Natal. Alles Singen, Trommeln und Tanzen hat den WM-Fehlstart von Kevin-Prince Boateng und seiner Ghanaer nicht verhindern können.
Von den rhythmischen Hüftschwüngen, mit denen sich die Afrikaner auf ihrem Weg in die Arena das Dunas von Natal heiß gemacht hatten, war nach dem demoralisierenden 1:2 gegen die USA nichts mehr zu sehen. Mit deprimierten Blicken flüchteten die Fußballprofis des selbst erklärten Titelfavoriten fix aus dem Stadion, auch in Ghanas Hauptstadt Accra herrschte nach der Auftaktniederlage des nächsten deutschen Gruppengegners riesige Ernüchterung und seltene Stille.
"Wir haben das erste Spiel verpennt, die Enttäuschung ist groß", kommentierte Schalkes Boateng, der erst nach fast einer Stunde eingewechselt worden war, den Auftritt. Und er zeigte sich überrascht: "Ich weiß, dass du immer mit deiner starken Mannschaft startest, aber vielleicht hatte der Trainer eine andere Idee", äußerte Boateng nach ghanaischen Medienangaben frech. Trainer Kwesi Appiah begründete den 58-minütigen Verzicht auf seinen Mittelfeldantreiber mit taktischen Überlegungen, wollte dem Bundesliga-Akteur aber selbst für das Deutschland-Spiel keinen Platz in der Startelf versprechen: "Es kommt auf die Trainingseindrücke an. Aber er hat das nach seiner Einwechslung gut gemacht, am Ball ist er fantastisch."
Dabei hatte Boateng vor den Augen von Ghanas Friedensnobelpreisträger Kofi Annan nach dem ganz frühen Rückstand durch Clint Dempsey für Belebung in der Offensive gesorgt. Doch letztlich waren seine zwei, drei sehenswerten Aktionen auch keine Punkte wert. Was bleibt, ist die rhetorische Flucht nach vorn. "Wir dürfen die Köpfe nicht hängen lassen, sondern müssen die restlichen beiden Spiele gegen Deutschland und Portugal jetzt gewinnen", erklärte Boateng Ghanas schwierige Ausgangslage. Im Optimalfall könnten auch vier Punkte zum Weiterkommen reichen, eine Niederlage am Samstag gegen Joachim Löws Mannschaft würde aber wohl schon den K.o. bedeuten.
Mit kriegsähnlichen Durchhalteparolen reagierte Staatspräsident John Dramani Mahama auf die Pleite. "Wir haben eine Schlacht verloren, aber wir sind wieder aufgestanden, um den "Krieg" zu gewinnen", kommentierte er im staatlichen "Daily Graphic" und gab den Menschen in Ghana auf den Weg: "Lassen Sie uns nicht von dieser vermeintlichen Niederlage entmutigen. Lassen Sie uns lieber auf die Kraft des Willens und des Talents konzentrieren, die gezeigt worden sind."
Verbandschef Kwesi Nyantakyi äußerte sich bemüht optimistisch. "Wir haben noch zwei Spiele, bei den Weltmeisterschaften 2006 und 2010 lief auch in der Vorrunde nicht alles super", bemerkte er: "Unsere Chancen stehen bei 50:50. Die Gruppe ist noch offen." Vom Titel immerhin sprach nach den ersten 90 WM-Minuten in Brasilien niemand mehr im westafrikanischen Lager - im Vorfeld hatten sowohl Nyantakyi, Coach Appiah als auch Staatschef Mahama aller realistischen Überlegungen zum Trotz die Trophäe zum Ziel erklärt.
Dass Ghanas Verantwortliche solche flotten Sprüche schon aus Selbstschutz lieber in der Zauberkiste hätten belassen sollen, wurde gegen die USA deutlich. In der Anfangsphase klappte im Spiel nach vorn fast gar nichts, die Defensive dagegen war gewohnt anfällig. Erst Boateng und Milan-Star Michael Essien brachten nach ihren Einwechslungen deutlich mehr Schwung und Qualität aufs Feld.
Aber auch das reichte nicht einmal, um gegen das Mittelklasse-Team USA ein Remis zu erzwingen. André Ayews Ausgleichstor (82. Minute) beantwortete John Brooks vier Minuten später mit dem amerikanischen Siegtreffer. "Du darfst es dir auf diesem hohen Niveau nicht leisten, die Konzentration zu verlieren", klagte Coach Appiah. "Wir versuchen alles, um uns dennoch zu qualifizieren. Noch haben wir zwei Spiele."