Bochum. .

Zwei Nächte musste Frank Goosen, neues Aufsichtsratsmitglied des VfL Bochum, Fan und Kabarettist, über die Geschehnisse bei der Jahreshauptversammlung schlafen. Jetzt äußert sich Goosen exklusiv bei DerWesten.

Nach einer beispiellosen Jahreshauptversammlung steht der VfL Bochum 1848 Fußballgemeinschaft e.V. an einem Wendepunkt in seiner Vereinsgeschichte. Auch wenn es im Fußball und gerade beim VfL Mode geworden ist, stets „nach vorn zu schauen“, muss man sich erst einmal klarmachen, was da am Montag, den vierten Oktober 2010 passiert ist.

Zunächst mal war da kein „Mob“ und kein „Pöbel“ am Werk, wie verschiedentlich zu lesen war. In der Aussprache zu den Berichten des Vorstandes wurde klar, dass die zahlreich erschienenen Mitglieder die harte, kontroverse, aber letztlich sachliche Diskussion der letzten Monate weiterzuführen gewillt waren. Dass das zu massiver Kritik an Funktionsträgern führen und auch in offene Rücktrittsforderungen münden würde, war nach der sportlichen Entwicklung abzusehen und nachvollziehbar. Dabei wurde aber auf persönliche Diffamierungen verzichtet. Die harte Kritik richtete sich gegen die Arbeit der sportlichen Führung.

Ungeschicktes Krisenmanagement auf der Bühne

Als man dachte, man habe das Schlimmste schon hinter sich, stand die Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrates auf der Tagesordnung. Und hier kollidierten jetzt zwei Dinge: Die massive Unzufriedenheit, die Enttäuschung und die Wut der Mitglieder über die Entwicklung des Vereins traf auf ein ungeschicktes Krisenmanagement auf der Bühne. Die per Handzeichen angezeigten Gegenstimmen bei der Entlastung des Aufsichtsrates nahmen ein Ausmaß an, dass es nicht wenigen im Saal ratsam schien, nicht nur die Enthaltungen und Nein-Stimmen zu zählen, sondern auf einer Gegenprobe, also der ausdrücklichen Zählung der Ja-Stimmen zu bestehen. Hier hätte man dem Aufsichtsratsvorsitzenden und Versammlungsleiter besser raten sollen, gleich eine zweite Abstimmung einzuleiten, dann wären er selbst und der Aufsichtsrat vielleicht mit einem blauen Auge davon gekommen. Die starre Haltung, getragen von einem deutlich sichtbaren Unverständnis die Stimmungslage unter den Mitgliedern betreffend, die sich auch in einem ungeschickten Statement des stellvertretenden Vorsitzenden ausdrückte, hat dann auch vorher Schwankende dazu bewogen, dem Aufsichtsrat die Entlastung zu verweigern.

VfL-Fans sprechen Klartext

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    Dass dies vor allem für die restlichen Mitglieder des Aufsichtsrates einen Affront darstellen musste, ist völlig klar. Im juristischen Sinne beinhaltet die Verweigerung der Entlastung den Vorwurf krimineller Machenschaften. Dass beispielsweise der Vorstandsvorsitzende des Bochumer Sparkasse, Volker Goldmann, das nicht einfach hinnehmen kann, ist klar. Und dass ein klarer, stets auf Kommunikation und Integration setzender Mann wie Gerd Kirchhoff dies als Angriff auf seine Ehre ansieht, ist aus seiner Sicht ebenfalls nachvollziehbar. Der Verlust dieser beiden Persönlichkeiten wiegt besonders schwer.

    Diese Entwicklung ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass sich durch die Struktur der Satzung des VfL massive Unzufriedenheit der Mitglieder nicht anders artikulieren kann als über diesen eigentlich untauglichen Weg. Darüber wird in der Satzungskommission, die eventuell neu besetzt werden muss, zu reden sein. Hundert Prozent Basisdemokratie wird nicht funktionieren, aber demokratische Strukturen, in denen sich Mitglieder- und Fanmeinung wirkungsmächtig ausdrücken können, hätten eine Entwicklung wie am Montag verhindert. Ein Verein braucht Führung, gehört aber letztlich den Mitgliedern.

    Der VfL Bochum 1848 ist nicht am Ende

    Zur Wahrheit gehört auch, dass sich das schlechte Krisenmanagement des Vereins am Tag danach fortsetzte. Es entstand der Eindruck, da werde der Kopf eingezogen, anstatt sich zu zeigen. In diese Kritik schließt sich der Verfasser dieser Zeilen ausdrücklich ein. Das war ein schwerer Fehler in der Außendarstellung und daraus müssen Lehren und Konsequenzen gezogen werden.

    Ein „Weiter so“ ist beim VfL ohnehin nicht möglich und darf es auch nicht sein. Der neu zu formierende Aufsichtsrat sollte getragen sein von einer Kultur der Offenheit. Wenn man von außen als Closed Shop wahrgenommen wird, hat das nicht zwingend mit der Missgunst der Betrachter zu tun. Wer sich mit Äußerungen in Internetforen nicht beschäftigt, nur weil sie anonym abgegeben werden, nimmt sich selbst die Möglichkeit, ein vollständiges Meinungsbild zu erhalten. Auch wäre es eine schöne Idee, sich selbst demnächst vielleicht das eine oder andere Mal in so einem Forum einem Chat zu stellen. Man wird nicht jede Detailfrage beantworten können, aber muss sich auch nicht ständig auf eine Verschwiegenheitsklausel berufen. Die Mitglieder haben ein Recht darauf, zu erfahren, was dieses Gremium bespricht und beschließt. Schwer lesbare Berichte auf die Homepage stellen reicht da nicht.

    Frank Goosen im Gespräch mit Bernd Wilmert. Foto: Karl Gatzmanga
    Frank Goosen im Gespräch mit Bernd Wilmert. Foto: Karl Gatzmanga

    Des Weiteren muss von diesem Gremium ein anderer Geist ausgehen als der, welcher in den letzten Jahren transportiert worden ist. Ein Geist, der bei allen finanziellen Beschränkungen, denen der VfL unterliegt, positive Ziele formuliert und sich bemüht, die Anhänger, ob als Mitglieder organisiert oder nicht, mitzunehmen, anstatt sich im Schmollwinkel des Selbstmitleides zu verkriechen, weil böse Großkonzerne andere Vereine päppeln und wir dabei unter die Räder kommen. Wegen des fehlenden Geldes sind wir jedenfalls letzte Saison nicht abgestiegen.

    Einfluss auf diese beiden Punkte, Offenheit und Ehrgeiz, zu nehmen, sehe ich persönlich als meine Aufgabe im Aufsichtsrat des VfL Bochum an. Kritik an meiner Rolle in den letzten Tagen ist berechtigt und ist auch angekommen.

    Ökonomische Schwergewichte wie Hans Peter Villis und Bernd Wilmert werden das Wirtschaftliche im Blick haben. Seriösität in finanziellen Angelegenheiten ist für den VfL Bochum eine Existenzfrage, da wir nicht zu den Vereinen gehören, die Schuldenberge anhäufen können und trotzdem die Lizenz hinterhergeworfen kriegen. Gelingt es uns darüber hinaus, den einen oder anderen aus dem Fußball und seinen begleitenden Geschäften zu gewinnen, hätten wir eine kompetente, schlagkräftige neue Führungstruppe.

    Wo wollen wir hin mit diesem Verein? Ohne eine klare Idee kommt man heute nicht mehr aus. Wir müssen immer wieder Spieler finden, die andere übersehen. Dabei dürfen wir keine Angst vor ausgeprägten Typen haben. Wir müssen eine Anlaufstelle für junge Spieler sein, die irgendwann mit dem WM-Pokal in der Hand sagen: Meine beste Zeit hatte ich beim VfL Bochum. Und wir sollten unsere Fehlerquote reduzieren, was Spieler angeht, die schon mal bei uns waren, aber erst bei anderen Vereinen groß auftrumpfen.

    Den VfL aus dem jetzigen Tal herauszuführen und neu auszurichten, wird Zeit brauchen. Vielleicht steigen wir nicht sofort wieder auf. Schön wäre es trotzdem.

    Vor allem aber ist es an uns klarzumachen: Der VfL Bochum 1848 ist nicht am Ende. Er steht an einem neuen Anfang.