Sicher: Als Lukas Sinkiewicz über Ball und Rasen stolperte, Paderborn den erneuten Schwächeanfall ausnutzte und ein Stürmer namens Nick Proschwitz mit seinem zweiten Treffer das 4:0 erzielte, war die Partie längst gelaufen.

Symptomatisch für den Zustand des VfL Bochum im Spätsommer 2011 war diese Szene dennoch. Und einfach nur peinlich, wie sich der VfL Bochum degradieren ließ. Nicht von Werder Bremen, nicht von Bayern München.

Vom SC Paderborn.

Mehr Mut, natürlich auch Leidenschaft hatte Andreas Bergmann gefordert von seiner Elf, die er als neuer Trainer ja erst zwei Tage zuvor erstmals gesehen hatte. Gezeigt hat sie das glatte Gegenteil: Angst, Bewegungsarmut und in der letzten halben Stunde, nach Sören Brandys 0:2, Auflösungserscheinungen prägten das Bild. „Phasenweise wie gelähmt“ wirkte der VfL, räumte Bergmann ein.

„Es war klar, dass er nicht zaubern kann“, sagte Sportvorstand Jens Todt nach dem ersten Debakel unter dem neuen Trainer, nach der fünften Niederlage in Folge und dem Absturz auf den letzten Platz in der 2. Liga - man darf das historisch nennen. Todt: „Wir sind auf dem Tiefpunkt angekommen. Die Verunsicherung war für jeden greifbar.“

Dabei hatte Bergmann etwas gewagt: mit Ginczek und Tese als Doppelspitze, mit Freier und dem überraschend doch für fit genug erachteten Mimoun Azaouagh auf den Flügeln, mit Christoph Kramer als Rechtsverteidiger. Der 20-Jährige hatte einen stabileren, zweikampfstärkeren Eindruck gemacht, erklärte Bergmann - und als Mittelfeldspieler den Vorzug vor Björn Kopplin erhalten. Auch das ist bezeichnend: Ein neuer Trainer mag da sein und sich mühen, Impulse zu setzen, „Feuer, Lust und Leidenschaft reinzubringen“, wie Kapitän Christoph Dabrowski meinte. Im Kader aber fehlen auf zu vielen Positionen Alternativen. Nur die Rückkehr von Takashi Inui allein macht noch keine Hoffnung auf bessere Ergebnisse.

Bergmanns erste Experimente funktionierten nicht, was man ihm nach der Kürze der Zeit nicht ernsthaft vorwerfen sollte. Kramer war ebenso überfordert wie auf links Matthias Ostrzolek. Kevin Vogt und auch Dabrowski bekamen im Zentrum nichts zustande, das Gesamtgefüge passte hinten und vorne nicht, allein Marcel Maltritz erreichte halbwegs Normalform. Keine Körpersprache, keine Bewegung im Spiel ohne Ball, keine Aggressivität im defensiven Zweikampf - Paderborn, lange Zeit „nur“ bis zum Strafraum gefällig, hatte viel Raum und geradezu leichtes Spiel. Es dauerte bis zur 35. Minute, ehe der VfL einen ersten Torschuss abgab - der ebenfalls enttäuschende Tese schoss drüber.

Danach hatte Azaouagh, der trotz fehlender Spritzigkeit in seinem ersten Spiel seit Ende Mai noch zu den Besseren zählte, mit einem Freistoß-Schlenzer an die Latte Pech und vergab kurz darauf das 1:0, als Torwart Lukas Kruse stark parierte. Im Gegenzug - der VfL träumte wohl noch vom möglichen 1:0 - tauchte Sören Brandy vor Andreas Luthe auf. Der VfL-Keeper war (zu) weit aus dem Tor geeilt, ein Kunstschuss - das 0:1.

Als nach einer kurzen Phase des Aufbäumens Brandy ins Netz köpfte - Kramer hatte ihn gewähren lassen - war die Partie für den VfL beendet. Fast eine halbe Stunde vor Schluss. „Danach wirkte die Mannschaft, als habe man den Stecker rausgezogen“, räumte Bergmann offen ein, „tief enttäuscht“ und „emotional angefressen“ - aber nicht sprachlos. „Die letzten 25 Minuten dürfen nicht der Maßstab sein, der Charakter der Mannschaft ist nicht so, wie er da wirkte“, sagte er. „Das wird eine harte Herausforderung, aber jetzt heißt es, wieder aufzustehen.“ Das ginge nur durch „intensivstes Training“ und letztlich: Erfolg in der Liga. Am Sonntag gegen den MSV Duisburg.