Kasan. Brasilien gegen Belgien verspricht ein hochklassiges Viertelfinale zu werden. Im Mittelpunkt steht der umstrittene Neymar.
Die Hauptstadt der Republik Tatarstan ist wegen mehrerer Sehenswürdigkeiten einen Besuch wert. Die wahre Kathedrale der Stadt wird aber zumindest an diesem Freitag die Kasan-Arena am Ufer der Kasanka sein. Dort werden sich Brasilien und Belgien im WM-Viertelfinale gegenüberstehen (20 Uhr/ZDF). Einerseits. Und dort wird – so oder so – das nächste Kapitel der Neymar-Festspiele geboten. Andererseits.
Neymar da Silva Santos Júnior, ein Name wie ein Versprechen. Der brasilianische Zauberfußballer ganz alleine dürfte heute einen Besuch Kasans wert sein. Denn Neymar ist nach dem Ausscheiden von Argentiniens Lionel Messi und Portugals Cristiano Ronaldo der letzte verbliebene Superstar bei dieser Weltmeisterschaft.
Zwei Tore hat Neymar schon geschossen, einen Treffer hat er sensationell vorgelegt. Kein anderer dribbelt so leidenschaftlich. Keiner anderer hat so viele geniale Momente. Aber: Kein anderer nervt auch so dermaßen.
Als Neymar nach Brasiliens 2:0-Sieg im Achtelfinale gegen Mexiko von der Fifa zum „Mann des Spiels“ bestimmt wurde, reichte es Dänemarks früherem Weltklasse-Torhüter Peter Schmeichel endgültig. „Die Fifa muss doch auch darauf schauen, wie er sich in dem Spiel verhält. Und ich finde keinen anderen Weg, als es schändlich zu nennen“, sagte der Europameister von 1992, Vater des dänischen WM-Torhüters Kasper Schmeichel, als Experte des TV-Senders „Russia Today“.
Rivaldo verteidigt Neymar
Als „Drama-Queen“ betitelte die Süddeutsche Zeitung Neymar, der aus seiner Heimat aber prominente Unterstützung erhielt.
Rivaldo, der 2002 mit Brasilien Weltmeister wurde, schrieb bei Instagram: „Wenn du wegen eines Fouls hinfallen musst, fall hin. Und wenn du auf dem Boden Zeit gewinnen musst, mach das. Denn alle machen das gleiche.“
Tatsächlich? Sollte Brasilien Weltmeister werden – was gar nicht mal so unwahrscheinlich ist –, stünde die Fifa vor einem Dilemma. Dann käme der Weltverband voraussichtlich nicht daran vorbei, dem genial-wahnsinnigen Neymar auch den Goldenen Ball für den besten Spielers der WM zu übergeben. Doch wenn man Schmeichels Argumentation einmal zu Ende denkt, dann müsste eigentlich bereits jetzt feststehen, dass Neymar zwar einer der besten Fußballer dieses Planeten ist, aber durch seine Eskapaden auf keinen Fall als bester Spieler dieser WM ausgezeichnet werden darf.
Seit 1982 wird der Goldene Ball vergeben. Und nur zweimal (Diego Forlan 2010 und Salvatore Schillaci 1990) konnte sich am Ende des Turniers ein Außenseiter die Trophäe sichern. Die weiteren Superstars: Messi (2014), Zidane (2006), Kahn (2002), Ronaldo (1998), Romário (1994), Maradona (1986) und Rossi (1982).
Die gute Nachricht, Teil eins: Beim WM-Casting RSDS (Russland sucht den Superstar) hat sich eine ganze Reihe von Kronprinzen gefunden, denen man durchaus ernsthafte Ambitionen nachsagen kann, Neymar doch noch vom Thron zu stoßen. Dessen Landsmann Philippe Coutinho (26) zum Beispiel, Englands Torgarant Harry Kane (24), Belgiens Sturm-Koloss Romelu Lukaku (25) und natürlich Frankreichs Teenie-Flitzer Kylian Mbappé (19).
Vier starke Konkurrenten
Die gute Nachricht, Teil zwei: Keiner dieser „Fantastischen Vier“ hat die Neymar-Fallsucht, die Ronaldo-Protzeritis oder Messis Ich-sage-nichts-weil-ich-ausgeschieden-bin-Krankheit.
Brasiliens Coutinho wurde bereits in der Vorrunde attestiert, dass er vielleicht sogar der bessere Neymar sei. Hohe Sympathiewerte genießt auch der Engländer Harry Kane. Er hat bereits sechs Tore in Russland erzielt und könnte als erster Spieler seit dem brasilianischen Ronaldo 2002 bei einer WM mehr als eben diese sechs Treffer schaffen. Darauf hofft auch Romelu Lukaku, der immerhin schon viermal traf. Und der gerade einmal 19 Jahre alte Mbappé dürfte im Lucky-Luke-Stil sogar ein Laufduell gegen seinen eigenen Schatten gewinnen.
Am Ende dieser WM gilt dann das Highlander-Prinzip: Es kann nur einen geben. Viele aber werden denken: Nur bitte nicht Neymar.