Rio de Janeiro. . Der niederländische Stürmer van Persie trifft beim 5:1 gegen Spanien per Flugkopfball und löst Begeisterung aus - bei seinen Teamkollegen und im Netz. Kollege Arjen Robben mahnt die Mannschaft indes, nicht abzuheben. Er selbst war der schnellste Mann auf dem Feld.
Am Morgen nach dem traumhaften 5:1-Sieg gerierten sich die Niederländer als Weltmeister der Entspannung. Die Spielerfrauen saßen kichernd auf der Tribüne des Estádio da Gávea und verglichen neu erstandene Bikinis, unter ihnen ließen es die Helden von Salvador keinen Deut ernsthafter angehen. Sie drehten Runden auf dem Ergometer, räkelten sich auf Yogamatten oder standen einfach vergnügt in der wunderschönen Gegend herum. Allein Robin van Persie, der zweifache Torschütze, bestritt mit einen halben Dutzend Nachwuchstalenten auf einem Nebenplatz ein Sondertraining: er coachte Sohn Shaqueel, Tochter Dina und ein paar andere Kinder auf einem Kleinfeld.
Deutlich mehr Medienvertreter als bei der letzten Übungseinheit vor dem Match gegen Spanien sahen der Oranje-Stammelf beim Nichtstun zu, nur die Reservisten duften Fußballspielen. Die offiziell als „Training” deklarierte Siesta-Einheit am Rodrigues-de-Freitas-See war geeignet, den Wirbel um die erste Überraschungsmannschaft des jungen Turniers klein zu halten; auf jeden Fall suggerierte das Urlaubspanorama, dass Oranje sich von der eigenen Leistung nicht verrückt machen lässt.
Schneller als Robben lief noch nie ein Mann bei einer WM
Bereits kurz nach dem Schlusspfiff hatten einige erfahrene Spieler jüngere Kollegen gewarnt, ruhig zu bleiben. „Wir haben den Weltmeister mit 5:1 verprügelt, aber deswegen darf man nicht glauben, dass nun alles von alleine geht”, mahnte Arjen Robben, „wir wissen, dass wir noch nichts erreicht haben”. In den Gesichtern der Mitspieler habe er gesehen, dass niemand „das Fliegen” anfangen würde, sagte der Stürmer von Bayern München, aber man müsse trotzdem aufpassen, „dass niemand mit dem Kopf in den Wolken wandert”.
Aus meteorologischer Sicht schien diese Furcht am Sonntag unbegründet, Wolken waren in Rio weit und breit nicht zu sehen. Aber Robben weiß natürlich, wovon er spricht. Vor seinem zweiten Treffer gegen Iker Casillas blitzten ihn die Geschwindigkeitskontrolleure der Fifa mit einem Tempo von 37 Stundenkilometern, schneller lief nie noch ein Mann bei einer Weltmeisterschaft. Soviel Tempo zu früher Zeit birgt auch die Gefahr, dass der Rest der Mannschaft und die folgenden Leistungen nicht mehr hinterher kommen.
Spanien-Torhüter Casillas ist entzaubert
Bei der Weltmeisterschaft in Deutschland (2006) und bei der EM in der Schweiz/Österreich zwei Jahre später war die Elftal ähnlich fulminant in den Wettbewerb gestartet, doch im Gegensatz zur eher holprigen Tour ins WM-Finale in Südafrika mussten die Niederländer ihren Aktiv-Urlaub in den beiden vorherigen Fällen frühzeitig im eigenen Land fortsetzen.
Australien, der Gegner am Mittwoch in Curitiba, wird Louis van Gaals Team wieder vor neue Probleme stellen; es kann sein, dass der Bondscoach für das Match zum klassisch-niederländischen 4-3-3-System zurück kehrt. „Man wird sehen”, sagte Robben. Die Rolle als frei beweglicher Mittelstürmer an der Seite des kongenialen van Persie, der mit seinem Flugkopfball-Tor die Foto-Montage-Künstler im Internet zu immer neuen Ideen motiviert hat, scheint ihm mittlerweile noch mehr zu liegen. Als „Rache” für das WM-Finale wollte der 30-Jährige den Triumph gegen Spanien ausdrücklich nicht verstanden wissen, aber er schwächt die bösen Erinnerungen an seine vergebene Konterchance im Soccer City zumindest etwas ab.
Robben: „Um gut Fußball zu spielen, musst du frei im Kopf sein”
Bis zu seinem entscheidenden Tor im Champions-League-Finale im Wembley hatte Robben auch im eigenen Land als „man van de gemiste kansen” (Het Parool), der Mann der verpassten Chancen, firmiert; die Gazetta dello Sport nannte ihn sogar coniglio bagnato, einen nassen Hasen. Die Treffer gegen Spaniens Torhüter Casillas, den Angstgegner von 2010, hatten neben großer Schönheit eine gewisse symbolische Kraft. Robben hat ab sofort einen kleinen Rucksack weniger zu schleppen, gerade bei einem Sprinter wie ihm macht das einen gewaltigen Unterschied in Sachen Beschleunigungsmoment.
„Um gut Fußball zu spielen, musst du frei im Kopf sein”, hat er im März gesagt. Bisher haben er und seine Niederländer das in Brasilien ganz hervorragend hinbekommen.