Kasan. Die deutsche Nationalmannschaft hat gegen Südkorea 0:2 verloren. Durch den Sieg von Schweden fliegt das DFB-Team aus dem Turnier.
Das Unvorstellbare ist eingetreten. Die deutsche Nationalmannschaft, der amtierende Weltmeister, ist schon in der Vorrunde aus der WM ausgeschieden. Eine Blamage für den Deutschen Fußball-Bund (DFB), ein historisches Aus ist das. Nie zuvor war das einer deutschen Elf passiert. Wie drei der letzten vier Weltmeister ist schon nach drei Partien Schluss für die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw. Gegen eine bestenfalls durchschnittliche südkoreanische Mannschaft verlor Löws Elf am Mittwoch in Kasan 0:2 (0:0).
Die Treffer erzielten Younggwon Kim (90.+1) und Heungmin Son (90.+6) in der Nachspielzeit. Weil das Parallelspiel in Gruppe F zwischen Mexiko und Schweden 0:3 (0:0) endete, schied Deutschland sogar als Gruppenletzter aus. Ein Debakel, nachdem sich Bundestrainer Löw die Frage stellen muss, ob er nach zwölf Jahren besser zurücktreten sollte.
Dass Löw bei diesem Turnier einem anderen Kompass folgte als je zuvor, konnte man an der Aufstellung erkennen. Erstmals seit dem Spiel um Platz drei bei der WM 2010 verändert der 58-Jährige sein Team von einer auf die andere WM-Partie gleich auf fünf Positionen. Und erstmals überhaupt seit seinem Länderspieldebüt 2010 musste Thomas Müller auf der Bank Platz nehmen. Nur ein Turnierspiel unter Löw hatte der Münchner bisher verpasst: Das WM-Halbfinale gegen Spanien 2010, als er gesperrt fehlte.
Leon Goretzka fand den Weg in das Turnier nicht
Gegen Südkorea spielte für ihn Leon Goretza – und er fand den Weg in dieses Turnier nie. Den Gesperrten Jerome Boateng ersetzte Niklas Süle, Mats Hummels kehrte nach überstandenen Halswirbelproblemen zurück. Hummels hätte diesen finsteren Nachmittag wieder erhellen könne, aber dazu später mehr. Löw gewährte zudem auch seinen alten Fahrensmännern Sami Khedira und Mesut Özil wieder einen Startelfplatz, nachdem er beide Weltmeister noch gegen Schweden (2:1) draußen ließ. Sie gaben ihm nicht recht. Löw hatte den Kompass vielleicht gar nicht getauscht, der ihm sechs Turniere lang stets den Weg bis mindestens ins Halbfinale gewiesen hat. Er hat den Kompass verloren.
Ausgerechnet der sonst so sichere Manuel Neuer sorgte für den größten deutschen Pulsanstieg in Halbzeit eins. An einem profanen Freistoß, mittig und nicht allzu wuchtig geschossen, griff der Torwart vorbei. Der Ball sprang von seiner Armbeuge ins Feld zurück, wo der ehemalige Bundesliga-Profi Heungmin Son ihn wohl über die Linie gedrückt hätte, hätte sich Neuer nicht rechtzeitig wieder erinnert, dass er Neuer ist. Mit einem Weltklassereflex faustete er das Spielgerät um den Pfosten ins Aus (19.). Durchatmen. Das ohnehin schon ängstliche deutsche Spiel wurde nun noch wackliger. Hätte Son mit seinem Dropkickschuss im Strafraum nur etwas tiefer gezielt, es hätte spätestens nach 24 Minuten 0:1 gestanden.
Südkorea, der Weltrangliste 57., der dort noch hinter Panama und Burkina Faso steht, hatte die besseren Chancen. 1:0 hätte es trotzdem für die DFB-Elf stehen können, als Hummels sich nach einer Ecke im Strafraum wie ein Torjäger um die koreanische Abwehrspieler herum dribbelte, aber aus fünf Metern am Schlussmann Hyeonwoo Jo scheiterte (39.). Zur Halbzeitpause blies gesperrte Boateng auf der Tribüne die Backen auf, dass seine Lippen vibrierten. Eine Luftnummer war das hier. Es gab sogar Pfiffe. Einzig das Ergebnis zwischen Mexiko und Schweden sah noch gut aus. Weil es dort 0:0 stand, stand Deutschland zu diesem Zeitpunkt im Achtelfinale.
Das änderte sich jedoch radikal, als Schweden kurz nach der Pause 1:0 in Führung gegen Mexiko ging. Jetzt stand der Weltmeister am Abgrund. Wieder einmal bei dieser WM. Aber der stemmte sich dagegen: Goretzka hätte alle Nerven beruhigen können, hätte er aus acht Metern per Kopf getroffen, doch Jo parierte mit einer neueresken Parade (48.). Dann drosch Timo Werner aus zehn Metern drüber, nachdem Özil ihn freigespielt hatte (51.). Chancenverwertung, auch ein Grund für das peinliche deutsche WM-Aus.
Joachim Löw setzte auf volle Offensive
Löw setzte auf volle Offensive. Er brachte erst Prellbockstürmer Mario Gomez (58.), dann Müller (63.). Ein Jubelschrei ging durch die mit 41835 Zuschauern besetzte Arena von Kasan. Müller musste es jetzt richten. Aber der kam nicht in die Situationen dafür. Gomez war es, das 1:0 auf dem Kopf (68.) und dem Fuß hatte (70.). Aber entweder parierte Jo, oder Gomez wurde der Ball noch weggespitzelt. Ein Debakel zeichnete sich immer mehr ab.
Hummels köpfte erst aus fünf Metern über das Tor köpfte (87.), dann erzielte Sungyueng Ki das 0:1 (90.+1) und Son das 0:2 (90.+6), als Neuer aus dem Tor war. Zunächst nahm der Schiedsrichter das Tor zurück wegen vermeintlicher Abseitsposition. Er gab es dann aber nach Videobeweis. Deutschland fliegt an diesem Donnerstag um 11 Uhr (MEZ) nach Hause – und in eine ungewisse Zukunft hinein.