Aue. Auf die Frage, ob Trainer Andreas Bergmann beim Pokalspiel in Havelse auf der Bank sitze, sagte VfL-Sportvorstand Jens Todt: “definitiv ja“. Nur: Kann er ihn nach dem historischen 1:6-Debakel beim FC Erzgebirge Aue überhaupt noch halten? Am Sonntag weiß man da wohl schon mehr.
Was für ein Torso, was für ein historisches Debakel für den VfL Bochum im Schneegestöber von Aue. Mit 1:6 ging der VfL beim FC Erzgebirge Aue unter. Und für Trainer Andreas Bergmann wird rund 13 Monate nach seinem Antritt die Luft dünn beim VfL. Sehr dünn. "Diese Niederlage hat eine andere Qualität als die zuvor, sie hätte noch höher ausfallen können", sagte ein "fassungsloser" Sportvorstand Jens Todt unmittelbar nach dem Abpfiff. "Das war ein absoluter Tiefpunkt. Aue hat uns eine Lehrstunde in Sachen Abstiegskampf erteilt, bei uns haben elementare Dinge gefehlt." Darüber, so Todt, müsse man "reden", allerdings wollte der VfL-Vorstand die Trainerfrage "nicht direkt nach dem Spiel diskutieren. Wir müssen das auch erstmal sacken lassen."
Das lässt Raum für Spekulationen, wobei sich Todt (noch) hinter den von ihm selbst geholten Trainer stellte. Auf die Frage, ob Bergmann beim Pokalspiel am Dienstagabend in Havelse auf der Bank sitze, sagte Todt: "definitiv ja". Nur: Kann er ihn überhaupt noch halten, gegen die Pannen, den Absturz, den Druck, der größer und größer wird? Am Sonntag weiß man da wohl schon mehr.
Für Bochum gab es doch nur noch Hohn und Spott im Erzgebirge. Und nicht nur dort ... Und im Pokal, beim Viertligisten Havelse, geht es nicht zuletzt wegen der finanziellen Schieflage auch um die Zukunft dieses tief abgestürzten Vereins.
MSV Duisburg hat nur einen Punkt weniger
Ein 1:6 in Aue, sieben Spiele ohne Sieg, der Absturz Richtung Tabellenende - Schlusslicht Duisburg hat nach dem Sieg in Sandhausen nur noch einen Punkt weniger - sind mit Umbruch und Abschluss-Schwäche aber nicht mehr zu erklären. Es passte ins Bild eines "schlimmen Tages", so Bergmann, dass für den Ehrentreffer kurz vor Schluss kein Bochumer zuständig war. Aues Paulus machte das 1:6.
Es hatte geschneit seit der Nacht im Erzgebirge, stundenlang, es wollte nicht aufhören, doch der Schiedsrichter gab den nicht gefrorenen Platz eine Stunde vor Anpfiff frei. "Nicht zu lamentieren" hatte Andreas Bergmann da noch von seinen offenbar sehr zart besaiteten Jungs gefordert, sich "den schwierigen Bedingungen zu stellen". Und dann das: Nach zehn Minuten lag der VfL bei der bisher punktgleichen Erzgebirgs-Truppe aus dem 17000-Einwohner-Ort 0:3 zurück. Am Ende hieß es 1:6: So ist Bochum nicht einmal drittligatauglich.
Dedic für Gelashvili in der Startelf
Bergmann verzichtete auf große Umstellungen, lediglich Zlatko Dedic stürmte für Nika Gelashvili. Der Rasen war so rutschig als bewege man sich nur auf Schmierseife - dummerweise kam aber nur Bochum damit überhaupt nicht klar. Es waren irre, ja: historische sechs Minuten, die sich da zu Beginn abspielten und das ganze Elend der bisherigen Saison des VfL im Zeitraffer boten.
Vier Szenen für die Ewigkeit:
4. Minute: Zlatko Dedic wird im Sechzehner von Aues Paulus gefoult, tritt selbst zum Foulelfmeter an. Er trippelt beim Anlauf, sein Schuss prallt vom linken Innenpfosten zurück zum Torwart, zurück ins Feld, der Nachschuss von Dedic sitzt auch nicht, irgendwann pfeift Schiedsrichter Grudzinski ab.
7. Minute: Flanke von Aues bärenstarken Jan Hochscheidt von links, Rutschparty im Bochumer Tohuwabohu-Strafraum, Chaftar sieht alt aus, Luthe bleibt auf der Linie kleben, Fabian Müller setzt - wie so viele Auer - konsequenter nach. 1:0.
8. Minute: Flanke von rechts, wieder von Hochscheidt, Luthe greift wieder nicht ein, Sinkiewicz verliert das Duell mit Ronny König. 2:0.
10. Minute: Leichter Ballverlust - wie so oft - der Bochumer. Hochscheidt ist durch, grätscht gegen den ebenfalls reingrätschenden Luthe, der Ball prallt vom Auer ab und trudelt ins Tor. 3:0, der dritte Treffer in 183 Sekunden. Kapitän Luthe zieht sich bei dem Zusammenprall, den man als Foul hätte pfeifen können, eine dicke Fleischwunde zu, muss ausgewechselt werden. Die Wunde am rechten Schienbein wurde genäht, Luthe droht zwei Wochen auszufallen. Philipp Heerwagen kommt ab der 12. Minute zu seinem Saisondebüt. An ihm lag es nicht.
Bergmann kritisierte Bochumer Spielweise
Und danach? Versuchte Bochum sich zu fangen, was kaum gelang; versuchte immer noch, auf diesem Geläuf Klein-Klein zu kombinieren statt zu fighten, zu schießen, den rustikalen Ball zu bevorzugen. "Ich hätte mir gewünscht, dass wir uns viel mehr wehren", kritisierte Bergmann. Nach 30 Minuten waren die FCE-Anhänger längst in Schunkellaune, den "Schneewalzer" auf Auer Art tanzten sie passend zum Schneegestöber - und zum Spiel. Bis zur Pause rutschte das alles so vor sich hin, Klingbeil prüfte für die viel zielstrebigeren, aggressiveren Gastgeber mit einem Distanzschuss Heerwagen, auf der anderen Seite probierte es ein einziges Mal Slawo Freier.
Sollte sich Bochum, nun mit Tasaka für Rzatkowski, in der Pause irgendetwas vorgenommen haben, sich dagegen zu stemmen zum Beispiel, es war nach stolzen 16 Sekunden Makulatur.
Aue setzte sofort nach, Hochscheidt zog ab aus 16 Metern. Drin - 4:0. Und nur vier Minuten später schlug erneut König zu, als die Bochumer mal wieder im Kollektiv-Schlaf waren. 5:0. Bergmann brachte nun Jonas Acquistapace für Iashvili, um die Defensive zu stärken, um nicht noch weiter unterzugehen. Goretzka rückte weiter nach vorne, Acquistapace auf die Sechs. Auch das ging: schief. Die 59. Minute, das 6:0: Thomas Paulus verwandelte einen von Kramer verschuldeten Foulelfmeter. Kramer beklagte sich nicht.
Bochum war längst sprachlos.