Bochum. .

Bochum ist in der Krise und entließ Trainer Herrlich. Philipp Bönig ist trotz der Umstände optimistisch vor dem Spiel beim FC Bayern. Im Interview spricht er über seine Wandlung und seine Vorfreude aufs Spiel.

Wenige Stunden vor dem Spiel gegen Stuttgart verlängerte Philipp Bönig seinen Vertrag, nach dem Spiel diskutierte er am Zaun mit den VfL-Fans über die Niederlage. In der darauffolgenden Woche sprachen wir mit ihm über die Situation im Abstiegskampf, als Heiko Herrlich noch im Amt war.

Philipp Bönig, kurz vor den entscheidenden Spielen im Abstiegskampf haben Sie Ihren Vertrag verlängert. Wollten Sie ein Zeichen setzen?

Philipp Bönig: So kann man es sehen. Auch wenn das sicherlich nicht der einzige Grund war. Ich bin nun schon sieben Jahre im Verein und habe eine besondere Beziehung zum VfL entwickelt. Es ist heutzutage nicht alltäglich, dass man als Profi so lange in einem Verein bleibt.

Was macht die Beziehung besonders?

Bönig: Ich habe hier alles erlebt: Abstieg, Aufstieg, UEFA-Cup. Nur ein Titel und ein Bundesligator fehlen mir noch. Es gab eine Zeit, da war ich der absolute Buhmann, auch das hat sich gewandelt. Wenn man all das miterlebt, fühlt man sich dem Verein in besonderer Weise verbunden.

Wie erklären Sie sich die zum Teil harsche Kritik der Bochumer Fans gegen Sie?

Philipp Bönig
Philipp Bönig

Bönig: Fußball im Ruhrgebiet hat einen außergewöhnlichen Stellenwert, allein schon durch die Ballung der großen Vereine auf so kleinem Raum. Dementsprechend emotional reagieren die Fans – das sollte man wissen, um die Reaktionen besser einordnen zu können. Durch die hohe Identifikation bringen die Zuschauer auch ihre Ängste schneller zum Ausdruck. Und hier spürt man natürlich die Angst, dass der geliebte Verein wieder in die zweite Liga muss. Das Ganze spielt sich aber nicht allein beim VfL ab, sondern auch anderswo.

Am letzten Freitag gab es eine bemerkenswerte Szene im Ruhrstadion, als die Spieler nach der Niederlage mit den Fans am Zaun diskutierten.

Bönig: Das war ein sehr guter Austausch. Die Fans haben gesehen, dass wir gegen Stuttgart alles gegeben haben, uns aber nach vorne die Durchschlagskraft fehlte. Im Gespräch haben sie uns dann gesagt: »Wir stehen hinter euch, egal was passiert. Selbst wenn es in die Relegation geht.« Dafür gebührt unseren Anhängern allerhöchster Respekt, uns bei einer Niederlage so positiv zu behandeln. Es liegt nun an uns, etwas zurückzugeben.

Sie haben davon gesprochen, wie man die Angst vor dem Abstieg spürt. Bekommt man dies als Spieler auch privat mit?

Bönig: Klar, immer und überall wird man auf die Situation angesprochen. Das ist aber kein Problem. Die Menschen machen sie einfach Sorgen. Und denen sollte man sich als Spieler auch stellen.

Die Lage ist gefährlich

Wie erklären Sie sich die derzeitige Misere des VfL?

Bönig: Zwischenzeitlich lagen wir neun Punkte vor dem Relegationsrang. Vielleicht haben wir uns dann im Unterbewusstsein zu sicher gefühlt. Wir haben eine katastrophale Leistung in Köln geboten, das war unentschuldbar. Wiederum gab es ansprechende Spiele gegen Hamburg oder Bremen, wo wir unglücklich die Punkte liegen gelassen haben.

Wir befinden uns momentan sicherlich in einem Abwärtstrend und die anderen von unten haben aufgeholt. Die Lage ist gefährlich, weil diese Durststrecke ohne Sieg auch am Selbstvertrauen nagt. Doch jetzt ist die Zeit gekommen, den Bock umzustoßen.

Was stimmt Sie so optimistisch?

Bönig: Der Wille in der Mannschaft ist da. Jedem ist bewusst, dass wir uns jetzt zerreißen müssen. Wir haben in unserer Mannschaft die Qualität, die Klasse zu halten. Das haben wir in dieser Saison schon bewiesen. Ich erinnere nur an das Hinspiel gegen Hannover, wo wir trotz eines 0:2-Rückstands zur Pause noch 3:2 gewonnen haben. Sehr viele Spieler kennen die Lage, wenn man unter höchstem Druck steht und gefordert ist. Diese Erfahrung hilft sicherlich.

Wie stimmt man sich auf diese alles entscheidenden Spiele ein?

Philipp Bönig (rechts) - hier im Zweikampf mit Bayerns Bastian Schweinsteiger - spielte selbst auch schon für die Münchener.
Philipp Bönig (rechts) - hier im Zweikampf mit Bayerns Bastian Schweinsteiger - spielte selbst auch schon für die Münchener.

Bönig: Natürlich müssen wir uns fokussieren, aber man darf auch nicht in Aktionismus verfallen und nun im Tagesablauf alles anders machen als bisher. Es gibt bei uns im Mannschaftskreis sehr viele Gespräche, jeder bringt sich ein. Wichtig ist, dass man ein richtiges Maß findet zwischen Spannung und Lockerheit. Selbst in so einer Situation darf man den Spaß nicht verlieren, sonst geht man zu verkrampft in die letzten Aufgaben.

Nun steht das Spiel in München an. Haben Sie sich das Spiel der Bayern in Lyon angeschaut?

Bönig: Na klar. Ich saß vorm Fernseher. Die Bayern haben sehr gut gespielt und sind verdient ins Finale eingezogen. Ich habe zwar mal für die Bayern gespielt, aber für überbordende Freude war kein Platz. Dazu denkt man zu sehr ans nächste Spiel.

Können Sie sich so ein Spiel überhaupt entspannt anschauen oder analysieren Sie vor dem Fernseher die Laufwege der kommenden Gegenspieler?

Bönig: Das läuft ganz entspannt ab. Die Bayern kennt man ja auch mittlerweile. Es kann vorkommen, dass man in manchen Szenen genauer hinschaut, aber eine Analyse gibt es nicht.

Schüchtert ein Auftritt wie der der Bayern nicht auch ein?

Bönig: Nein. Die Bayern haben einen super Lauf, aber warum sollen wir nicht am Samstag für eine Überraschung sorgen? Es haben schon andere Mannschaften überraschend einen Sieg aus München nach Hause gebracht. Die Ausgangslage muss doch für jeden Motivation genug sein: Samstagnachmittag, 60.000 Zuschauer im Stadion, man misst sich mit den besten Spielern – also ich freue mich schon unheimlich auf dieses Spiel.

Am letzten Spieltag kommt mit Hannover dann ein Mitkonkurrent ins Ruhrstadion.

Bönig: Dieses Spiel wird so oder so Endspielcharakter haben. Doch es liegt an uns, in München eine gute Ausgangslage zu schaffen. Deswegen denke ich noch nicht an Hannover. Klar, ganz Deutschland hat uns doch für das Spiel in München sowieso abgeschrieben. Aber warten wir es mal ab.