti hat die Big Points für uns gemacht“, lobte ihn Kapitän Oliver Roggisch (Rhein Neckar-Löwen). Es hatte teilweise Chaos geherrscht. Ein wildes Durcheinander bei den völlig verunsicherten deutschen Profis.
Mit dem Höhepunkt, dass die deutsche Mannschaft einmal nur mit fünf Spielern auf der Feld war, obwohl gar keine Zeitstrafe ausgesprochen war. Manchmal habe man, räumte Heuberger ein, selbst den Überblick verloren. Dennoch, mit nun 4:2-Punkten kann das Team im heutigen Spiel gegen Montenegro (18.30 Uhr, live im ZDF) vorzeitig für das Achtelfinale qualifizieren. Bei einem Sieg im letzten Vorrundenspiel gegen Olympiasieger Frankreich wäre dann sogar noch der Gruppensieg drin.
Diego Simonet spielte Jojo mit der deutschen Deckung
Alle Augen waren zunächst auf Heinevetter gerichtet. Bei der Niederlage am Sonntag gegen Tunesien (23:25) am Sonntag hatte der 28-Jährige, der unter Bundestrainer Heuberger als Nummer Eins gesetzt ist, lediglich sechs Bälle gehalten. Gegen Argentinien stieg die Formkurve des Mannes aber nicht wirklich. Als er den ersten Ball parierte, waren schon knapp 15 Minuten vergangen, da stand es 8:7 für Deutschland. Speziell Diego Simonet, der quirlige 23jährige Rechtshänder, der wohl zum französischen Meister HB Montpellier wechseln wird, spielte Jojo mit der deutschen 6:0-Deckung und erzielte in den ersten zwölf Minuten fünf (!) Tore.
Auch der deutsche Positionsangriff hatte enorme Probleme mit der aggressiven 3:2:1-Abwehr des Südamerikameisters. Der Weltmeister von 2007 war angewiesen auf Tempogegenstöße, die Dominik Klein (THW Kiel) und Patrick Groetzki (Rhein Neckar-Löwen) allesamt nutzten. So zog der Favorit bis zur Pause auf 17:13 davon. Als die Pausensirene ertönte, schlurfte Heinevetter, den Kopf gebeugt, als letzter Profi in die Kabine; er war in der 25. Minute ausgewechselt worden. Zwei Paraden notierte die Statistik, bei 14 Würfen. Heinevetter war wieder ein Totalausfall. „Es wäre schön, wenn die Torhüter mal einen Ball halten“, zeterte Kapitän Roggisch zur Pause.
Argentinier kämpften verbissen um die Sensation
Dabei ist Heinevetter ja ein großes Versprechen, er sollte ja die große deutsche Torhütertradition fortsetzen, die Leute wie Manfred Hofmann (Großwallstadt), Wieland Schmidt (SC Magdeburg) und der „Hexer“ Andreas Thiel (Gummersbach) begründet haben. Und in der Bundesliga und in der Champions League gibt es ja auch Tage, an denen Heinevetter die besten Werfer der Welt in Karikaturen verwandelt. Aber in der Nationalmannschaft hat er diesen Anspruch bislang nie erfüllt.
Gestern stahl Lichtlein ihm die Show. Ohne dessen Paraden hätte der Favorit den Gegner nicht bis zum 24:19 (47.) distanzieren können. Der deutsche Positionsangriff kam danach mit der 3:3-Deckung, die Argentinien seit der 45. Minute spielte, einfach nicht zu Recht. Die Argentinier kämpften verbissen um die Sensation, kamen gefährlich heran. Aber am Ende scheiterten sie an Lichtlein.