Sotschi. Portugals Superstar Ronaldo hat Begeisterung ausgelöst. Spanien ließ beim 3:3 die Eskapaden um Trainer Lopetegui hinter sich.
Immerhin vier Minuten Zuschlag gönnte Schiedsrichter Gianluca Rocchi den restlos begeisterten Zuschauern im Fischt-Stadion von Sotschi, ehe der der einzige Italiener bei dieser WM am späten Freitagabend das Unvermeidbare vollzog: Signore Rocchi pfiff ein Spiel ab, das manch einer am liebsten ewig weiter verfolgt hätte. 3:3 spielten am Ende die in dieser Woche so arg gebeutelten Spanier gegen Cristiano Ronaldos Portugiesen – doch das Ergebnis schien an diesem denkwürdigen Fußballabend fast zweitrangig.
Ronaldo hat seinen großen Auftritt
Mehr als denkwürdig war bereits der erste Tusch des Spiels. Da war in den Stunden vor dem Anpfiff zwischen Portugal und Spanien rauf und runter über Ronaldos Steuerprozess, eine schwindelerregende Nachzahlung von sage und schreibe 18,8 Millionen Euro und über eine Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung für den Ballartisten berichtet worden. Und dann dauerte es handgestoppte 133 Sekunden, ehe genau dieser wohl beste Fußballer (und trotzdem einer der größter Steuerbetrüger) des Planeten seinen großen Auftritt hatte. Ronaldos Übersteiger, Nachos‘ Sense, ein folgerichtiger Elfmeterpfiff und schon stand es im Duell der Iberer 1:0 für den kleinen Bruder Portugal. Torschütze natürlich: Ronaldo.
Was für ein Start in das mit Abstand hochklassischste Spiel dieser WM-Vorrunde, das alles, aber wirklich alles hielt, was sich Fußballliebhaber schon vorher versprochen hatten.
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„Cristiano ist der beste Spieler der Welt, das hat er heute wieder bewiesen. Er gibt uns unglaubliche Sicherheit“, sagte Portugals überglücklicher Verteidiger Cédric Soares. Der zurecht so Gelobte ließ nach dem Spiel keinen Zweifel daran aufkommen, nach dem EM-Titel 2016 nun auch nach dem größten Titel im Fußball greifen zu wollen: „Ich habe immer an mich geglaubt. Dafür arbeite ich seit vielen Jahren. Wir haben uns dem Kampf gestellt. Wir wollen bis zum Ende dabei sein“, sagte Ronaldo.
Spanien, das auch unter Zwei-Tage-Trainer Fernando Hierro beeindruckend auftrat, musste sich nur kurz schütteln. Der Interimstrainer, der erst am Mittwoch Bis-dahin-Nationaltrainer Julen Lopetegui nach seiner Holterdipolterzusage bei Real Madrid und dem anschließenden Rauswurf ersetzte, hatte auf große Überraschungen verzichtet. La furia roja, die ganz in weiß auflief, begann wie erwartet mit einer sehr variablen 4-2-3-1-Taktik. Portugal setzte auf das klassische Ronaldo-und-dann-mal-Schauen-System.
Spaniens Costa umkurvt Portugals Abwehr virtuos
Doch obwohl der portugiesische Superstar bei jedem Ballkontakt mit lauten „Ahs“ und „Ohs“ gefeiert wurde, waren es nach dem furiosen Start nun die ganz in weiß aufspielenden Spanier, die jetzt das Geschehen auf dem Rasen übernahmen. Insbesondere der 1,88 große Kleiderschrank Diego Costa, der zunächst Gegenspieler Pepe mit Mitteln am Rande der Legalität abschüttelte und dann die halbe portugiesische Hintermannschaft virtuos umkurvte. 1:1 nach 24 Minuten – und das sollte es noch lange nicht gewesen sein.
Die 43.866 begeisterten Zuschauer hatten kaum Zeit Luft zu holen. Nur zwei Minuten später musste erstmals bei dieser WM die Torlinientechnik bemüht werden, als Reals Isco den Ball mit voller Wucht an die Unterlatte drosch, von wo aus der Ball nachgewiesen auf und nicht hinter die Linie aufkam.
Ronaldo bringt das Stadion zum Kochen
Doch selbstverständlich war es kein geringer als erneut Ronaldo, der das Stadion rechtzeitig vor dem Halbzeitpfiff noch einmal zum Kochen brachte. Sein Schuss ins Glück darf zwar gerne in die Kategorie „Haltbar“ (oder besser: „Krasser Torwartfehler“) eingeordnet werden, aber das war dem fünfmaligen Weltfußballer sicher schnurz. Dem Portugiesen gelang mit seinen beiden Toren ein Kunststück, das zuvor nur Miroslav Klose, Uwe Seeler und Pelé gelingen wollte: sich in vier WM-Turnieren hintereinander in die Torschützenliste einzutragen.
Das mit dem In-die-Torschützenliste-eintragen hatte an diesem Abend allerdings auf der Gegenseite auch Diego Costa ziemlich gut drauf: So dauerte es gerade mal zehn Minuten nach dem Wiederanpfiff, ehe der gebürtige Brasilianer eine butterweiche Busquets-Vorlage ziemlich unbrasilianisch zum erneuten Ausgleich über die Linie drückte (55.). Und die lange Zeit gute Laune Ronaldos sollte nur drei Minuten später erneut auf eine harte Probe gestellt werden, als Sensenmann Nacho seinen Fehler aus der ersten Aktion des Spiels wieder gut machte. Und wie. Volley und mit vollem Risiko nutzte der Defensivmann beide Pfosten zum Pingpong, ehe der Ball erneut im Tor verweilte (58.).
Doch so konnte dieses herausragende Spiel einfach noch nicht zu Ende gehen. Zwei Minuten vor dem Ende sollte die verdiente Zugabe noch folgen. Anlauf Ronaldo, Schuss - und das Tor zum 3:3-Endstand. Was für ein Treffer, was für ein Finish, was für ein Spiel! Olé!