90 Minuten gaben die Fans von Union Berlin alles. 90 Minuten lang gaben auch die Spieler von Union alles. Und der VfL Bochum tat viel dafür, dass die Stimmung an der sonnengefluteten „Alten Försterei“ nicht nur vor dem Anpfiff beeindruckend war - sondern sich noch steigerte.

Es brodelte im Köpenicker Hexenkessel. 2:1 gewann das kämpfende Zweitliga-Mittelmaß-Team gegen den VfL. Mit „einfachen Mitteln“, wie Sportvorstand Jens Todt treffend anmerkte - und doch hochverdient.

Wieder einmal schafften es die Bochumer nicht, die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit ein bisschen zu schließen. Die bittere Bilanz: vier Punkte aus fünf Spielen. Platz 14. Schlimmer: Der Rückstand auf die Spitzengruppe beträgt sieben und acht Punkte. Am schlimmsten: Der Auftritt in Berlin an sich, der anknüpfte an die meist enttäuschenden Leistungen in dieser Saison, vor allem auswärts. Zaghaft, ängstlich, harmlos reagierte der VfL meist nur statt zu agieren. Nach den guten Ansätzen gegen St. Pauli ein herber Rückschlag.

Berlin war entschlossener, „giftiger und galliger“, wie Todt kritisierte. Nur Trainer Friedhelm Funkel, sichtlich angefressen ob des Ergebnisses, sah das nach dem Abpfiff anders. „Meine Mannschaft hat Willen gezeigt, anders als in Rostock alles versucht“, konterte Funkel kritische Fragen auf dem Weg zum startbereiten Bus ungewohnt barsch. „Wir haben zwei billige Tore bekommen und deshalb verloren.“ Funkel wollte „die Mannschaft in Schutz nehmen“, wie er sagte. Sicherlich aus gutem Grund: Der Druck steigt, auch im Umfeld.

Denn die Realität sah ja ganz anders aus, und in diesem Fall bestätigte die Statistik den Eindruck: 60 Prozent (75) seiner Zweikämpfe gewann Union - Bochum nur 40 Prozent (49). Nur 35 Prozent seiner Zweikämpfe verlor Berlin - Bochum stolze 65 Prozent. „Wir wollten jeden Zweikampf gewinnen, das war zu spüren“, lobte Union-Trainer Uwe Neuhaus sein Team, das doch in Dresden noch 0:4 untergegangen war - und brachte damit den entscheidenden Unterschied auf den Punkt.

Vor allem in den ersten 20, 25 Minuten bekam der VfL kaum den Ball aus der eigenen Hälfte. Und nach dem 1:2 fiel Bochum auch mit den (erst) nach dem Rückstand eingewechselten Stürmern Chong Tese und Daniel Ginczek so wenig ein, dass keine einzige Chance dabei heraussprang.

Dazwischen lag eine Phase, in der sich die Teams weitgehend neutralisierten. Und auch das ist: zu wenig.

Viele Abspielfehler, wenig zwingende Aktionen, langsames Umschalten in beide Richtungen, ein viel zu spätes Attackieren des Gegners. Einzig Takashi Inui, bei Ballbesitz meist von zwei, drei Berlinern umzingelt, konnte mit seinen Tempodribblings Impulse setzen. Inui gelang auch das 1:0, doch katastrophale individuelle Fehler der Innenverteidiger zerstörten die Hoffnung auf einen Auswärtssieg.

Vor dem Ausgleich patzte Lukas Sinkiewicz gleich zweimal: Erst verursachte er mit einem Querschläger eine Ecke, an deren Anschluss mit einem gedankenlosen Foul den Elfmeter. Silvio traf kurz vor der Pause zum 1:1.

Vor dem 1:2 verlor Maltritz völlig die Orientierung, Mosquera durfte allein auf Torwart Andreas Luthe, erneut Bochums Bester, zulaufen und zum 2:1 einnetzen. Es waren nicht die einzigen Aussetzer von Maltritz, der mit Sprunggelenks-Problemen nach Hause fuhr und möglicherweise eine Trainingspause einlegen muss, und Sinkiewicz. Die Defensive des VfL wackelt bedenklich, die Offensive lahmt weiter, trotz des schnellen Inui: Der Japaner fand oft keinen Mitspieler, den er hätte in Szene setzen können.

Kurzum: Die Routiniers patzen - die Jungen (Ostrzolek, Kopplin, Aydin, in den Spielen zuvor auch Vogt) hängen durch. Und die Neuen? Inui ist eine Bereicherung, Christoph Kramer zeigt gute Ansätze. Denis Bergers Leistungen entsprechen bisher dem Tabellenstand, Lukas Sinkiewicz leistet sich viele Fehler im Stellungs- und Passspiel. Daniel Ginczek durfte sich erst einmal von Beginn an zeigen: gegen Rostock im Pokal.

Und nun? Marcel Maltritz, mittlerweile geübt in Selbstkritik, will dem Team den „Willen“ nicht absprechen. Aber: „Es läuft nicht viel zusammen. Wir müssen hart arbeiten.“ Funkel sagt: „Wir machen es so wie im letzten Jahr. Wir schauen nicht mehr auf die Tabelle und schlagen dann Fürth.“ Man wird sehen.