Moskau. WM-Auftakt verpatzt: Die deutsche Fußball-Nationalelf unterlag im ersten Gruppenspiel Mexiko mit 0:1. Nun steht sie schon unter Druck.
Rein äußerlich war nichts festzustellen. Das T-Shirt spannte ein wenig an den gut trainierten Oberarmen, die weißen Sportschuhe leuchteten weiß, so makellos wirkten sie. Joachim Löw sah wirklich vollkommen unbeschadet aus und das war auch der Eindruck, den der Bundestrainer vermitteln wollte am Ende dieses Abends im Moskauer Luschniki-Stadion. Dort hatte Deutschland sein erstes Spiel bei dieser Weltmeisterschaft bestreiten müssen – und der träge auftretende Titelverteidiger verlor es mit 0:1 (0:1) gegen Mexiko. Jenes Land, das die deutsche Aushilfssportgruppe aus dem Jahr 2017 beim Confed-Cup zweimal geschlagen hatte. Der Traum von der Titelverteidigung gerät zum frühest möglichen Zeitpunkt in Gefahr.
Eine derartige Blamage zum Start hatte es erst einmal in der Historie des Deutschen-Fußball-Bundes gegeben. 1982 ging das Auftaktspiel gegen Algerien mit 1:2 verloren. Und die Frage, die nun gestellt werden, sind sehr unangenehm. Die wichtigste: Wird Deutschland wie drei der vier vergangenen Titelverteidiger schwer am Triumph tragen und schon in der Vorrunde nach Hause fahren müssen? „Uns wird das nicht passieren. Wir werden es schaffen“, sagte Löw bestimmt in Ton und Auftreten.
Deutschland wirkt vollkommen überfordert
Seinen Optimismus kann der 58-Jährige, der kurzfristig auf den erkrankten Jonas Hector verzichten musste und stattdessen Marvin Plattenhardt aufbot, schwerlich aus diesem Spiel ziehen. Die deutsche Mannschaft wirkte mindestens in der ersten Halbzeit vollkommen überfordert, sich der Leidenschaft und dem Willen der Mexikaner entgegenzustellen. „Klar sind wir enttäuscht. Für uns ist das eine absolut ungewohnte Situation, die wir nun annehmen müssen“, forderte Löw, der in seiner Amtszeit stets mit Siegen in Turniere gestartet war. Seine Mannschaft war immer zum richtigen Zeit in der richtigen Form. Dieses Mal bei weitem nicht. „Die Mannschaft hat genug Erfahrung, auch mal mit so einer Niederlage umzugehen. Wir werden wieder aufstehen, wir müssen das nächste Spiel gewinnen.“ Genauer müssen nun zwei Siege her gegen Schweden und Südkorea, um weiterzukommen und idealerweise noch einem Achtelfinal-Duell mit Brasilien aus dem Weg zu gehen. Und Löw hält fest: „Wir stehen jetzt unter Druck.“
Doch es ist eben nicht nur das blanke Ergebnis, das so ernüchternd geriet, sondern auch das deutsche Spiel. Wie in den jüngsten Spielen bot Deutschland dem Gegner Hilfestellung durch Ballverluste, die unendliche Räume öffneten. Die Weltmeister – acht Spieler aus dem Kader von 2014 standen in der Startelf – hechelten ächzend immerzu hinterher. Wie beim entscheidenden Tor, das Hirving Lozano in der 35. Minute kühl konternd erzielte. „Wir haben keine zu alte Mannschaft, davon sind wir weit entfernt“, erklärte Löw vor dem Eindruck mangelnder Dynamik seiner Mannschaft. Sie war da. Fraglich nur, ob die aus Bequemlichkeit resultierte oder aus körperlichen Mängeln, wie sie der lange verletzte Jerome Boateng offenbarte. „An Kraft oder körperlicher Fitness hat es nicht gelegen, sonst hätten wir nicht so eine zweite Halbzeit spielen können“, argumentiert Löw.
Freistoß von Toni Kroos klatscht an die Latte
Die zweite Halbzeit geriet zwar ansprechender, aber letztlich waren es nur Halbchancen, die über 90 Minuten heraussprangen. Ein Freistoß von Toni Kroos klatschte an die Latte (39.), ein letzter Schuss von Julian Brandt glitt vom Außenpfosten ab (90.). Timo Werner (3./20.), der indisponierte Sami Khedira, der ansprechende Julian Draxler (55./77.) und Joshua Kimmich (65.) brachten nur Gelegenheitchen zustande. Zu wenig. Und jetzt?
Doch Löw wäre nicht Löw, wenn er nicht fast trotzig an dem festhielte, was er für dieses Turnier ersonnen hat. Ein Gerüst aus Weltmeistern, das schon Schlachten geschlagen und Titel gewonnen hat. „Wir werden jetzt nicht unseren Plan über den Haufen werfen. Das machen wir schon gar nicht. Wir werden nicht auseinanderfallen“, versprach der Bundestrainer. Kleinere Korrekturen wolle und müsse er aber sehr wohl vornehmen, sagte Löw ruhig. Er monierte die vielen Ballverluste, das fahrige Passpiel, die fehlende Tiefe und Gefahr. Aber, sagt Löw, „wir haben noch alle Möglichkeiten, das zu korrigieren.“
Als sich der Bundestrainer etwas später auf den Weg machte, das Stadion zu verlassen, da warf er einen flüchtigen Blick auf die Uhr. Wie spät? Zu spät? Für einen Auftaktsieg in jedem Fall. Für alles weitere nicht unbedingt. 1982, als der Start ähnlich verheerend geraten war, da zog die deutsche Mannschaft noch ins Finale ein. Aber das war auch schon der wertvollste Trost.