Düsseldorf. Der Nationalspieler spricht vor dem Testländerspiel gegen die Schweiz im Interview über Kindergarten-Gespräche und die Heim-WM.

Manchmal muss man zweimal hinsehen, um Fabian Böhm zu erkennen. Steht er nicht auf dem Spielfeld, tauscht er die Kontaktlinsen gegen eine große Brille. Eine kleine optische Veränderung mit großer Wirkung, Comicfigur Clark Kent täuscht so schon seit Jahrzehnten über seine Geheimidentität als Superman hinweg. Böhm, der 29-jährige Nationalspieler, führt kein Doppelleben, aber eine Gemeinsamkeit ist doch vorhanden: Der Rückraumspieler ist während der Heim-WM zu einer Art Superheld des Handballs geworden. Heute trifft er mit dem Nationalteam in Düsseldorf in einem Testspiel auf die Schweiz (14 Uhr/Sport1).

Herr Böhm, Bundestrainer Christian Prokop hatte sie vor der WM im Januar als seinen „Krieger“ bezeichnet. Mit diesem Spitznamen werden Sie nun leben müssen, oder?

Böhm: Ja (lacht). Auf der einen Seite ist das natürlich eine riesige Auszeichnung, wenn der Bundestrainer einen so bezeichnet. Er hat mir dadurch ja auch Vertrauen ausgesprochen und mir eine Rolle gegeben, die sehr wichtig ist für das Team. Als der, der Emotionen, Aggressivität und überraschende Momente einbringt. Während des Turniers habe ich ja dann bewiesen, dass ich diese Rolle ausfüllen kann. Andererseits hat die Mannschaft die Bezeichnung natürlich auch zelebriert. Egal, was ich gemacht habe, ich war bei allen nur noch der Krieger. Da hat die Medaille natürlich zwei Seiten, wenn man von den Kollegen dauernd auf den Arm genommen wird (lacht).

Die WM ist jetzt knapp eineinhalb Monate her. Was hat sich in dieser Zeit für Sie verändert?

Böhm: Man merkt schon, dass sich die Wahrnehmung um ein Vielfaches erhöht hat. Ich war ja zu Beginn der WM ein Spieler, der noch nicht so viele Länderspiele auf dem Konto hatte, viele andere Etablierte standen ganz anders im Fokus. Nach der WM hat sich das geändert, mittlerweile werde ich häufiger erkannt und angesprochen, sei es in der Fußgängerzone oder im Kindergarten meines Sohnes.

Die Medaille war zum Greifen nah, am Ende war der vierte Platz aber auch ein Erfolg. Wie haben Sie die Zeit unmittelbar nach dem Ende des Turniers erlebt?

Böhm: Mit sehr gemischten Gefühlen. Es war großer Stolz dabei, dass wir so ein tolles Turnier gespielt haben. Andererseits war die Enttäuschung über das Verpassen der Bronzemedaille ebenfalls vorhanden. Es war ärgerlich, dass wir Vierter geworden sind, nachdem wir so viele gute Auftritte bei diesem Turnier hatten. Bei mir war danach schon eine gewisse Leere vorhanden. Es war schwer, den Fokus direkt wieder auf den Vereinshandball zu legen. Aber es musste gehen, es ging ja nahtlos über in den Bundesligabetrieb. Wenige Tage nach der WM standen schon das All-Star-Spiel und kurz darauf die erste Ligapartie an.

Sind Sie denn persönlich zufrieden mit der WM? Sie haben 24 Tore erzielt, wandelten sich vom Ersatzmann zu einem der prägenden Gesichter des deutschen Teams.

Böhm: Das Persönliche ist schön für mich, aber auch wenn es wie eine Floskel klingt: Ich hätte mich mehr über eine Medaille gefreut. Ich freue mich natürlich, dass ich beweisen konnte, dass ich auf diesem Niveau mitspielen kann. Ich hatte mir das zugetraut, keine Frage. Umso mehr hat es mich gefreut, dass Christian Prokop mir die Chance gegeben hat, und ich die Leistung auch abrufen konnte. Das hat mich gestärkt, das hat mir Selbstbewusstsein gegeben. Nun hoffe ich, dass ich dies bestätigen und weiterhin im Kreis der Nationalmannschaft eine feste Größe sein kann.

Sie kannten Christian Prokop schon vor seiner Zeit als Bundestrainer, in der Saison 2012/2013 war er Ihr Trainer beim damaligen Bundesligisten Tusem Essen. Wie hat er sich seitdem verändert?

Böhm: Ich finde, dass es schwer ist, einen Bundestrainer und einen Bundesligatrainer zu vergleichen. Das sind komplett unterschiedliche Aufgaben. Wir waren in Essen damals eine sehr junge Mannschaft, die nur um den Klassenerhalt, ums Überleben gekämpft hat. Wir waren Letzter, hatten viele Spiele verloren. Er kam und hat einen großen Umbruch geschafft, auch emotional. Das zeichnet ihn auch heute noch aus: Er schafft es immer wieder, alle Spieler mit ins Boot zu holen, er gibt allen ein gutes Gefühl und er gibt eine klare taktische Marschrichtung vor. Aber wie gesagt: Ein Vergleich ist schwer.