Rio de Janeiro. Die FIFA rühmt ihr ausgeklügeltes Ticketsystem. Doch auch bei dieser WM gab es offenbar großangelegte Schiebereien. Der Weltverband schweigt zu Namen und Details. Die Polizei ermittelt, und der Sohn von FIFA-Vize Grondona gibt ein TV-Interview, das Fragen aufwirft.

Der FIFA droht der möglicherweise größte WM-Ticketskandal seit dem Turnier 2006 in Deutschland - inklusive einer erneuten Verwicklung von Funktionären aus den eigenen Reihen. Die Ermittlungen der brasilianischen Polizei gegen eine Ticketschieberbande weiten sich aus. Nach elf vorläufigen Festnahmen sollen mindestens sieben weitere Personen festgenommen werden. Die FIFA machte keine Angaben zu Namen oder Details, versprach aber eine Bestrafung aller Beteiligten, unabhängig von deren Position oder Herkunft. "Jede Verletzung der Regeln wird sanktioniert werden", sagte FIFA-Sprecherin Delia Fischer am Freitag in Rio de Janeiro.

Für weiteren Wirbel sorgte ein TV-Interview von Humberto Grondona, dem Sohn von FIFA-Vizepräsident Julio Grondona. Der Argentinier bestätigte, Eintrittskarten für mehrere WM-Spiele, inklusive dem Finale weitergegeben zu haben. "Ich habe einen Freund, der in Argentinien bekannt ist und ich habe ihm einige Karten verkauft. Er hat seinerseits die Tickets an einen Freund gegeben. Was sie mit den Karten gemacht haben, weiß ich nicht. Glauben sie, ich würde meine Hände für 220 Dollar schmutzig machen? Die Wahrheit, mein Lieber, ist, dass ich keine Ahnung habe, wo die Tickets gelandet sind. Ich habe in gutem Glauben gehandelt", sagte Humberto Grondona dem argentinischen Sender TyC.

Dieses Vorgehen von Grondona junior verstößt gegen die FIFA-Regeln. Aus welchem Kontingent er seine Karten ursprünglich hatte, war zunächst nicht bekannt. Ob es sich bei den Grondona-Tickets auch um jene handelt, die von den brasilianischen Behörden im Rahmen der groß angelegten Polizeiermittlung konfisziert wurden, war allerdings noch unklar. Pikant sind die Aussagen allemal. Grondona senior ist einer der engsten Vertrauten von FIFA-Präsident Joseph Blatter.

Illegale Geschäfte mit Eintrittskarten bereits 2006

2006 hatten die damaligen Mitglieder des FIFA-Exekutivkomitees, Jack Warner und Ismael Bhamjee, illegale Geschäfte mit Eintrittskarten betrieben. Letzterer wurden umgehend aus Deutschland nach Botswana zurückgeschickt. Warner trat im Zuge des Korruptionsskandals um die FIFA-Präsidentschaftskandidatur von Mohamed bin Hammam 2011 von seinen Ämtern zurück

Angeblich soll diesmal ein nicht-brasilianischer FIFA-Mitarbeiter verwickelt sein, der Gast im Luxushotel Copacabana Palace in Rio ist. Dort wohnen die Topfunktionäre des Fußball-Weltverbandes - inklusive deren Chef Blatter - während der WM. Laut FIFA-Sprecherin Fischer sieht man derzeit keinen Bedarf, das Ticketsystem grundsätzlich infrage zu stellen. Jede konfiszierte Karte könne auf ihren Ursprung zurückverfolgt werden, eine Bestrafung der Schwarzmarktaktivitäten sei also möglich.

Die Behörden verfolgen den Verdacht, dass bei dem illegalen Ticketsystem auch Kontingente der FIFA genutzt wurden. Nach Angaben des ermittelnden Polizeibeamten Fábio Barucke signalisierte demnach einer der Festgenommenen Kooperationsbereitschaft. Von ihm stamme auch der Hinweis auf den Funktionär.

Schieberbande nimmt bis zu 665.000 Euro pro Spiel ein

Laut Barucke soll die Schieberbande bis zu zwei Millionen Reais (rund 665 000 Euro) pro WM-Spiel eingenommen haben. Im Zentrum der Ermittlungen stehe ein festgenommener Algerier, der möglicherweise Kontakte zur FIFA hatte. Als Zeuge soll auch Ex-Nationaltrainer Carlos Dunga verhört werden, der nach Medienangaben den Algerier mehrmals getroffen hatte. Die FIFA wolle zunächst weitere Informationen abwarten.

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"Die Preise variierten je nach Nachfrage wie an der Börse", sagte Barucke. "Es gab Tickets fürs Endspiel, die am Anfang 10 000 Reais (3330 Euro) und dann 15 000 Reais kosteten (5000 Euro). Sie sagten, dass, wenn Brasilien ins Finale kommt, die Preise bei 35 000 Reais (11 600 Euro) lägen."

Im Zusammenhang mit den Ticket-Schiebereien wurde in lokalen Medien auch der Name des Vaters von Brasiliens Stürmerstar Neymar genannt. Neymar Jr. verteidigte seinen Vater gegen die unbestätigten Gerüchte. "Der Journalist ist schlecht informiert und unverantwortlich... Schluss damit! Zeig' Deine Beweise oder verkauf' deine Zeitung anders - sag die Wahrheit!", schrieb er beim Internet-Fotodienst Instagram.

Die Zeitung "Folha de São Paulo" hatte zunächst berichtet, dass auch gegen Neymar Silva Santos, den Vater und Berater des Barcelona-Stars, ermittelt werde. In einer neueren Version des Berichts wurde Neymars Name nicht mehr genannt. (dpa)