St. Leonhard. Schock im Trainingslager - die ohnehin schon schwierige WM-Vorbereitung der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ist von einem schweren Autounfall überschattet worden.
Eine PR-Aktion mit Formel-1-Pilot Nico Rosberg, die den Nationalspielern abseits der Trainingsarbeit eigentlich Spaß bereiten sollte, endete fatal. Wie DFB-Generalsponsor Mercedes-Benz bestätigte, erfasste der Wagen von DTM-Fahrer Pascal Wehrlein mit einem Nationalspieler als Beifahrer auf einer abgesperrten Strecke zwei Menschen, die verletzt ins Krankenhaus gebracht werden mussten.
Bei der schwer verletzten Person handelt es sich um einen 63 Jahre alten Urlauber aus Deutschland. Das berichtete Rosmarie Pamer, Bürgermeisterin der Gemeinde St. Martin. Das zweite Unfallopfer ist ein Angestellter der Gemeinde St. Leonhard, der bei der PR-Aktion von Mercedes-Benz als Streckenposten eingesetzt war. Ein Rettungshubschrauber landete in direkter Nähe des Trainingszentrums. "Im Moment sind unsere Gedanken bei den Verletzten", hieß es in einer ersten Stellungnahme des DFB. Der Verband kündigte an, eng mit den Behörden zusammenzuarbeiten.
Formel-1-Pilot Nico Rosberg und Tourenwagenfahrer Wehrlein waren zusammen mit dem deutschen Golfstar Martin Kaymer zu Besuch bei der Nationalelf. Die Rennfahrer fuhren für Werbeaufnahmen mit einigen Spielern auf einem abgesperrten Parcours. "Ich bin von dem Unfall schockiert", schrieb Mercedes-Pilot Rosberg beim Kurznachrichtendienst Twitter. "Meine Gedanken sind bei den beiden Menschen, die verletzt wurden, und ich wünsche ihnen eine schnelle Genesung."
Mercedes-Benz betonte, ausreichende Sicherheitsvorkehrungen getroffen zu haben. "Wir haben gemeinsam mit der Gemeinde im Vorfeld alles dafür getan, dass die Strecke komplett abgesperrt wurde", erklärte Sprecherin Claudia Merzbach. Eine ähnliche PR-Aktion hatte es auch schon vor zwei Jahren in Südfrankreich in der Vorbereitung auf die Europameisterschaft in Polen und der Ukraine gegeben - damals ebenfalls mit Rosberg sowie Michael Schumacher.
Den ganzen Vormittag hatte es am Unglücksort heftig geregnet, auch beim Training der Nationalmannschaft. Bundestrainer Löw konnte sich da noch über den Einstieg von Philipp Lahm ins Lauftraining freuen. Der nach Knie-Problemen auch noch individuell übende Bastian Schweinsteiger zeigte sogar vollen Einsatz, als er sich mit Wucht auf dem Fußballplatz in eine Pfütze schmiss und einen Ball weggrätschte.
"Es ist positiv, dass beide auf dem Platz waren", berichtete Manager Oliver Bierhoff. Nach dem Unfall sagte Löw das für den Nachmittag geplante Übungsspiel gegen die U 20-Auswahl des DFB ab. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit wurde stattdessen trainiert, auch Höwedes und Draxler nahmen an der Übungseinheit teil.
Vor dem Unfall waren Rosberg, Kaymer und Unglücksfahrer Wehrlein noch Gäste bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Nationalteam-Manager Bierhoff. Dabei ging es auch noch um den Führerscheinentzug von Löw, der zuvor bekanntgeworden war. Wegen wiederholter Tempoüberschreitungen musste der Bundestrainer seine Fahrerlaubnis für ein halbes Jahr abgeben. "Ich habe meine Lektion gelernt und werde mein Fahrverhalten ändern. Es gibt da nichts schön zu reden", äußerte Löw reumütig in einem offiziellen Verbands-Statement.
Seinen Führerschein braucht der Cheftrainer in Brasilien nicht, eine top vorbereite und funktionstüchtige Mannschaft für den angestrebten Titelgewinn dagegen schon. Die Elf für den Start gegen Portugal am 16. Juni zeichnet sich aktuell nur in Bruchstücken ab. Und Löw räumte schon ein, dass der Findungsprozess lange dauern könnte. "Was die einzelnen Positionen betrifft, habe ich jetzt noch keine endgültigen Entscheidungen getroffen. Wir haben noch zwei Vorbereitungs-Länderspiele und noch Trainingseinheiten."
Auch Champions-League-Sieger Sami Khedira kann den Kampf um die Stammplätze nun aufnehmen. Nach der Ankunft des Mittelfeldspielers von Real Madrid sind nun endlich alle 26 WM-Kandidaten in Südtirol vollzählig. Der Ex-Stuttgarter sei trotz einer leichten Erkältung "direkt einsatzfähig", berichtete Bierhoff. "Sami weiß, dass er noch was arbeiten muss", betonte der Manager aber auch zu Khedira, der nach seinem Kreuzbandriss noch um die nötige WM-Form ringt.
Die Zitterpartie um Manuel Neuer wird sich wohl erst nach der Ankunft in Brasilien am 8. Juni auflösen. "Bei Manu rechne ich nicht mehr mit einem Einsatz in Südtirol", berichtete Bierhoff. Der Torwart könne die rechte Schulter "noch nicht belasten". Lahm kann zehn Tage nach seiner Kapselverletzung am linken Sprunggelenk zumindest wieder laufen. "Es braucht ein bisschen Zeit, und die haben wir Gott sei dank noch bis zum ersten Spiel", sagte Lahm zu seiner Genesung.
Um seine Form und Fitness für die WM sorge er sich nicht: "Ich hatte viele Spiele in der Saison." Auch Neuer "stand mitten im Saft", beruhigte der Kapitän. Lahm blickt weiterhin positiv auf die WM-Mission: "Wir sind immer Mitfavorit, egal, welche Ausfälle wir haben. Denn wir haben einen breiten, qualitativ hochwertigen Kader."