Salvador. Auf diese Demütigung hatte Cristiano Ronaldo keine Lust mehr. Schon nach dem 0:3 signalisierte der Kapitän mit einem Griff an die Spielführerbinde, dass er von Bord wollte.
Zu groß war die Schmach, als hätte der 29 Jahre alte Weltfußballer sie auf dem Feld noch länger ertragen mögen. Schnell suchte er in den Katakomben der Arena Fonte Nova von Salvador das Weite. "Heute bin ich nicht dran". Mit diesen knappen Worten verweigerte Ronaldo in der Interview-Zone jegliche Stellungnahme zum 0:4 gegen Deutschland. Sollten doch die anderen das WM-Auftaktdebakel gegen den Angstgegner erklären...
Ronaldo konnte nach seiner Knieblessur nur in der Anfangsphase eigene Akzente setzen, ging dann wie sein Team unter. Er hatte zuvor angekündigt "bei 100 Prozent" zu sein, zu sehen war davon nichts. Entsprechend fiel die Reaktion der heimischen Medien aus. "Ein riesiger Alptraum", titelte "A Bola", Portugals größte Sportzeitung über die höchste WM-Schlappe der "Lusos" und urteilte: "Ohne Kopf und ohne Füße." Erstaunt stellte "Público" fest: "Portugal hatte den Deutschen nichts entgegenzusetzen."
Der fassungslose Trainer Paulo Bento ("Wir mussten schreckliche Zwischenfälle hinnehmen.") verwies auf zahlreiche Schlüsselszenen eines Spiels, in dem sich alles gegen sein Team verschworen zu haben schien. In Stürmer Hugo Almeida (28. Minute) und Abwehrspieler Fábio Coentrão (65.) zogen sich zwei Leistungsträger so schwere Muskelverletzungen zu, dass sie voraussichtlich bei diesem Turnier nicht mehr eingesetzt werden können.
"Das ist einer der traurigsten Tage meines Lebens. Das war zwar erst das erste Spiel, aber die Niederlage ist sehr hart - 0:4", jammerte Fábio Coentrão. "Heute hat einfach nichts geklappt." Und auf die Frage, ob die WM für ihn wegen der Oberschenkelblessur schon vorbei sei, sagte der Linksverteidiger von Real Madrid kleinlaut: "Ganz ehrlich? Ich fürchte ja."
Auch Bento ist wenig optimistisch. "Das sieht nicht gut aus. Das braucht seine Zeit, um zu heilen", kommentierte der Coach. Zu dem Verletzungspech kam auch noch der umstrittene Platzverweis für Pepe (37.). Erst hatte der Innenverteidiger den Dreifach-Torschützen Thomas Müller mit dem Arm weggestoßen und im Gesicht getroffen. Und als er dem Münchner die Leviten lesen wollte, weil dieser zu Boden sackte, kam er Müllers Kopf mit seinem eigenen zu nah. Was der serbische Schiedsrichter Milorad Mazic mit "Rot" ahndete.
Also fehlt auch der zweite Champions-League-Sieger aus Madrid gegen die USA am Sonntag in Manaus. Nicht gerade gute Vorzeichen, um gegen die starken Amerikaner nach deren 2:1-Erfolg gegen Ghana im WM-Überlebenskampf zu bestehen. Trotz der miserablen Ausgangslage mag Bento das Achtelfinale noch nicht abschreiben: "Wir werden mit allem, was wir haben, weiter kämpfen", kündigte der Coach trotzig an. Dabei habe man "bis zum ersten Gegentreffer gut mitgehalten. Wir wollten auf Augenhöhe spielen. Das Ergebnis nach 45 Minuten spiegelte den Spielverlauf überhaupt nicht wider."
Der frühere Wolfsburger Ricardo Costa wollte nicht seine ganze Enttäuschung auf dem Schiedsrichter abladen, der nicht nur einen Strafstoß gegen sie pfiff - Joao Pereira hatte an Mario Götze gezupft - sondern auf der Gegenseite bei einem Zweikampf von Benedikt Höwedes mit dem eingewechselten Eder den Elfmeterpfiff verweigerte. "Es ist schwer, im Eifer des Gefechts die richtigen Entscheidungen zu treffen. Der Schiri kann auch Fehler machen", sagte Costa.
Während der Ausfall von Hugo Almeida wohl noch zu kompensieren ist, wiegt das Fehlen von Coentrão schwer. Zum Linksverteidiger gibt es keinen gleichwertigen Ersatz im Kader. "Der Elfmeter hat uns demoralisiert und dann kam noch die Rote Karte hinzu. So kannst du gegen eine starke Mannschaft wie Deutschland nicht bestehen", befand Almeida. Der Ex-Bremer hatte gespürt, wie etwas in seinem Muskel riss.
Zuspruch für sein ehemaliges Nationalteam kam von Felipe Scolari. "Portugal hat noch immer eine Chance. Sie müssen sich jetzt neu sortieren und dann das nächste Spiel angehen", sagte der portugiesische Trainer der Brasilianer, und erinnerte seine Landsleuten an die EM 2004. "In Portugal haben wir das erste Spiel auch verloren und sind noch ins Finale marschiert."