Essen/Kasan. In 241 von 484 Tabellenkonstellationen erreicht Deutschland am Mittwoch das WM-Achtelfinale. In folgenden vier Fällen wird es knifflig:
Bei Fußball-Weltmeisterschaften musste erst viermal das Los entscheiden.
- Erstmals beim deutschen WM-Triumph 1954 in der Schweiz: Jugoslawien wurde als Gruppensieger vor Brasilien ermittelt (direktes Duell 1:1 n.V.) und Österreich vor Uruguay (kein direktes Duell).
- Bei der WM 1970 in Mexiko wurde die damalige Sowjetunion dank Losglück Gruppensieger vor den punktgleichen Gastgebern. Die Tordifferenz (6:1 und 5:0) war gleich. Die Regel der mehr geschossenen Tore galt erst ab der WM 1974.
- Zuletzt entschied das Los bei der 1990 in Italien: Irland wurde Gruppenzweiter vor den Niederländern, die dann gegen Deutschland spielen mussten. Ein legendäres Duell.
Nun könnte es wieder dazu kommen:
Die Mathematik hinter den Tabellen
Liebe Leser, bitte lachen Sie nicht, wenn Sie diese ulkige WM-Grafik entdecken. Nein, das sind keine Ecstasy-Pillen. Jeder einzelne bunte Punkt auf dem Bild hat seine Berechtigung. Mithilfe von DPA liefern wir eine Übersicht von 484 Tabellenkonstellationen, die sich in der WM-Gruppe F ergeben können.
Grafik-Anleitung und WM-Regel:
- Zwei WM-Spiele stehen in der Gruppe F aus: Deutschland gegen Südkorea und Mexiko gegen Schweden. Die Tabelle sortiert die Mannschaften nach dieser Reihenfolge: Punktzahl – Tordifferenz – Zahl der Tore.
- Sind mehrere Nationen dann punkt- und torgleich, bilden diese Mannschaften eine neue Tabelle: Punkte aus direkten Duellen – Tor-Differenz aus diesen Duellen – Zahl der Tore.
- Unsere Grafik zeigt, wer bei welchem realistischen Ergebnis weiterkäme. Die Anleitung ist: (1) Schauen Sie zuerst oben in der Waagerechten, wie wohl die Deutschen gegen Südkorea spielen. (2) Dann gehen Sie mit dem Finger senkrecht hinunter, bis Sie das Mexiko-Ergebnis gegen Schweden (Ergebnisse stehen links) finden. Die Farbe des Punktes verrät, wo die Deutschen landen: in 241 von 484 Fällen im Achtelfinale.
- Die vier Punkte im Quadrat sind etwas knifflig. Da besteht Gleichstand bei Punkten und Toren. Dann zählt die Fairplay-Wertung: ein Minuspunkt für jede Gelbe Karte, drei für jedes Gelb-Rot, vier für jedes Rot.
- Ist noch immer alles gleich, müsste das Los entscheiden.
Da gibt es nichts mehr zu lachen: In vier Fällen entscheidet das Los oder die Fairplay-Wertung, wer wie das Achtelfinale erreicht. Das Spiel gegen Südkorea ist ja nicht allein maßgebend: Auch das Mexiko-Spiel gegen Schweden muss einkalkuliert werden. Fans könnte das Lachen vergehen: In acht Jahren spielen 48 Teilnehmer die Weltmeisterschaft in Amerika aus. Da kommen erneut die Tabellenersten und -zweiten eine Runde weiter, aber nicht mehr nur aus acht, sondern aus 16 Gruppen. Bedeutet: doppelte Rechnerei.
2026 besteht jede Vorrunden-Gruppe aus drei statt vier Teams, was unsere Rechnung noch spitzer machen wird. Man wird fast einen akademischen Abschluss in Mathe benötigen, um die Vergleichbarkeit aller Punkt- und Torkoeffizienten herzustellen. Ganz ehrlich: Wir, die Sportjournalisten, sind damit raus.
So hätte es Fifa-Präsident Gianni Infantino eh am liebsten: Dass wir vor Komplexität und Intransparenz kapitulieren. Nickend zu Kenntnis nehmen, was uns vorgesetzt wird. Hat schon alles seine Richtigkeit!
Löws Elf hat es in der Hand
Wir machen es uns deshalb ein bisschen einfach und fordern von Bundestrainer Joachim Löw und den Spielern: Gewinnt halt mit 2:0! Dann haben wir zumindest bei dieser WM keine Debatte über Tabellensysteme mehr. Und vergeigt Deutschland das Südkorea-Spiel, soll bloß keiner mit der Ungerechtigkeit der Mathematik kommen. Dann müssten wir auch als Weltmeister schlicht einräumen: Wir hatten es nicht anders verdient!