Belo Horizonte. Nach dem Einzug ins Finale der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien hat Bundestrainer Joachim Löw das Spiel Revue passieren lassen. “Wir sind der Leidenschaft der Brasilianer mit Ausdauer, Ruhe und Beharrlichkeit begegnet.“ Die Mannschaft sei “unbedingt bereit, das Finale jetzt auch zu gewinnen.“

Was sagen Sie zu diesem magischen Fußballabend?

Joachim Löw: Die Gefühle sind natürlich schön im Moment, klar. Wir haben gewonnen und sind im Finale. Wir sind den tiefen Emotionen und der Leidenschaft der Brasilianer mit Ausdauer, mit Ruhe, mit Klarheit und mit Beharrlichkeit begegnet. Wir hatten gesagt, wenn wir mutig und uns unserer eigenen Stärken bewusst sind, dann werden wir dieses Spiel gewinnen. Dass es ein Ergebnis gibt in dieser Höhe, konnte man nicht erwarten, weil es sind dann drei Tore in vier Minuten gefallen.

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Das war für den Gastgeber ein Schock. Spätestens nach dem 2:0 hat man gemerkt, dass die Brasilianer ein bisschen durcheinander waren. Das haben wir eiskalt ausgenutzt. Sie sind unter dem immensen Druck des Gastgebers dann auch eingebrochen.

Wo ordnen Sie diesen Sieg in der deutschen Fußball-Geschichte ein? Und was bedeutet er für das Finale?

Joachim Löw: In einem Halbfinale gab es dieses Ergebnis natürlich noch nie bei einem WM-Turnier. Ich ordne es so ein, dass der Gastgeber diesem Druck nicht standhalten konnte.

Wir haben das auch 2006 erlebt, als wir im Halbfinale gegen Italien verloren. Der Druck war immens, alle wollten, dass man ins Finale einzieht. Wir haben damals in der 119. Minute das Spiel verloren. Ich kann es nachempfinden, wie es Scolari geht, der brasilianischen Nation und der brasilianischen Seele. Man sollte das Ergebnis aber jetzt auch nicht zu hoch hängen. Wir müssen jetzt Demut haben und uns mit aller Ruhe vorbereiten auf das Finale.

Miroslav Klose hat sein 16. WM-Tor geschossen und den Brasilianer Ronaldo als Rekordschütze übertroffen. Was sagen Sie dazu?

Joachim Löw: Das bedeutet uns allen wahnsinnig viel. Das ist ein Rekord, der in Zukunft vielleicht nur von Thomas Müller nochmal gebrochen werden kann. Er könnte da mal irgendwie einschreiten. Aber das ist eine tolle Sache, vor allem für den Miro. In der Historie der WM die meisten Tore erzielt zu haben, das ist eine ganz überragende Leistung. Wenn man es jemandem gönnt, dann dem Miro, der über eine so lange Zeit auch in seinem Alter immer noch auf einem ganz hohem Niveau spielen kann. Er ist torgefährlich wie eh und je.

Haben wir den besten Toni Kroos überhaupt gesehen?

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Joachim Löw: Toni Kroos war eigentlich auch schon in den letzten zwei Länderspieljahren nach der EM ein Spieler, der dem Team wahnsinnig viele Impulse gibt, der der Mannschaft unglaublich viel mitgibt im fußballerischen Bereich. Er ist immer anspielbar. Die Dinge, die er macht, haben Hand und Fuß. Im Moment hat er eine sehr gute Form. Unser Mittelfeld ist bei dieser WM immer sehr dominant. Und Toni Kroos hat dazu einen großen Teil beigetragen.

Ist Deutschland jetzt im Finale unbesiegbar?

Joachim Löw: Niemand sollte sich unbesiegbar fühlen. Holland wie Argentinien haben eine sehr gute WM gespielt, haben überragende Spieler in ihren Reihen. So ein Spiel wie das Halbfinale kann und wird es nicht werden. Der Gegner wird sich im Finale gegen uns ganz anders präsentieren.

Wie sehr hat Brasilien Thiago Silva in der Abwehr und natürlich auch Neymar gefehlt?

Joachim Löw: Klar, wenn zwei solche Spieler ausfallen, ist es nicht immer ganz einfach. Dante kennen wir von der Bundesliga, er ist auch ein überragend guter Innenverteidiger. Klar, kann er so eine Lücke von Thiago Silva auch mal ausfüllen. Aber nach diesen schnellen Toren hat man gemerkt, dass die ganze brasilianische Mannschaft unter Schock stand. Im Mittelfeld von Brasilien gab es große Lücken, nicht nur in der Abwehr.

Wie wichtig war Sami Khedira gerade in der Anfangsphase als physisches Gleichgewicht gegen die robusten Brasilianer?

Joachim Löw: Sami hat sich nochmal wahnsinnig gesteigert. Es war gut, dass er zwischendurch mal zwei Spiele Pause hatte. Das hat er einfach gebraucht, das war notwendig. Nach einer halbjährigen Verletzungsphase war klar, dass er nicht sieben Spiele auf diesem Niveau durchsteht. Diese physische Präsenz vom Sami, diese Dynamik im Zweikampf und vor allem auch, dass er aus dem Mittelfeld immer wieder in die Spitze stößt, ist schon eine große Stärke von Sami. Wenn er diese Kraft hat, macht er diese Wege. Dann geht er mit in die Spitze, dann ist es immer wieder schwer für die Abwehr. Wer soll ihn übernehmen? Das ist schon klasse gewesen, dass er in der ersten Halbzeit permanent mit vorne reinging.

Was bedeutet diese Niederlage für die Brasilianer?

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    Joachim Löw: Diese Niederlage ist für die Brasilianer und für die Mannschaft nicht so einfach wegzustecken. Das ist klar. Trotzdem muss man sagen, hat Brasilien bis zu diesem Spiel eine sehr gute WM gespielt. Es ist wahnsinnig toll, was Brasilien hier als Ausrichter in den Stadien auf die Beine gestellt hat. Ich finde, es ist ein fantastisches Land mit diesen vielen freundlichen Leuten und der Begeisterung für den Fußball. Natürlich ist diese Niederlage schmerzhaft und sie wird schwer zu verdauen sein.

    Worauf kommt es jetzt in den Tagen bis zum Finale besonders an?

    Joachim Löw: Es wird natürlich wichtig sein, dass wir und jetzt erholen, dass sich die Spieler regenerieren. Es wird aber wichtig sein, dass wir konzentriert bleiben, dass wir ruhigbleiben. Ich glaube, dass die Mannschaft absolut auf dem Boden ist, dass sie geerdet ist. Ich habe in der Kabine keine Euphorie und kein völliges Abgehobensein gesehen. Diese Mannschaft weiß, dass es schwer wird am Sonntag. Ich glaube, dass diese Mannschaft unbedingt bereit ist, das Finale jetzt auch zu gewinnen. (dpa)