Essen. Am Donnerstag ist Tabellenführer Flensburg zu Gast in Essen. Unter normalen Umständen wäre es ein Spiel für die große Bühne in der Grugahalle.

Beim Tusem Essen haben sie nach dem Aufstieg geträumt: von einem Heimspiel in der Grugahalle gegen einen der ganz Großen der Handball-Bundesliga. Ein Spiel als Erinnerung an alte Zeiten, als der Klub in Essens legendärer Veranstaltungsstätte den Großteil seiner Heimspiele austrug, als der Tusem selbst noch zu den führenden Klubs des Landes gehörte und in den 1980er-Jahren dreimal Deutscher Meister wurde. In dieser Saison ist Tusem Essen erneut Bundesligist, am Donnerstag kommt Tabellenführer SG Flensburg-Handewitt (19 Uhr/Sky).

Es ist eines der Spiele, das Niels Ellwanger gerne in einer der bekanntesten Handballarenen des Ruhrgebiets gesehen hätte. Doch Corona hat diese Träume des Tusem-Geschäftsführers schon vor langer Zeit zerstört, statt wie einst angedacht in gutgefüllter Grugahalle wird heute vor leeren Rängen in der viel kleineren Halle Am Hallo gespielt. Vom Träumen abhalten lassen sich die Essener trotzdem nicht: davon, dass dem Tusem gegen Flensburg eine Überraschung gelingt und der Aufsteiger ins Kopf-an-Kopf-Rennen um die Meisterschaft zwischen Flensburg und dem THW Kiel eingreifen kann. Ellwanger schmunzelt bei diesem Gedanken: „Es ist zwar eher unwahrscheinlich. Aber träumen darf man davon ruhig.“

„Mit blauem Auge davongekommen“

Niels Ellwanger gehörte einst zu Deutschlands besten Kanuten, er startete bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul. Das setzte unzählige Trainingskilometer voraus, viel Schweiß und Unmengen harter Arbeit. Die zurückliegenden Monate aber waren eine ebenso große Herausforderung für den heute 55-Jährigen und sein Team: Der Tusem spielt ums Überleben. Sportlich wie wirtschaftlich.

Sportlich, weil es in dieser Ausnahmesaison vier statt zwei Absteiger geben wird. Wirtschaftlich, weil unter anderem die einkalkulierten Zuschauereinnahmen fehlen. Doch der Geschäftsführer beruhigt, er sieht die Ziellinie: „Wir schaffen das, wir werden mit einem blauen Auge durch die Saison kommen.“ Möglich wird dies durch Gehaltseinschränkungen, durch staatliche Corona-Hilfen und durch „Sparen an allen Ecken und Enden. Der eingeschränkte Spielbetrieb bringt ja auch geringere Kosten mit sich“, sagt Ellwanger, der dennoch lieber vor vollen Tribünen spielen würde. „Der Krimi gegen die Füchse Berlin oder unsere jüngsten Heimsiege gegen den TVB Stuttgart und den TSV GWD Minden – da hätte ich schon gerne die Fans dabei gehabt.“

So wie auch heute: Ligaprimus Flensburg kommt und sehnt sich nach vielen Corona-Zwangspausen nach Spielminuten. „Man sieht auch, dass unsere Jungs ganz viel Lust haben zu spielen, dass sie jedes Spiel genießen und Selbstvertrauen haben“, sagte SG-Trainer Maik Machulla nach dem jüngsten 29:23-Sieg gegen den SC DHfK Leipzig, nachdem zuvor auch Rivale Kiel im Nordderby bezwungen worden war. Einen möglicherweise fatalen Ausrutscher gegen einen Aufsteiger will das Team um den derzeit bärenstarken Spielmacher Jim Gottfridsson (28) deshalb vermeiden.

Chance auf den Klassenerhalt besteht

Ohnehin ist jedes Spiel wichtig, besteht doch die Gefahr, dass die Liga durch weitere coronabedingte Spielausfälle vor den Olympischen Spielen gar nicht zu Ende gebracht werden kann. Kiel, Flensburg und die MT Melsungen haben beispielsweise fünf Spiele weniger absolviert als die Rhein-Neckar Löwen. Inmitten des Spielplan-Durcheinanders rechnet sich der Tusem noch Chancen auf den Klassenerhalt aus, auf den rettenden 16. Platz sind es nur vier Zähler. „Alles ist möglich“, sagt Niels Ellwanger. „Wir haben bewiesen, dass wir gegen fast alle Teams mithalten können. Wir werden bis zum letzten Spieltag alles geben.“

Und wenn die Saison plötzlich abgebrochen wird, die Quotientenregel greift und es den Tusem auf diesem Weg zurück in die Zweitklassigkeit ziehen würde? Ellwanger: „Das Team für die kommende Saison steht und ist absolut wettbewerbsfähig. Dann werden wir alles daran setzen, so schnell wie möglich wieder nach oben zu kommen.“