Bochum. Über Jahrzehnte hinweg bestimmte er maßgeblich die Geschicke des VfL Bochum mit, war für viele Spieler eine Vaterfigur und kämpfte auf nationaler Bühne um Chancengleichheit. Nun trauert der VfL um Werner Altegoer. Der ehemalige Präsident und einstige Vorsitzende des Aufsichtsrates ist am Mittwoch gestorben.

Eine zweite Chance gibt es nicht. Immer wieder mal wollte sich der Autor dieser Zeilen mit Werner Altegoer zusammen setzen, ihn nach seinem Befinden fragen und danach, wie er denn nun zurecht komme in und mit der so neuen wie ungewohnten, passiven Rolle des stillen Beobachters ohne Entscheidungsbefugnis. Und immer wieder geriet das Vorhaben in Vergessenheit, wurde überlagert von den Erfordernissen des Alltags. Andere bestimmten nun den Lauf der Dinge beim VfL Bochum, sie waren wichtig. Am Mittwoch ist Werner Altegoer, der ehemalige Präsident und einstige Vorsitzende des Aufsichtsrates gestorben.

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Wohl niemand beim VfL hat Altegoer so lange und damit auch so gut gekannt wie Christa Ternow, die langjährige Vorstandssekretärin. „Geschockt“ von der Todesnachricht war sie gestern - und „sehr traurig“. Und dann fügte sie leise hinzu: „Jetzt habe ich keinen mehr, mit dem ich streiten kann.“ Genau das trifft’s, und es ist ja kein Widerspruch, dass man jemanden schätzen und sich dennoch an ihm reiben kann. Möglicherweise schätzt man ja auch genau das oder eben jene Eigenschaften, die dieser demonstrativen Stärke zugrunde liegen. Als „aufrecht und gerade“ hat Gerd Kirchhoff, der ehemalige Stadtdirektor und Mitstreiter im Aufsichtsrat, Altegoer erlebt. Und: „Man wusste schon, wo man dran war mit ihm.“ Weil er daran nie auch nur den Hauch eines Zweifels gelassen hat.

Es braucht in allen Lebensbereichen Menschen, die davon überzeugt sind, das Richtige zu tun. Werner Altegoer gehörte zu ihnen, ohne Zweifel. Dass sich dann letztlich nicht alles als richtig herausstellt, was man einst voller Überzeugung entschieden hat, gehört zu den Erfahrungen, die alle Menschen machen, die sich was zutrauen und Verantwortung übernehmen. Das muss man verkraften können, ohne sein Selbstvertrauen zu verlieren.

Sisyphus-Arbeit beim VfL Bochum

Es sind Bilder, die in Erinnerung bleiben werden. Ein schwerer, imposanter Mann mit etwas undeutlicher Aussprache im fast obligatorischen Ledermantel, der leicht gequälte, ein wenig resignative Blick auf die rauchende Ehefrau, die Dankbarkeit anlässlich des eigenen 70. Geburtstags, als ihm etliche Größen des deutschen Fußballs in Bochum die Ehre erwiesen. Ein Highlight für jemanden, der sich beim VfL vorkommen musste wie Sisyphus. Kaum hatte er den Marmor nach oben gehievt, rollte der schon wieder runter. Eine echte Chance, die Arbeit erfolgreich zu beenden, bestand wohl nicht. Getan hat er sie gleichwohl, im Bewusstsein es besser zu können als andere - mit mehr Hingabe, mehr Durchsetzungskraft und mehr Wissen. Und sogar mit mehr Einfühlungsvermögen. Zahlreichen Spielern war Werner Altegoer eine Art Vaterfigur. Nicht zuletzt seinetwegen band sich der eine oder andere Fußball-Profi länger als geplant an den VfL.

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Es gab Krisen und Ereignisse, die einem an Ehre, Rechtschaffenheit und Respekt orientierten Menschen wie Werner Altegoer ein Graus waren. Die Trennung vom langjährigen Manager Klaus Hilpert und im Nachgang dazu staatsanwaltliche Ermittlungen, später dann das unschöne Ende des Vater-Sohn-Verhältnisses zu Stefan Kuntz. Persönliche Enttäuschungen belasten mindestens so sehr wie ein Abstieg.

Vertrauenvolle Zusammenarbeit mit Hossiep

Werner Altegoer hatte durchaus Mühe über seinen Schatten zu springen, aber wenn es dem VfL diente, tat er es schließlich doch. Allein die jahrelange vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Heinz Hossiep im Präsidium und Aufsichtsrat ist dafür Beleg. Hier der CDU-nahe Unternehmer, dort die Galionsfigur der heimischen SPD. Wer sich von Altegoer jemals in eine politische Diskussion verwickeln ließ, konnte sich über diese Konstellation nur wundern.

Gemeinsam aber stemmten sie sich gegen den Zeitgeist, forderten Waffengleichheit, als längst internationale Konzerne in Leverkusen und Wolfsburg mit ihren Zuwendungen den Wettbewerb für die kleineren Klubs im Lande drastisch verschärft hatten und in Hoffenheim ein Milliardär begann sein Füllhorn auszugießen über einem Dorfklub.

Werner Altegoer nervte im Kreis der deutschen Fußball-Größen. Er nervte 2005 in Marbella die beiden großen Revier-Nachbarn („Für mich ist das, was dort geschieht, ein Konkurs, heute nennt man das ja Insolvenz“), er nervte Uli Hoeneß, indem er die Vormachtstellung der Bayern und deren Begehr nach immer mehr Geld aus dem gemeinsamen Topf ausdauernd kritisierte. Ein dem Leistungsgedanken verpflichteter Konservativer mahnte Jahr um Jahr Chancengleichheit an - allein für den VfL, für seinen VfL.

Der auch noch nach dem Rücktritt sein VfL geblieben ist. Regelmäßig fuhr Werner Altegoer zu den Heimspielen vor. Bis zuletzt, bis es nicht mehr ging.