Nischni Nowgorod. Frankreich hat einen großen Schritt in Richtung WM-Titel gemacht: Im Viertelfinale gelang ein verdienter 2:0-Sieg gegen Uruguay.
Antoine Griezmann jubelte nicht. Ob aus Verbundenheit zu Uruguay, das er wegen zahlreicher Freundschaft als sein „zweites Land“ bezeichnet. Oder weil man in so einem Moment einfach mitfühlen muss mit dem gegnerischen Torwart. Selbst ins Netz gepritscht hatte sich der erfahrene Fernando Muslera den Ball nach einem flatternden Schuss des französischen Angreifers, wodurch in dieser 61. Minute vor 43 319 Zuschauern in Nischni Nowgorod zweierlei zu konstatieren war: Loris Karius ist überall. Und das erste WM-Viertelfinale 2018, es war praktisch entschieden.
Griezmanns Tor nämlich bedeutete schon das 2:0 für Frankreich, und so sehr die Uruguayer auch bis zum Schluss fighteten – letztlich fehlten ihnen Mittel wie Fortüne, um noch einmal entscheidend ins Spiel zurückzukommen. Frankreich eliminierte damit nach dem 4:3 gegen Argentinien im Achtelfinale das zweite südamerikanische Traditionsteam und ist nun seit zehn WM-Spielen gegen Mannschaften vom zweiten großen Fußball-Kontinent ungeschlagen. Mit seinem Talent und seinem Tempo geht es nicht als Außenseiter ins Halbfinale am Dienstag in Sankt Petersburg. Das Märchen vom kleinen Uruguay und seinem Traineroldie „Maestro“ Tabárez hingegen ist vorbei.
Frankreich führte bereits zur Halbzeit – weil es einen Kopfball-Shootout gewonnen hatte. In einem Spiel, das sicher nicht zu den besten der WM zählte, aber von keiner Mannschaft defensiv geführt wurde, hatten beide Teams mehrere gute Chancen – und jeweils eine erstklassige. Für die Franzosen traf Innenverteidiger Raphael Varane mit einem wunderbaren Kopfball – nach einer Freistoßflanke durch Griezmann von rechts kreuzte er von links in den Ball und streichelte ihn gegen seine Laufrichtung ins lange Eck (40.). Für Uruguay dagegen scheiterte Martín Cáceres vier Minuten mit einem Kopfball, ebenfalls nach Freistoß, an einer grandiosen Parade von Hugo Lloris.
Cavani fehlte verletzt
Uruguays Fans rauften sich die Haare, sie ahnten das Problem, nicht zu viele Chancen auslassen zu dürfen – denn sie hatten schon vor Spielbeginn eine denkbar schlechte Nachricht zu verkraften: Edinson Cavani war auf dem Spielberichtsbogen mit einem „I“ vermerkt. I für Injured. Verletzt. Seine scheinbar problemlose Teilnahme am Vortag beim Abschlusstraining – oder jedenfalls während der für die Medien einsehbaren Viertelstunde – war offenbar doch nicht mehr als ein Bluff gewesen.
So einen Verlust kann ein so kleines Land natürlich kaum kompensieren. Cavanis Ersatzmann, Cristian Stuani vom spanischen Erstligisten Girona, ist ein ordentlicher Vollstrecker, aber weit davon entfernt, eine so totale Leistung abrufen können wie „El Matador“ im Achtelfinale beim 2:1 gegen Portugal, als er nicht nur beide Tore schoss, sondern auch viel Spielzüge initiierte und sprichwörtlich bis zum Umfallen kämpfte. Einen „Fußballer auf dem Zenit“ hatte Tabárez gesehen – umso trauriger für alle Zuschauer, gestern auf ihn verzichten zu müssen.
Harte Tacklings durch Uruguay
Den Franzosen fehlte demgegenüber „nur“ der gelbgesperrte Mittelfeldmann Blaise Matuidi. Für ihn kam mit Corentin Tolisso der letzte im Turnier befindliche Bayern-Spieler zum Einsatz. Er wälzte sich ebenso viel auf dem Boden wie er spielerischen Eindruck hinterließ – die Franzosen waren stets darum bemüht, den argentinischen Schiedsrichter Nestor Pitana für die Härte der uruguayischen Tacklings zu sensibilisieren.
Shootingstar Kylian Mbappé holte sich wegen einer Schauspieleinlage in der zweiten Halbzeit sogar eine Verwarnung ab, bildete aber ansonsten auch wieder die gewohnte Drohkulisse. Mit welcher Leichtigkeit der 19-Jährige gegnerische Abwehrlinien durchbrechen kann, wenn er nur ein bisschen Platz hat – das war auch eine knappe Woche nach seiner Gala gegen Argentinien wieder frappierend.
Mbappé blieb ohne Tor
Mbappé verließ kurz vor Schluss den Platz, diesmal ohne Tor, aber dafür hatte ja Angriffspartner Griezmann getroffen – wenn auch in dem Spiel, in dem er es wohl am wenigsten gewollt hatte. Sogar als Whatsapp-Profil hat er die uruguayische Fahne schon mal gehabt, und beim Betreten des Stadions in Nischni Nowgorod wurde er mit dem landestypischen Matetee-Becher gesehen.
Doch als er kurz vor Schluss noch mal einen Freistoß schoss, da musste er mit ansehen, wie in der Mauer der junge Maxi Gómez, eingewechselt für Stuani, schon weinte angesichts der sicheren Niederlage. Auch die uruguayischen Fans sahen es – sie erhoben sich und durchdrangen das Stadion noch mal mit ihren Gesängen. Der verdiente Abschied durch die Vordertür für einen Außenseiter, der die letzten Widrigkeiten nicht mehr wegstecken konnte.