Bochum. Der VfL Bochum und VfB Stuttgart stehen punktgleich im Tabellenkeller. Robin Dutt spricht über die Chancen seiner Ex-Klubs im Abstiegskampf.
Robin Dutt (58) wird im Saisonfinale der Fußball-Bundesliga ganz genau hinschauen. Beim VfL Bochum, aktuell Tabellenvorletzter, war er Trainer, beim VfB Stuttgart, der den Relegationsplatz belegt, Sportvorstand. Die Klubs sind drei Spieltage vor Schluss mit 28 Zählern punktgleich.
Herr Dutt, sind Sie beim Abstiegskampf neutraler Beobachter oder haben Sie einen Favoriten, wer unbedingt drinbleiben soll?
Robin Dutt: Rein emotional steht mir der VfL wesentlich näher, obwohl ich aus Stuttgart komme. Ich hatte immer eine enge persönliche Verbindung zu Bochum. Ich habe schon einige Stationen durchlaufen, und es gibt einige, bei denen man „nur“ gearbeitet hat. Der VfL Bochum ist mir aber ans Herz gewachsen.
Warum genau hat Bochum für Sie diesen Stellenwert?
Bochum war immer herrlich bodenständig, mit ehrlichen Emotionen verbunden. Der Schlag der Leute hat mir sehr zugesagt. Zudem habe ich noch Kontakte dorthin, etwa zu Peter Greiber, dem Torwarttrainer, zu U19-Trainer Heiko Butscher oder auch zu Geschäftsführer Ilja Kaenzig. Es vergeht zum Beispiel kein Geburtstag, an dem Ilja nicht schreibt. Für mich war der VfL damals eine Herzensangelegenheit. Ich war noch unter Vertrag in Bochum, aber nicht mehr im Job, habe aber freiwillig auf Gehalt verzichtet. Das macht man nicht für jeden Verein. Bis heute stehe ich diesem Klub sehr nahe.
Aktuell geht in Bochum die große Abstiegsangst um. Kapitän Anthony Losilla hatte nach dem 0:2 in Mönchengladbach Tränen in den Augen. Was würde die Rückkehr in die Zweitklassigkeit für den Klub bedeuten?
Es wäre zunächst eine große Enttäuschung, die aber hoffentlich, das sollte man betonen, nicht eintritt. Die Bochumer haben schon zu meiner Zeit damals gesagt, dass sie sich wünschen, in der Ersten Liga zu spielen, doch das übergeordnete Ziel war, sich in Deutschland unter den Top 25 zu etablieren, wozu eben auch das obere Tabellendrittel in der Zweiten Liga gehört. Davon sind sie, denke ich, nicht abgerückt, und ich glaube, dass die Fans dieses Ziel auch weiter mittragen. Bochum kann sich selbst also gut einschätzen, ist allerdings aktuell noch Erstligist. Natürlich will kein Fan, Spieler oder Trainer freiwillig in die Zweite Liga runter. Aber ich glaube, Bochum könnte mit einem Abstieg emotional besser umgehen als manch anderer Verein.
Noch ist aber alles offen. Was glauben Sie, wie diese Saison enden wird?
Wenn ich Bochum und Stuttgart miteinander vergleiche, hat der VfL aufgrund des Restprogramms mit Spielen gegen den FC Augsburg, bei Hertha BSC und gegen Bayer Leverkusen einen leichten Vorteil. Der VfL und der VfB haben eine unglaubliche Fan-Wucht bei Heimspielen. Für Bochum ist das direkte Duell mit Hertha richtungsweisend. Ich würde mich über einen Klassenerhalt des VfL Bochum am meisten freuen, gönne aber zugleich auch keiner anderen Mannschaft einen sportlichen Abstieg.
Bochum hat das mit Abstand schlechteste Torverhältnis aller Teams, hat allerdings mehrmals auch nach hohen Niederlagen wieder überzeugt. Woher nimmt die Mannschaft ihre Stehauf-Mentalität?
Das Umfeld, die Zuschauer und die Verantwortlichen gehören dazu. Sie wissen, dass man an die Grenze gehen muss, um in der Ersten Liga mithalten zu können. Wenn Bochum mal eine schlechte Tagesform hat, kann es auch eine deutliche Niederlage geben. Dann aber folgt das berühmte Mundabputzen, das Stadion steht direkt wieder hinter einem, was auch ein Vorteil ist. Für Hertha BSC oder der VfB Stuttgart hätte ein Abstieg bei diesem finanziellen Einsatz, den diese Vereine bringen, eine ganz andere Tragweite als für den VfL Bochum.
Wo sehen Sie sportliche Stärken beim VfL?
Die Bochumer können über Einsatz und Schnelligkeit in Fenster, die der Gegner einmal kurzfristig anbietet, gnadenlos reinstechen. In Kevin Stöger hat der VfL einen guten Standard-Spezialisten, was ja auch eine große Rolle spielen kann im Abstiegskampf. Ich glaube darüber hinaus, dass der Kampf um den Klassenerhalt in Bochum eher mit positiven Emotionen besetzt ist, weil man vom ersten Tag darauf eingestellt war und das Ziel auch noch erreichbar ist. Andere Mitkonkurrenten, speziell der VfB Stuttgart, hatten ganz andere Ziele. Für den VfB geht es jetzt einzig darum, den Worst Case zu vermeiden, Stuttgart befindet sich also emotional in einer anderen Situation als Bochum. Ich glaube zudem, dass sich beim VfB viele Spieler aktuell schon mit Alternativgedanken befassen, was künftige Arbeitgeber betrifft. Dieses Gesamtpaket ist für den VfL Bochum ein Pluspunkt.
Seit September 2022 ist Thomas Letsch VfL-Trainer. Was halten Sie von ihm?
Er ist der richtige Trainer in dieser Situation. Er lebt das jetzt mit, passt super dahin. Er freut sich, leidet auch. Thomas Letsch ist authentisch.
Gilt das auch für Stuttgarts Sebastian Hoeneß?
Er ist ja noch relativ neu beim VfB, hat bisher gute Arbeit gemacht, obwohl er zuletzt bei Hertha BSC erstmals verloren hat. Zumindest die Trainerfrage gibt es in Stuttgart aktuell nicht. Sebastian Hoeneß hatte dort bisher einen guten Auftritt.
Nun spielt Stuttgart gegen Bayer Leverkusen, wo Sie auch Trainer waren. Am letzten Spieltag tritt Bochum dann gegen Leverkusen an. Was trauen Sie Bayer im Saisonfinale zu?
Dieses Spiel dürfte für Stuttgart und Bochum schwierig werden. Ich bin von Leverkusen bisher begeistert. Xabi Alonso macht mir als Kollege richtig Spaß. Er ist ein Trainertyp, wie ich ihn mir, auch mit Blick auf die Außenwirkung, vorstelle. Man sollte versuchen, ihn langfristig zu halten. Das dürfte jedoch schwer werden, weil ich glaube, dass er in Spanien und England so begehrt ist, dass Leverkusen eher eine hohe Ablösesumme für ihn bekommen wird.
Sie waren bis vor zwei Monaten Trainer in Österreich, beim Wolfsberger AC. Wie planen Sie aktuell für Ihre Zukunft?
Wenn man in dieser Phase des Mais zur Verfügung steht, kommen Anfragen. Aber natürlich bin ich mit 58 in einer Situation, in der ich nicht alles mache. Die Österreich-Station war wunderschön, das war mal wieder was anderes. Ich bin jetzt relativ offen, aber das Gefühl muss für eine neue Aufgabe stimmen.