Bochum. Der VfL Bochum geht nach dem Klassenerhalt optimistisch in die neue Saison. Über die Ziele haben wir mit Thomas Letsch im Interview gesprochen.
Es ist für den VfL Bochum schon der zweite direkte Klassenerhalt in Serie: Mit einem 3:0 gegen Bayer Leverkusen sicherte sich die Mannschaft den Platz in der Bundesliga, schloss die Saison als Vierzehnter ab. Es gab den Platzsturm der Fans, eine ebenso ausgelassene Feier im Bermudadreieck. Drei Tage danach sitzt Trainer Thomas Letsch in seinem Trainerbüro im Stadioncenter des Ruhrstadions. Er hat etwas aufgeräumt, hat Infos und Namen von den verschiedenen Boards oder Flipcharts gewischt. „Ich bin eher ein kontrollierter Mensch, der auf Ordnung Wert legt“, sagt der 54-Jährige. Am Mittwoch geht es mit seiner Frau und Tochter in den Urlaub. Zuvor blickt der Schwabe im Interview auf die Saison des VfL Bochum zurück und auf die am 18. August beginnende voraus.
VfL-Geschäftsführer Ilja Kaenzig beschreibt Sie als Gamechanger. Andere schlagen Sie als Trainer der Saison vor. Wie bewerten Sie ihre Arbeit beim VfL Bochum?
Thomas Letsch: Das ist nicht mein Job. Ich habe immer gesagt, dass wir den Klassenerhalt nur geschafft haben, weil wir eine Einheit waren: die Mannschaft, der ganze Klub, die Stadt, die Fans. Natürlich habe ich meinen Teil dazu beigetragen, weil ich daran geglaubt habe, dass wir es schaffen. Das habe ich auch versucht zu vermitteln.
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Hatten Sie nie Zweifel?
Thomas Letsch: Nein. Als die Anfrage kam, habe ich gedacht: Ein Punkt nach sieben Spielen, der VfL Bochum, da musste ich schon überlegen. Zwei Tage später war mir klar: Es ist schwer, aber es ist machbar. Nach dem 0:4 in Leipzig zu meinem Einstand ist mein Glaube an den Klassenerhalt zwar nicht größer geworden, aber der Abstand zu den Konkurrenten war noch nicht desaströs. Wir haben viel einstecken müssen, dazu gehörte auch das 0:2 gegen Schalke Anfang März. Aber auch da habe ich nicht am Klassenerhalt gezweifelt. Ich war enttäuscht. Dass es mal Schwankungen gibt, ist normal, aber ich habe mich nie richtig mit der 2. Liga beschäftigt.
Ihr Saisonrückblick in drei Worten?
Thomas Letsch: Intensiv. Achterbahn. Fantastisches Ende
.
Gibt es ein Lieblingsbild?
Thomas Letsch: Das letzte Spiel, was da ablief, das war unglaublich. Ab der 88. Minute wurde es bei mir kurz sehr emotional. Am Schluss habe ich mir mehr Sorgen gemacht, wie es auf den anderen Plätzen steht. Als es dann hieß, 2:0 für Gladbach gegen Augsburg, war das Ding für mich durch. Ab Mittwoch geht es jetzt mit meiner Familie in den Urlaub, darauf freue ich mich.
Schalten Sie Ihr Handy aus?
Thomas Letsch: Ich habe das Handy an, werde aber nicht immer drangehen. Der Verein und ich bleiben täglich im Austausch, die Kaderplanung schreitet voran. Nach dieser Saison aber werde ich auch gut abschalten können. Der Urlaub wird eine Mischung aus Sightseeing, aktiv sein und ausspannen.
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Die Fans haben Sie geherzt und gefeiert, ihr Standing im Klub ist groß. Der VfL Bochum und Thomas Letsch, warum passt das?
Thomas Letsch: Ich habe den Verein von außen so wahrgenommen wie ich ihn jetzt kennengelernt habe. Er ist klein, familiär, traditionell, professionell. Es passiert, es entwickelt sich etwas. Die ganze Stadt lebt mit, damit kann ich mich gut identifizieren.
Ihr Vertrag läuft noch bis zum Sommer 2024 – gibt es bald eine vorzeitige Verlängerung?
Thomas Letsch: Wir haben am Samstag die Klasse klargemacht. Meine Vertragssituation ist ein Thema, mit dem wir uns noch nicht beschäftigt haben. Das müssen wir jetzt auch nicht tun.
Thomas Letsch: "Es ist kein Geheimnis, dass wir Ivan Ordets gerne hier behalten würden"
Das gilt nicht für den Kader. Es kommt zu einem großen Umbruch.
Thomas Letsch: Wir haben zunächst diejenigen Spieler verabschiedet, deren Verträge auslaufen, bei denen die Leihen enden. Es ist kein Geheimnis, dass wir Ivan Ordets gerne hier behalten würden. Es gibt natürlich Spieler, die begehrt sind, bei denen vielleicht der eine oder andere Verein anklopft. Ich hoffe aber nicht, dass von ihnen einer den VfL verlässt. Es gibt Spieler, die unzufrieden sind, die sich vielleicht verändern wollen. Von daher glaube ich schon, dass es einen Umbruch gibt. Ich halte das auch für wichtig. Ich möchte nicht, dass wir zum Trainingsstart hereinkommen und alle sagen: Wir haben es geschafft, jetzt geht es weiter. Es ist eine neue Saison, es geht neu los. Die Mannschaft wird anders aussehen, wir wollen ein paar andere Akzente setzen.
Verjüngung ist ein Kernziel.
Thomas Letsch: Zwangsläufig. Wir haben schon eine recht alte Mannschaft mit vielen Spielern, die 30 oder über 30 sind. Natürlich brauchen wir auch ein paar jüngere Spieler, damit wir eine gute Mischung in der Mannschaft haben. Das heißt nicht, dass wir gar keinen älteren Spieler dazu holen. Grundsätzlich sollte das Team aber etwas verjüngt werden.
Die Flexibilität wollen Sie definitiv steigern.
Thomas Letsch: Wir haben insbesondere in den letzten drei Partien gesagt: Wir machen jetzt nichts Kompliziertes, spielen einfachen Fußball. Wir haben die Standards noch mehr forciert, da sind wir vorne in der Effektivität. Trotzdem geht es darum, den nächsten Step zu machen, das heißt, an den guten Dingen weiterzuarbeiten und neue vorzubereiten. Wir wollen nächste Saison mehr Tore schießen und weniger kassieren. Das ist eine relativ klare Zielsetzung, die auch nicht so schwierig umzusetzen sein sollte. Aber wenn es am Schluss wieder Rang 14 wird, egal mit welcher Tordifferenz, ist alles gut.
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Das Ziel ist weiterhin der Klassenerhalt?
Thomas Letsch: Alles andere wäre für den VfL Bochum 2023 nicht realistisch. Ilja Kaenzig hat bereits betont, wie wichtig dieser Klassenerhalt war. Es hilft extrem, wenn man ein paar Jahre in Folge Bundesliga spielt. Jedes Jahr, das man drinbleibt, wird man stabiler. Mit Darmstadt und Heidenheim kommen zwei Vereine hoch, die die Liga bereichern, die beide eine Heimmacht sind. Die aber natürlich nicht zu vergleichen sind, wenn Werder Bremen aufsteigt oder wenn der Hamburger SV aufsteigen sollte. Von den wirtschaftlichen Möglichkeiten liegen sie nicht vor uns. Das wollen wir ausnutzen.
Spüren Sie schon, dass die Erwartungen steigen, intern wie extern?
Thomas Letsch: Wie gesagt: Unser Ziel muss es sein, in der Liga zu bleiben. Wenn wir das schaffen, ist es toll. Der VfL Bochum ist für mich ein Verein der Top 25 in Deutschland. Wir sind jetzt auf Platz 14. Das ist gut. Wenn wir es schaffen, von den Top 25 in Deutschland dauerhaft in die Top 15 zu kommen, wäre es klasse. Alles andere ist Träumerei und macht keinen Sinn.
Wann möchten Sie ihren Kader zusammen haben?
Thomas Letsch: Ideal ist es, wenn zum Trainingsauftakt am 5. Juli der Großteil des Kaders steht. Auf der anderen Seite passieren in einer Transferperiode hinten heraus noch Dinge, mit denen man jetzt noch nicht rechnet. Das ist ein schmaler Grat. Wenn am Schluss noch ein Spieler zu bekommen ist, der uns viel besser macht, dann muss man da noch Möglichkeiten haben.
Bleiben einige Spieler aufgrund ihrer Leistungen gesetzt?
Thomas Letsch: Neue Saison heißt neue Saison. Es ist logisch, dass ein Spieler wie Anthony Losilla, der nahezu jedes Spiel auf hohem Niveau gespielt hat, einen leichten Vorsprung hat. Aber in der Vorbereitung werden die Karten neu gemischt. Es wird ein offener Kampf.
Ist Kapitän Losilla, 37, der Spieler der Saison für Sie?
Thomas Letsch: Eigentlich meint man, dass irgendwann der Zeitpunkt kommt, dass ihn einer rausspielt. Aber er ist so fit, geht in jedem Training vorneweg. Ich habe keine Ahnung, ob die nächste Saison seine letzte wird oder ob er dann noch drei weitere dranhängt. Er ist im Mittelfeld der Spieler gewesen, auf den wir nicht verzichten konnten. Wir haben viele gute Mittelfeldspieler gehabt. Aber man hat gesehen, dass die Balance mit Losilla besser war. Er ist sicherlich einer der Spieler der Saison.
Welche weiteren sind es für Sie?
Thomas Letsch: Ein Ivan Ordets zum Beispiel. Er kam nicht fit und aus der besonderen Situation in seinem Heimatland Ukraine zum VfL Bochum. Da habe ich allerhöchsten Respekt, wie er sich dann entwickelt hat. Ich glaube, dass ein Christopher Antwi-Adjei sich nach vorne gespielt hat. Aber je mehr ich drüber nachdenke: Anthony Losilla ist für mich der Spieler der Saison. Ich betone aber, dass die ganze Mannschaft es toll gemacht hat. Wir sprechen immer über die Losillas im Team, aber weniger über die Spieler, die wenig oder gar nicht gespielt haben. Wie zum Beispiel die beiden Torhüter Michael Esser oder Marko Johansson. Sie haben einen wichtigen Teil zum Klassenerhalt beigetragen. Sie haben in jeder Trainingseinheit Druck gemacht. Ich hätte nie Bauchschmerzen gehabt, wenn einer von beiden hätte spielen müssen.
Thomas Letsch über Manuel Riemann: "Er ist extrem emotional"
Torwart Manuel Riemann war ein Dauerthema. Wie sehen Sie seine Saison und seine Zukunft?
Thomas Letsch: Er ist immer ein Dauerthema. Es gibt so viele, und das meine ich völlig neutral, normale Spieler und es gibt Spieler, die extremer sind. Manuel Riemann ist extrem. Er ist mit seiner Art, wie er auf dem Platz agiert, wie er kommuniziert, ein Spieler, der polarisiert. Er ist extrem emotional und gibt alles dafür, um zu gewinnen. Er meint es immer gut. Manchmal aber wählt er vielleicht die falschen Mittel. Deshalb polarisiert er. Wenn er dann Phasen in einer Saison hat, in denen die Leistungen nicht so gut sind, dann kommt Kritik. Das ist völlig normal. Es gab dann vor dem Köln-Spiel eine Phase, da wurde die Kritik lauter. Da ziehe ich den Hut vor, wie er aus dieser Phase herauskam. Das spricht für ihn und seine mentale Stärke. Er steht auch sinnbildlich für die Saison des VfL Bochum mit Aufs und Abs. Am Schluss war auch er ein ganz wichtiger Faktor.
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Er hat keine Sekunde verpasst. Also geht er als klare Nummer eins in die nächste Saison des VfL Bochum?
Thomas Letsch: Natürlich haben die Spieler, die viel gespielt haben, einen kleinen Vorsprung. Aber es wäre doch verheerend, drei Tage nach dem Saisonende zu sagen, das ist unsere Nummer eins, das ist unsere Nummer acht, das ist unsere Nummer neun. Das wäre nicht sehr motivierend für den Rest der Mannschaft. Ich werde mit Sicherheit am 30. Mai nicht sagen, wer im ersten Spiel auf irgendeiner Position spielt. Wir machen jetzt Urlaub, und dann legen wir neu los.