Santo André. Die WM-Position von Philipp Lahm wird weiter heftig diskutiert - nun sogar im engsten Führungszirkel. Aussagen von Bundestrainer Joachim Löw über die Rolle des Kapitäns haben für mächtig Wirbel gesorgt und wurden von seinem Assistenten Andreas Köpke gleich wieder relativiert.
Nur in einem "Notfall" würde er den Kapitän wie schon im Achtelfinale gegen Algerien auf dessen langjährige Verteidigerposition beordern, sagte Löw in einem Interview in der Wochenzeitung "Die Zeit". Das Gespräch sei schon vor dem Achtelfinale geführt worden, teilte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mit.
"Wir müssen verhindern, dass der Notfall eintritt. Ich habe meine Entscheidungen getroffen - auch was die Rolle von Philipp Lahm betrifft. Und dazu stehe ich bis zum Schluss", sagte der Bundestrainer der "Zeit". Man diskutierte intern aber durchaus "kontrovers", berichtete Bundestorwarttrainer Köpke und ergänzte auf der Pressekonferenz des Verbandes in Santo André: Man halte "nicht stur" an einer Linie fest. "Wir müssen das machen, wovon wir überzeugt sind." Überzeugt sind Löw & Co. von Mesut Özil, den der Bundestrainer als "extrem wichtig" einstuft.
Schon gegen Algerien war für Löw die "Notfall"-Situation mit Lahm eingetreten, als der Kapitän nach der Verletzung von Shkodran Mustafi rechts hinten aushalf. Nach dem 2:1 im Achtelfinale hatte Löw dann auch erstmals in Brasilien eine Rückversetzung des Bayern-Leistungsträgers in die Abwehr nicht mehr kategorisch ausgeschlossen.
"Es war naheliegend, Philipp Lahm dann wieder rechts spielen zu lassen, weil wir auch im Mittelfeld frische Kräfte brauchten", hatte Löw in der Pressekonferenz erklärt und wollte erst nach Regenerationstagen weitere "personelle Entscheidung treffen". Man müsse das Spiel erst einmal sacken lassen, hatte Löw-Assistent Hansi Flick nach der Partie gegen Algerien auf Nachfrage zur Lahm-Position erklärt. Verletzungen oder taktische Anforderungen könnten für das WM-Viertelfinale am Freitag gegen Frankreich eine Änderung im Löw-Konzept erfordern.
Die Kritik an seinem Kapitän, der "seit zehn Jahren auf höchstem Niveau" spiele, ist für Löw "unbegreiflich": Da werde Einiges eilig publiziert, "da fehlt es manchmal am richtigen Maß", sagte der Bundestrainer. "Als Trainer muss ich doch anerkennen, dass Philipp Lahm in den vergangenen Jahren unser Leistungsträger gewesen ist! Philipp spielt seit zehn Jahren auf höchstem Niveau. Für mich ist unbegreiflich, dass er nach einem Spiel, in dem nicht alles gelungen ist, dermaßen in die Kritik gerät", führte er aus.
In speziellen Situationen könne es Lahms Rückversetzung geben: "Falls wir auf der rechten Seite ein akutes Problem im Spiel bekommen sollten und ich sage: Okay, jetzt ist Philipp Lahm gefordert, der viel Druck nach vorne entfalten kann", beschrieb Löw diesen Notfall.
Extrem wichtig bleibe Özil für den Erfolg der deutschen WM-Auswahl. "Weil ich weiß, dass er Spiele mit einer einzigen Aktion entscheiden und beeinflussen kann." Angst, bei Entscheidungen in dieser Personalie als "stur und unflexibel zu gelten", hat Löw offenbar nicht.
"Mesut Özil war 2010 und 2012 der überragende Spieler des Turniers. Das kann ich doch nicht einfach vergessen! Das wäre völlig unangebracht. Zumal ich grundsätzlich meinen Spielern immer großes Vertrauen entgegenbringe, auch wenn es mal nicht so gut bei ihnen läuft", erklärte der Bundestrainer. "Er hat Fortschritte gemacht. Ich weiß, dass er keine einfache Saison hinter sich hat, aber jetzt das Beste will und auch alles dafür tut. Wenn wir es schaffen, ihn in den nächsten Tagen in Topform zu bringen, dann ist er für die Mannschaft unersetzlich."