Manaus. Von einem Nichtangriffspakt beim brisanten Wiedersehen mit der deutschen Mannschaft wollte Jürgen Klinsmann schon kurz nach dem Last-Minute-Schock gegen Portugal nichts wissen.

"Wir sind gute Freunde, aber es wird keinen Anruf geben", sagte der Nationaltrainer der USA zur Frage, ob er sich mit seinem Nachfolger Joachim Löw nicht vielleicht auf ein Remis einigen wolle, das beiden Teams zum Einzug ins Achtelfinale genügen würde. "Es ist keine Zeit für Freundschaftsanrufe, jetzt geht es ums Geschäft. Ich denke nicht daran, was in den Köpfen anderer Leute vorgeht."

Klinsmann ist schon im DFB-Modus. So hielt sich der 49-Jährige auch mit der kalten Dusche im heißen Manaus nicht lange auf. "Wir nehmen diesen Punkt und reden nicht mehr über Portugal", sagte der Architekt des Sommermärchens von 2006 nach dem unglücklichen 2:2 (0:1) gegen den WM-Vierten von damals. "Wir sind Amerikaner. Ich denke, wir mögen es auf die harte Tour", meinte US-Kapitän Clint Dempsey lässig. Fast wäre das US-Team schon durch gewesen.

"Ein Team, eine Nation", lautet der WM-Slogan des US-Verbandes. Und Amerika stand geschlossen hinter den Klinsmännern. Teams der vier großen Profi-Ligen drückten via Twitter die Daumen. Millionen Fans pilgerten in die Sports-Bars der Großstädte. Auf der Public Viewing-Party im Grant-Park von Chicago wurde bereits 30 Minuten vor Anpfiff die Kapazitätsgrenze von 20 000 Zuschauern erreicht.

Im Glutofen Manaus brachte Nani Portugal früh in Führug (5.), ehe der Ex-Schalker Jermaine Jones mit einem Gewaltschuss (64.) und Dempsey (81.) die Partie drehten. Doch dann legte der wieder einmal von seiner Galaform weit entfernte Superstar Cristiano Ronaldo für Joker Silvestre Varela auf, der in der 5. Minute der Nachspielzeit das Remis rettete und so die Portugiesen gerade noch im Wettbewerb hielt.

"Emotionale Achterbahn-Fahrt" schrieb die "Sports Illustrated", bei "ESPN" war von einem "absoluten Herzbrecher" die Rede. Und selbst Basketball-Superstar Dirk Nowitzki, der die Partie in Dallas vor dem TV verfolgte, twitterte verärgert: "Wow, das ist ein schweres Ding." Klinsmann versuchte, sich auf das Positive zu konzentrieren. "Das war ein Thriller, es war ein wirklich aufregendes Spiel. Jeder in Manaus wird noch lange davon reden", lobte er die Partie in der Arena da Amazônia. "Das Ende war sehr emotional für uns alle. Es war ein bisschen ein Reinfall, aber wir müssen weiter machen."

Die ganze Konzentration gilt jetzt dem Deutschland-Spiel am Donnerstag (18.00 Uhr MESZ). "Wir fahren nach Recife mit dem Selbstvertrauen, um Deutschland zu schlagen. Ich bin zuversichtlich, dass es ein gutes Spiel wird", erklärte Klinsmann. Vollgas statt Nichtangriffspakt von Gijón. "Das ist ein Teil deutscher Geschichte, nicht der der USA", sagte der US-Coach zum Übereinkommen der österreichischen und der deutschen Nationalmannschaft bei der WM 1982 in Spanien, als das 1:0 der Deutschen beiden Teams zum Weiterkommen verhalf. "Wir sind nicht gemacht für Unentschieden. Beide Mannschaften werden da rein gehen und wollen die Gruppe gewinnen."

Das Stichwort Gijón nötigte auch US-Torwart Tim Howard nur ein müdes Lächeln ab. "Das ist eine Menge Mist", meinte er zu Unterstellungen, dass die Amerikaner und Deutschen gemeinsame Sache machen könnten. "Deutschland geht wie wir auch normal in das Spiel rein. Alles ist offen", betonte Torschütze Jones.

Weltfußballer Cristiano Ronaldo hat nach dem USA-Duell dagegen kaum noch Hoffnung, das blamable Vorrundenaus abzuwenden. "Mathematisch ist es möglich, aber tatsächlich ist es fast unmöglich", meinte der 29-Jährige, dem allmählich die Worte fehlen. "Was schief gelaufen ist, weiß ich nicht. Ich kann nicht erklären, woran es gelegen hat."

Vielleicht lag es an den zahlreichen Verletzten, auf die Portugals Coach Paulo Bento gegen die USA hatte verzichten müssen. Vielleicht lag es auch an Cristiano Ronaldo selbst, der wegen seiner dauernden Kniebeschwerden nicht den Eindruck vermittelt, als sei er im Vollbesitz seiner Kräfte. "Ich werde unsere körperlichen Probleme nicht rechtfertigen", stellte der Star von Real Madrid klar. "Ich bin hier, versuche aufzustehen, das Beste zu geben, zu laufen und zu rennen." Bei der Fußball-WM in Brasilien vielleicht am Donnerstag gegen Ghana ein letztes Mal.