Rio de Janeiro. Costa Ricas Stürmer Joel Campbell hat 100 Panini-Tütchen gekauft, aber kein einziges Foto von sich entdeckt. Dabei gilt er nach seinem überzeugenden Auftritt beim 3:1-Sieg gegen Uruguay als eine der Entdeckungen des Turniers. Italien soll am Freitag das nächste Opfer der „Ticos“ werden.
Wenn man Joel Campbell fragt, was er sich zu seinem 22. Geburtstag wünscht, dann kommt eine Antwort, die ein bisschen sperrig klingt. „Ein Achtelfinale“. Wäre doch ein nettes verspätetes Präsent. Campbell, der Rechtsaußen Costa Ricas hat am 26. Juni Geburtstag und bisher hat er daheim in San José eine große Party mit Familie und seiner Freundin Maria Fernanda und ihrem Babybauch geplant. Aber wenn Campbell auch gegen Italien am Freitag und gegen England am Dienstag weiter so trifft und Vorlagen gibt wie gegen die Alt-Herren-Auswahl aus Uruguay...Dann könnte es trotz der sogenannten Todesgruppe eng werden mit der Party daheim. Sollte Costa Rica das Achtelfinale erreichen, wäre es eine der größten Überraschungen der WM.
Und Stürmer Campbell ist es irgendwie jetzt schon. Sein Auge, seine Schnelligkeit, sein Tor und sein Schienbein, das ihm Maxi Rodriguez vor Frust mit dem rotwürdigen Tritt zu brechen versuchte, haben ihn plötzlich bekannt gemacht. Und dann natürlich noch der Tor-Jubel mit dem Ball unter dem Trikot und dem Daumen im Mund. So ist das bei Weltturnieren. Ein Spiel reicht manchmal, um die Zukunftsplanungen entscheidend anzuschieben. Selbst Experten kannten den dunkelhäutigen Angreifer kaum, der zwar seit drei Jahren beim englischen FC Arsenal unter Vertrag steht, dort aber noch kein einziges Spiel bestritten hat. Die Scouts entdeckten den athletischen Stürmer 2011 bei der U-20-WM in Kolumbien und sicherten sich seine Dienste.
Campbells "Tour d' Europe"
Es war eine Investition in die Zukunft, wie die großen Clubs sie heute hundertfach tätigen. Aber diese Spieler werden dann oft auf ein manchmal endloses Ausleihe-Karussell gesetzt, an dessen Ende mitunter die Entlassung in die Vertragslosigkeit steht oder die Rückkehr ins Heimatland zu einem Verein ohne Namen. Manche nennen so etwas modernen Sklavenhandel.
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Campbells Karriere verlief ähnlich. Arsenal lieh ihn erst nach Frankreich zum FC Lorient aus, dann zu Betis Sevilla nach Spanien, und vergangene Saison kickte der Zentralamerikaner bei Olympiakos Piräus. Es war die bisher erfolgreichste Station seiner „Tour d’ Europe“. Er wurde mit seinem Club griechischer Meister und schoss im Champions-League-Achtelfinal-Hinspiel gegen Manchester United ein Tor beim 2:0-Sieg. Und beim Rückspiel bestritt Campbell sein überhaupt erstes Spiel auf englischem Boden.
Aber es scheint, dass es für den Costaricaner ein Happyend gibt – mit oder ohne WM-Achtelfinale. Arsenals Trainer Arsène Wenger, derzeit als Kommentator für Frankreichs Fernsehen in Brasilien unterwegs, will den Youngster in der Saison-Vorbereitung wieder in England haben, um zu schauen, ob er der dringend gesuchte Stürmer für seine Mannschaft sein kann.
In Costa Rica sind die Fans aus dem Häuschen
Sollte Campbell dann kommende Saison auf der großen Bühne spielen und Mannschaftkamerad von Mesut Özil und Per Mertesacker werden, dann würde ihm auch so etwas nicht mehr passieren wie vor der WM mit den Panini-Bildchen. Im April twitterte Campbell ein Foto von Hunderten von Panini-Bildchen mit einem Schuss Selbstironie.
„100 Päckchen und ich war nicht zu finden. Pech gehabt". Der Spieler hatte 500 Sticker erworben, doch sein eigenes Bild mit der Nummer 296 war nicht dabei.
In Costa Rica sind Land und Leute nicht nur wegen Campbell aus dem Häuschen. Das tolle Spiel der Ticos gegen Uruguay, der frische, fröhliche und schnelle Fußball genügten modernsten Ansprüchen. Das kleine zentralamerikanische Land hatte sich in der Nord- und Zentralamerika-Qualifikation CONCACAF als Zweiter hinter den USA für das Turnier qualifiziert. Aber dass in der Gruppe mit Italien, Uruguay und England eine echte Chance auf ein Weiterkommen besteht, damit hat dann doch keiner gerechnet. Schließlich stehen in der Mannschaft neben Campbell gerade noch zwei Spieler mit Erfahrung in großen europäischen Ligen: Junior Diaz, der Linksverteidiger von Mainz 05 und Bryan Ruiz vom PSV Eindhoven.