Frankfurt/Main. Wegen der Corona-Krise steht der Handball vor einer schwierigen Saison. Eine Absage der Weltmeisterschaft kommt für die Top-Funktionäre von DHB und HBL aber ebenso wenig in Betracht wie eine weitere Saisonverzögerung.
Bob Hanning wählte drastische Worte für den verbalen Konter, Andreas Michelmann drückte sein Unverständnis etwas diplomatischer aus, und auch Uwe Schwenker redete Klartext.
Mit Kritik und einem deutlichen Appell an die Solidarität haben die deutschen Handball-Bosse auf die Forderung der Chefs der Topclubs THW Kiel und SG Flensburg-Handewitt nach einer Absage der WM 2021 in Ägypten und einer Verlegung des Bundesliga-Saisonstarts in den Januar reagiert.
"Ich finde es ehrlich gesagt sehr anmaßend, einem Land wie Ägypten die Fähigkeit, eine WM auszurichten, in dieser Form abzusprechen", schimpfte DHB-Vizepräsident Hanning in einem Interview bei Sport1. "Ich bin mir sehr sicher, dass die Ägypter genauso in der Lage sind, hygienische Standards herzustellen, wie wir sie in Deutschland auch vorfinden." DHB-Präsident Michelmann betonte in einer Verbandsmitteilung: "Der gesamte deutsche Handball profitiert von einer Weltmeisterschaft der Männer im Januar."
Kiels Aufsichtsratsvorsitzender Marc Weinstock und Flensburgs Beiratschef Boy Meesenburg hatten in einem gemeinsamen Interview der "Sport Bild" für eine WM-Absage plädiert, weil sie bei dem Turnier vom 13. bis 31. Januar kommenden Jahres aufgrund der aktuellen weltweiten Corona-Lage eine erhöhte Infektionsgefahr und damit Auswirkungen für die Clubs befürchten.
Für den Deutschen Handballbund ist dies keine Option. "Unsere Teilnahme ist wichtig für die nationale und internationale Positionierung des deutschen Handballs und muss daher unser gemeinsamer Wille sein", sagte Michelmann. Durch die TV-Übertragungen von ARD und ZDF könne die Nationalmannschaft bei den WM-Spielen in der Primetime mit Reichweiten von bis zu zehn Millionen Zuschauern rechnen.
Hanning versetzte die Forderung der Nord-Clubs so richtig in Rage. "Im Rahmen der Völkerverständigung finde ich es traurig, so etwas einfach in den Raum zu stellen", polterte er. "Wenn der Weltverband eine WM vergibt und Ägypten zusichert, die Rahmenbedingungen zu schaffen, dann sehe ich keinerlei Grund für eine Verlegung. Ich weiß nicht, mit welcher Arroganz wir an Themenfelder herangehen. Ich empfinde dies als unangebracht und distanziere mich davon."
Der ägyptische Weltverbandspräsident Hassan Moustafa hatte in der Vorwoche seiner Hoffnung Ausdruck verliehen, dass die WM mit Fans in den Hallen durchgeführt werden kann und "das Licht am Ende des Tunnels nach der Coronavirus-Pandemie sein wird". Michelmann ist überzeugt, dass die IHF als Ausrichter und Ägypten als Gastgeber die Entwicklung der Corona-Lage im Blick haben: "Wir sind sicher, dass beide verantwortungsbewusste Entscheidungsträger sind."
Weinstock und Meesenburg würden das Turnier dagegen lieber ausfallen lassen - und auch den Bundesliga-Saisonstart um mindestens drei Monate verschieben. Diesem Ansinnen erteilte HBL-Boss Schwenker eine klare Absage. "Ein Saisonstart am 1. Oktober bleibt fest in unserem Fokus", sagte er und schickte eine deutliche Botschaft gen Norden: "Wir sitzen alle in einem Boot. Sämtliche Entscheidungen wurden bis dato im Bewusstsein großer Solidarität getroffen. Diese gemeinsamen Entscheidungen besitzen weiterhin uneingeschränkte Gültigkeit."
DHB-Vize Hanning, der zugleich Manager des Bundesligisten Füchse Berlin ist, lehnt einen späteren Saisonbeginn ebenfalls ab. "Die Formel 1 fährt, die Fußball-Bundesliga spielt - da frage ich mich schon, warum wir keinen Handball spielen sollen", sagte der 52-Jährige.
Pikantes Detail des Streits: Bereits am 26. September sollen ausgerechnet Meister Kiel und Vizemeister Flensburg in Düsseldorf um den Supercup spielen. Ob zum Saisonstart Zuschauer zugelassen sind, ist wegen der Corona-Lage derzeit ungewiss. Schwenker appellierte daher: "Gewiss, wir stehen vor einer sehr schwierigen Saison, die allen Beteiligten sehr viel zumuten wird. Umso wichtiger ist es, dass wir solidarisch und wachsam auf unserem Kurs bleiben und uns trotz aller individueller Nöte weiterhin geschlossen in den Dienst des großen Ganzen stellen."
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