München. Nach dem 0:7 gegen Bayern München äußern sich die Verantwortlichen des VfL Bochum. Die Stimmung ist gedrückt, auch bei Trainer Thomas Letsch.
Dreierkette, Viererkette, Fünferkette: Drei Formationen probierte der VfL Bochum beim FC Bayern aus - keine funktionierte auch nur im Ansatz. Der Bundesligist ging zum dritten Mal in den letzten zwei Jahren gegen den FC Bayern mit 0:7 (0:4) unter. Der VfL stellte damit seinen Bundesliga-Negativ-Rekord erneut ein.
Nur dank Torwart Manuel Riemann, der etliche Großchancen parierte, verlor Bochum nicht zweistellig. „Ziemlich schmerzhaft“ nannte Sportdirektor Marc Lettau die Pleite. Äußerlich wirkte er gefasst, ebenso wie viele Spieler, wie Trainer Thomas Letsch. Innerlich brodelte es. „Wir konnten zu keiner Zeit mithalten und sind auf dem Boden der Tatsachen zurückgeholt worden“, so Lettau, nachdem der VfL in den letzten drei Remis-Partien in punkto Anlage und Aggressivität überzeugt hatte – in Bayern fehlte es an allem.
VfL Bochum: Trainer Letsch nie so hoch verloren
Trainer Letsch war erstmals verantwortlich für ein 0:7 des VfL. Er selbst hatte als Trainer noch nie so hoch verloren. „Das tut weh, mir, dem Staff, den Spielern, den Fans, jedem“, sagte der 55-Jährige. Er behielt aber wie bisher immer nach bösen Rückschlägen die Fassung. „Es gehört im Fußball dazu, mal richtig auf die Fresse zu kriegen, um dann wieder aufzustehen. Das darf uns nicht umwerfen. Ich bin überzeugt davon, dass wir nächste Woche wieder anders auftreten werden.“ Dann geht es im Ruhrstadion gegen Borussia Mönchengladbach (Samstag, 15.30 Uhr).
An falscher Taktik, an einer zu forschen Herangehensweise wollte Letsch die Niederlage nicht festmachen. In der ersten halben Stunde liefen die Bochumer im zuletzt bewährten 3-5-2 hoch an, grätschten aber eigentlich nur ins Leere – Davies, Coman, Sane, sie waren so nicht zu halten, schon gar nicht vom erneut schwachen Felix Passlack. Gleich nach 40 Sekunden rollten die Bayern über Alphonso Davies und Kingsley Coman durch. Nach vier Minuten erzielte Eric Maxim Choupo-Moting wiederum nach Angriff über die rechte Abwehrseite das 1:0, nach zwölf Minuten Harry Kane das 2:0 - Spiel erledigt im Rekordtempo. Letsch sprach von einer gewissen „Dynamik“ bei starken Bayern, die so ein Spiel dann annehme – zumal der FCB keine Lust hatte, das Tempo zu drosseln.
VfL Bochum will an Grundausrichtung festhalten
„Wir haben die Mannschaft bei unserer Spielidee mitgenommen“, versicherte Letsch. „Wir wollten bewusst einen mutigen Ansatz wählen. Ich stehe dazu, dass es der richtige Ansatz war, das ist unser Spiel. Passiv, das sind wir nicht. Vielleicht hätten wir dann heute weniger Tore bekommen, aber auch keine Punkte geholt“, sagte der Trainer.
Ähnlich bilanzierte es Marc Lettau. An der Grundausrichtung werde man festhalten, „wir sind von unserem Weg überzeugt“, sagte er. Beim für 90 Minuten gefühlt von den Wiesn in die Allianz Arena verlegten Oktoberfest des FC Bayern aber habe dem Team die Überzeugung gefehlt, das Pressing auch durchzuziehen, meinte Lettau. „Wir haben das, was wir uns gegen den Ball vorgenommen haben, zu keiner Zeit konsequent umgesetzt. Es wirkte so, dass wir in jeder Phase des Spiels einen Schritt zu spät waren und nur hinterhergelaufen sind. Wenn der Bayern-Express dann so früh ins Rollen kommt, wird es schwierig.“
Letsch reagierte schon nach 35 Minuten, als es dank riesiger Löcher, komplett fehlender Kompaktheit, fast nur verlorenen Zweikämpfen, schläfrigen Momenten und hoher Fehlpassquote bereits 0:3 stand. Er nahm die Schienenspieler Felix Passlack und Maxi Wittek vom Feld, stellte mit Noah Loosli um auf Viererkette, um mehr Kopfballstärke und Stabilität zu bekommen. Nach der Pause opferte er den Gelb-vorbelasteten Anthony Losilla und stellte mit Cristian Gamboa gar auf eine rein defensive Fünferkette um. „Wir wollten Haltung zeigen“, gab er den Spielern mit auf den Weg in der Pause, verriet er den mitgereisten Bochumer Journalisten hinterher. Wollte „mit allen Mitteln“ den Schaden in Grenzen halten, so beschrieb es Lettau. „Das hat auch nur bedingt funktioniert.“
Dominanz der Bayern gegen VfL Bochum blieb
Die Dominanz des FC Bayern blieb, nun mit noch mehr Ballbesitz in der VfL-Hälfte. Und: An diesem Tag gönnten sich auch Profis Aussetzer, die man von ihnen zuletzt nicht gewohnt war: Vor dem 0:5 patzte Ivan Ordets, vor dem 0:6 Bernardo. Beide Verteidiger luden die Bayern unbedrängt mit Fehlpässen vor dem Sechzehner ein. „Das waren Geschenke. Es kam heute vieles zusammen“, so Letsch. Letztlich durften daher dreimal Harry Kane und je einmal Eric Choupo-Moting, Matthijs de Ligt, Leroy Sane und Mathys Tel Treffer bejubeln – weil der Rekordmeister bis zum Schluss Bock auf Fußball hatte. „Wir haben schnell und schnörkellos gespielt, die Eins-gegen-Eins-Duelle gewonnen. Einstellung und Herangehensweise waren top“, sagte Bayern-Trainer Thomas Tuchel, der mal nichts zu meckern hatte.
Sein Team übernahm damit die Tabellenführung und ließ sich vor den Fans als „Super-Bayern“ feiern. Bochums rund 3500 mitgereiste Fans ließen ihre Spieler wie seit dem Aufstieg ja schon auch nach diesem Debakel nicht hängen. Sie sangen ihre Lieder, standen nach 60 Minuten „auf für den VfL“, applaudierten den gebeutelten Verlierern nach dem Schlusspfiff. Gegen Mönchengladbach, mit zwei Punkten nach dem 0:1 gegen Leipzig noch hinter dem VfL platziert, erwarten sie aber mit Sicherheit einen anderen VfL.
Letsch und Lettau auch – nach fünf Spielen steht Bochum mit erst drei Punkten noch ohne Sieg da. Und nun, wie in der Vorsaison, wieder mit einem kaum zu reparierenden Torverhältnis von minus 12, nachdem der VfL ja auch in Stuttgart schon unter die Räder gekommen war. „Wir werden das Spiel mit der Mannschaft analysieren“, meinte Lettau. „Unter Zugzwang setzen wir uns alle. Wir peilen zuhause gegen Gladbach natürlich den ersten Dreier an. Das ist der Anspruch von der Mannschaft, von uns allen.“